•Kapitel 26•

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Ich starrte in den Spiegel vor mir und legte meine kalten Finger auf seine Oberfläche. Das Bild in ihm ließ sich kaum richtig erkennen, war der blasse Halbmond doch keine wirklich ausreichende Lichtquelle. Und trotzdem sorgte das, was ich ausmachen konnte, dafür, dass die Wut, die Trauer aber vor allem die Verzweiflung in mir hochkochten.


Der Spiegel zeigte eine jämmerliche Gestalt, die mit aufgequollenen Augen und roter, fleckiger Haut einfach zerstört und kaputt aussah. Und das war ich auch, ich fühlte mich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen, mich wie Hänsel und Gretel im Wald ausgesetzt, nur alleine, mir die Luft zum Atmen genommen.


Denn das alles war Jordan für mich, er war der Boden unter meinen Füßen, mein Zuhause, meine Luft zum Atmen. Und das alles war plötzlich weg, würde für immer weg sein.



Warum tat er mir das an? Warum konnte er mich nicht so lieben, wie ich es tat? Seine albernen, lächerlichen Worte, er würde mich zu meinem Wohl verlassen, waren doch nur eine vorgeschobene Ausrede. Würde für ihn mein Wohl wirklich an erster Stelle stehen, hätte er mich niemals zurückgelassen, hätte er sich mir niemals entzogen. Er wusste, wie sehr ich ihn brauchte, da war ich mir sicher.



Also warum, warum tat er mir diese Qual an? Wollte er mich bestrafen? Hatte er erkannt, was für ein schlechter, armseliger Mensch ich eigentlich war? Ich lachte hysterisch auf, es könnte nur das sein, er wollte mich bestrafen! Warum hatte ich es nicht schon vorher erkannt?



Menschen wie ich, die sich nicht um das Wohl von anderen kümmerten und ihr Leben zerstört hatten nichts anderes verdient. Ich gehörte bestraft, da war ich mir sicher. Doch warum hatte er genau diese Strafe gewählt? Wahrscheinlich, weil er gewusst hatte, das dies mich am härtesten von allem erdenklichen treffen würde.


Doch auch wenn ich jetzt wusste, dass ich diese Bestrafung verdient hatte, linderte es den Schmerz in meiner Brust umso weniger. Nein, der Schmerz in meiner Brust wuchs nur noch mehr an, als ich daran dachte, was ich alles zerstört hatte. Leona, die Leys, meine Freundschaft zu Kandra und auch zu den beiden Jungs, aber vor allem hätte ich beinah Leonas und Deacons Leben für immer beendet. Es war alles meine Schuld, alles.



Wie konnte ich eigentlich glauben, dass die Trennung von Jordan als Strafe allein genügte? Sie war Strafe genug für eins, vielleicht zwei meiner vergehen.


Jedoch reichte sie niemals für das aus, was ich alles getan hatte. Keine Strafe würde dafür ausreichen.



Doch, eine einzige. Der Gedanke, der soeben in meinem Kopf auftauchte, sorgte dafür, dass es mir kalt den Rücken herunter lief. Einerseits, weil der Gedanke mir eine Heidenangst einjagte, er aber andererseits die perfekte Bestrafung wäre.


So würde ich für alle meine Sünden büßen und es würde auch nie wieder die Gefahr bestehen, dass ich das Leben von jemandem zerstören könnte. Denn so wie ich mich kannte, würde ich weiterhin alle Menschen, die mir nur etwas bedeuteten verletzen und zerstören.



Und trotzdem, noch überwog die Angst, war ich mir doch bewusst, dass diese Entscheidung endgültig war. Einmal getroffen gab es kein zurück mehr. Und ich war mir nicht sicher ob ich bereit dafür war, ob ich mutig genug war und ob ich es auch wirklich wollte.


Würde ich diese Entscheidung treffen, würde ich meine Chance verspielen Jordan jemals wieder zu sehen. Ich würde die Chance auf ein glückliches, oder zumindest akzeptables, nein, auf überhaupt ein Leben für immer aufgeben und ich...Ich wusste einfach nicht, ob ich bereit war, all das für immer aufzugeben.


Aber ich konnte auch niemanden fragen, niemand würde mich verstehen, geschweige denn mir einen zuverlässigen Rat geben. Es hatte nur einen gegeben, der all diese Kriterien erfüllt hatte. Und auch wenn er mich fortgeschickt hatte, mich nicht mehr sehen wollte, musste ich gerade einfach mit ihm sprechen. Einfach, weil alles mir zu viel wurde, ich Angst vor meinen eigenen Gedanken hatte.

Ein Labyrinth aus SchweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt