Mein letzter Wunsch

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Ich denke, keiner von uns ist Wunschlos glücklich. Jeder von uns wird etwas haben, was er sich wünscht. Die einen wünschen sich größere Brüste, einen kleineren Bauch, ein neues Auto oder einfach mehr Geld. Andere wünschen sich Liebe, haben einen Kinderwunsch oder wünschen sich ihre Gesundheit wieder zurück. Jeder hat seine individuellen Bedürfnisse und Wünsche. Und, jeder Wunsch ist etwas ganz persönliches. Genauso einzigartig wie jeder Mensch von uns ist, sind auch unsere Wünsche.  Manche Wünsche können wir uns selbst erfüllen, andere wiederum nicht. Vieles liegt in unserer Hand, aber eben nicht alles. Immer, wenn ich eine Wimper verliere, eine Pusteblume finde oder eine Sternschnuppe sehe, frage ich mich immer was ich mir wünschen könnte. Was ist eigentlich mein größter Wunsch? Was ist, wenn der Wunsch, welcher mir einfällt, nicht mein größter ist? Was ist, wenn jeder von uns drei Wünsche frei hat,  wenn er zum Beispiel eine Wimper verliert? Würden wir dann vielleicht unsere Wünsche nochmal überdenken? Ich denke, genau dafür gibt es diese Dinge wie  Pusteblumen und Wimpern- Sie werden uns nie unsere Wünsche erfüllen, aber sie werden uns nachdenken lassen, was wir uns wünschen könnten. Sie werden uns gut überlegen lassen, was wir uns eigentlich wirklich wünschen. Früher habe ich mir Dinge gewünscht, die sich denke ich jedes gesunde Kind in dem Alter  gewünscht hat. Mit 8 Jahren war es dann das große Playmobilhaus. Mit 12, dass ich endlich meine Periode bekomme oder meine Brüste mal anfangen zu wachsen. Mit 14, dass mein Schwarm auch auf mich steht. – Und dann, wurde ich krank. Viele denken sich wahrscheinlich jetzt, dass ich mir gewünscht habe wieder gesund zu werden.  Das stimmt aber nicht ganz. Mein Wunsch war es nicht wieder gesund zu werden, sondern, dass ich noch einmal für 24 Stunden gesund sein darf. Dass ich krank bin habe ich akzeptiert. Aber, was ich nicht akzeptieren wollte, war, dass ich somit auch mein weiteres Leben verloren habe. Mir wurde nicht nur meine Gesundheit weggenommen.  Mir wurden auch so viele Chancen genommen. Mir wurden so viele Momente genommen und vor allem wurde mir ein Stück Leben geklaut. Heute bin ich 18 Jahre alt und ich habe beziehungsweise hatte in den letzten vier Jahren nur noch einen Wunsch. Meinen letzten Wunsch. Der Wunsch, noch einmal für 24 Stunden gesund zu sein, ist ein sinnloser. Denn, das wird nie mehr der Fall sein und ich weiß, dafür sind Wünsche da- Sie sollen das unmögliche möglich machen. Aber, nicht bei mir. Ich weiß, dass ich krank bin. Und, ich habe es akzeptiert. Klar, wäre ich gerne gesund- keine Frage. Aber es gibt Dinge im Leben die man nie ändern werden kann. Also, mein letzter Wunsch war es nicht, gesund zu werden. Was aber, könnte dann mein Wunsch gewesen sein?

Mein letzter, größter und bedeutungsvollster Wunsch, war es, noch einmal an die Nordsee zu fahren. Ich wollte noch einmal das Weite sehen. Ich wollte das Meeresrauschen hören. Die Möven. Ich wollte mich noch einmal frei fühlen und mir über nichts anderes Gedanken machen als das jetzt. Ich wollte mich einmal gesund fühlen und frei. Frei, wie als wäre alles andere bedeutungslos.  Zu meinem 18. Geburtstag wurde mir dieser Wunsch dann erfüllt. Und, es war das Beste Geschenk, welches ich je bekommen habe und welches man mir hätte machen können.

-Ich war für drei Tage an der Nordsee-
U

nd es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es waren nicht die schönsten drei Tage in meinem ganzen Leben. Drei Tage, 72 Stunden, 4320 Minuten und 259 200 Sekunden, die mir all´ das wiedergegeben haben, was ich in den letzten Monaten und Jahren verloren habe. Meine Gesundheit, meine Freude, meine Hoffnung, mein Lebenswille und meinen Kampfgeist. Keiner kann sich vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als ich das erste Mal das Meer gesehen habe. Ich bekam Tränen in den Augen, Gänsehaut und  ich konnte alles in diesem einen Augenblick vergessen. Ich vergaß all´ meine Sorgen, meine Ängste, meine Hoffnungslosigkeit und meine Zweifel. In den letzten vergangen 259 200 Sekunden habe ich nicht eine einzige Sekunde darüber nachgedacht, wie mein Leben weiter gehen soll. Ich habe keine einzige Sekunde an mir, oder meinen stärken gezweifelt. Ich habe nicht eine einzige Sekunde darüber nachgedacht, dass ich eigentlich krank bin. Ich war zum ersten Mal seit Monaten einfach nur glücklich. Ohne über etwas nachzudenken, was mich nur unnötig nerven kostet. Ich habe vergessen, dass ich krank bin- Ich war einfach am leben. Ohne Angst, ohne Sorgen und ohne sich ständig Gedanken machen zu müssen eine falsche Entscheidung zu treffen. Ich habe einfach gelebt. Ich war gesund. Ich hatte keine Ängste oder Sorgen. Ich stand auf einem Steg der ins Wasser geht. Ich stand ganz vorne am Rand- um mich herum war nur das Wasser zu sehen und zum ersten Mal seit Anfang des Jahres habe ich mich frei gefühlt. Plötzlich hatte nichts mehr eine Bedeutung außer das hier und jetzt. Plötzlich erschien mir alles so leicht. Ich habe für diesen Moment alles vergessen. All´ meine Ängste. All´ meine Sorgen. All´ meine Fragen wie es weiter gehen soll… Alles war weg. Aber, das aller schönste war, dass ich vergessen habe, dass ich eigentlich schwer krank bin. Ich kann nicht in Worte fassen, wie ich mich gefühlt habe. Diese drei Tage haben mir alles wieder gegeben, was ich verloren hatte. Diese drei Tage haben alles wieder gut gemacht, was ich aushalten musste. Mein letzter Wunsch wurde mir erfüllt. Das wäre jetzt der Punkt, an dem ich sagen müsste, dass ich nun bereit wäre zum sterben. Aber, das bin ich nicht. Ich habe zwar keine Angst vor dem tot, aber, ich bin auch nicht bereit mein Leben abzugeben. Ich möchte leben. Und das, ab heute Wunschlos glücklich.    

Mein Leben mit einem Dachschaden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt