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Menschenmassen strömten vom Forum aus zu den Hügeln mit den Tempeln und den Statuen der Helden. Jeder schien zu wissen, was dort vor sich ging. Reyna fasste die Hand ihrer Mutter und bahnte sich einen Weg durch die Nachkommen der Götter. Viele machten ihr Platz, selbst mit ihren zehn Jahren war das Mädchen schon sehr einschüchternd. Noch ein Punkt, den sie mit ihrer Namensgeberin gemeinsam hatte. Mal abgesehen von ihrem schwarz glänzenden Haar und den stechenden Augen. Aber Reyna sah es nicht. Nicht heute. Nicht am Todes- und Ehrentag ihrer Urgroßeltern, Annabeth und Percy Jackson. Plötzlich tauchten zwei Mädchen neben ihnen auf. Die Männer traten eilig einen Schritt zurück, was Thalia mit einem Augenverdrehen beantwortete. Diana sah lächelnd zu der größeren Reyna auf. "Hallo, Reyna."

"Diana." Reyna verbeugte sich leicht. Am Tag der Helden war die Anwesenheit diverser Götter keine Seltenheit. Selbst Zeus hatte sich einmal sehen lassen. Diana, Poseidon, Athene und Hestia hingegen kamen jedes Jahr.

Schon verrückt, was zwei Halbgötter unabsichtlich ausrichten können. Alleine dadurch, dass sie überlebt haben, bis zuletzt.

Alle anderen der Sieben waren vor ihnen gestorben, bis auf Piper. Die Aphroditetochter war es auch, die Annabeth nach Percys Tod wieder aufgebaut hatte. Sie hatte schließlich wie keine andere gewusst, wovon sie sprach. Jason war als erster gestorben.

Piper hatte auch Annabeth überlebt, wenn auch nur ein Jahr.

Man hatte sie schließlich in ihrem Bett aufgefunden, lächelnd. So sehr, wie sie in diesem einen Jahr nicht gelächelt hat.

Es hatten sich Gerüchte verbreitet, woher sie von ihrem Tod wusste, das Glaubwürdigste war, dass Thanatos sich ihr gezeigt hatte.

"Hallo Reyna." Eine weitere Göttin war neben ihr aufgetaucht, Hestia. Anders als sonst zeigte sie sich heute erwachsen und einnehmend. Warmes Feuer brannte in ihren Augenhöhlen und sie hatte einen Krug dabei.

"Hallo Lady Hestia." , sagte Reyna lächelnd. "Was ist das für ein Krug?"

"Das wirst du schon noch sehen.", sagte Hestia geheimnisvoll.

Als alle angekommen waren, sowohl Menschen als auch Götter, stieg die Göttin des Herdfeuers auf ein Podest und hielt den Krug in die Höhe.

"Diesen Krug gab mir Perseus an seinem sechzehnten Geburtstag mit den Worten; Hoffnung sei am sichersten am Herdfeuer. Ja, das ist der Krug der Pandora, mit Elpis in sich." Sie strich über den einfachen Ton. "Er war schon damals sehr weise. Denn Elpis hätte ihn nicht mehr losgelassen, und irgendwann wäre die Hoffnungslosigkeit zu groß gewesen. Aber das ist nicht sein einziger Bezug zur Hoffnung. Er selbst hat Hoffnung gebracht. Sei es Hoffnung auf Liebe, Sieg oder Loyalität. Er hat seine Größte Schwäche zu seiner größten Stärke gemacht, etwas, was nur wenigen Helden oder Heldinnen gelingt. Und das war er wirklich. Ein Held."

"Er würde die Augen verdrehen, wenn er von diesem ganzen Pompom wüsste.", flüsterte Thalia leise. Aber die Rede der Göttin hatte sie mehr berührt, als sie zugeben wollte.

Hestia fuhr fort: "Ebenso wie seine Frau eine Heldin war. Annabeth Jackson, davor Chase, hatte das Rätsel um die Athena Parthenos gelöst und sich dabei ihrer größten Angst gestellt; Arachne. In ihrem Angesicht entwarf sie eine Falle, die Arachne selbst erschuf. Das zeugt von ihrem unbändigen Willen, zu überleben, dem Krieg Einhalt zu gebieten. Denn die Angst vor Spinnen ist eine Göttliche Angst, in jedem Kind der Athene gleich stark verwurzelt. Sie hat die kleinen, unscheinbaren Dinge genutzt, um Großes zu erreichen. Das bewundere ich an Percy und Annabeth." Sie stieg vom Podium.

Thalia hingegen löste sich von ihrer Position neben Reyna und nahm den Platz der Göttin auf.

"Percy und Annabeth waren ein unschlagbares Team. Wie viel sie gemeinsam hatten, so viel unterschied sie. Ihr wisst das Annabeth' Größte Schwäche Hybris war, der Glauben, alles erreichen zu können, besser zu sein als sogar die Götter. Percy war bescheiden und hielt sie auf dem Boden, wie sie ihn hochhielt. Er quatschte Unsinn, während Annabeth' Gerede sie oftmals rettete. Wenn Annabeth nicht mehr konnte, half Percy aus." Thalia stockte kurz.

"Aber sie waren nicht nur unschlagbar, sie waren auch süß. Ja, das von einer Jägerin." Sie grinste kurz. "Meine Güte, da knisterten die Funken quasi für alle hörbar, wenn die beiden flirteten. Und damit haben sie bis zuletzt nie aufgehört." Sie wischte sich unauffällig über die Augen. "Sie wurden älter, aber nie erwachsen. Eine Gabe, wie ich jetzt weiß." Sie stieg wieder vom Podium und machte Poseidon mit einem ehrerbietigen Nicken Platz.

"Mein Sohn ..." Er stockte. "Percy war einzigartig. In vielerlei Hinsicht. Aber am bekanntesten ist er dafür, dass er die Unsterblichkeit ablehnte. Ich weiß nicht, wie wenig Menschen - oder andere Wesen - dies tun würden. Und das ist mir auch egal. Er war einzigartig in der Liebe, einzigartig im Humor. Er war fantastisch darin, die Stimmung durch ernstgemeinte dumme Kommentare, meist auf Kosten der Götter, aufzulockern. Fortuna war noch Monate später angepisst." Er lachte. Kein hysterisches Lachen. Ein Lachen über einen längst vergangenen Witz.

"Den Weinheini gegenüber meinem Neffen hatte er auch anderen beigebracht, unter anderem seiner einstigen Freundin und späteren Frau, Annabeth. Dionysos hatte ihnen stets mit Delfinen und Weinranken gedroht." Poseidons Lächeln war fein, aber sichtbar. "Und er war großartig im Verzeihen. Er trug schon nach, so war das nicht, aber er verzieh. Eine Eigenschaft, die wir Götter noch lernen müssen." Poseidon sah kurz zu Athene, die in einer weißen Toga am Rand der Menschenmenge stand, etwa drei Meter groß. Sie schickte ein zögerliches Nicken zum Meeresgott.

"Darum sind Annabeth und Percy unsterblich.", schloss Poseidon. "Sie bleiben bestehen, weil sie Eindruck gemacht haben. Und nicht wie Octavian, nein, sie machten es, indem sie einfach sie selbst waren."

Reyna betrachtete den Meeresgott. Er ballte leicht die Fäuste, was sie aber eher auf Kopfschmerzen bezog, da er in seiner griechischen Form hier war. Neptun wäre auch blöde gewesen. Schließlich ist er so nicht Percys Vater und hasst die Römer. Obwohl diese ja jetzt eine Flotte hatten. Diese Kritik hatte Percy immer wieder ausgesprochen, bis die erste Reyna genervt doch die Schiffe behielt, die Octavian gekauft hatte. Nur wenige hatte sie wieder verkauft, um das herausgeschmissene Geld reinzubekommen, so erzählten sich die Soldaten der Wasserflotte. Reyna war oft bei ihnen, denn sie liebte das Meer und lernte begierig die Formen des Kampfes auf Schiffen. Wenn sie alt genug war, in die Legion einzutreten, wollte sie es dort machen.

Athene teleportierte sich zum Podest, neben ihren Onkel. Dieser sah sie überrascht an.

"Annabeth hat immer in den höchsten Tönen von Percy gesprochen.", sagte sie, ohne ihn anzublicken. "Und zeigte mir dadurch, dass die Halbblute nicht an die Feindschaften der Götter gebunden sind. Silena und Beckendorf sind ein weiteres fantastisches Beispiel. Ich halte nicht viel von LIebe, oder von anderen Dingen, die ablenken. Aber ihr könnt es. Liebt, wen ihr wollt." Sie sah zu Poseidon. "Friede?"

Halbgötter One Shots (Percy Jackson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt