26. und 27.Juli

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Ich wache auf. Es ist der 26. Juli. Mir ist mal nicht schlecht und ich fühle mich relativ gesund. Also, lasse ich die Medikamente heute weg. Ich hatte sie gestern auch schon weggelassen, da ich sie nur nehme, wenn es gar nicht mehr geht. Zwei Tage schon ohne Medikamente und es geht mir gut-das kann nicht von langer Dauer sein. Ich weiß das jetzt schon. Aber, statt jetzt Panik zu schieben und zu sagen: Scheiße, mir wird es bald wieder schlecht gehen, weil es mir jetzt so gut geht. Ich will das nicht“, entspanne ich einfach und genieße die Zeit in der es mir gut geht. Ich weiß zwar, dass es dafür die Tage wieder richtig schlimm wird, aber jetzt ist es nicht schlimm also muss ich da jetzt auch nicht drüber nachdenken. Den ganzen Tag über geht es mir gut. Zwischendurch tut der Tumor weh oder mir ist schlecht- aber das ist sowas von akzeptabel. Gegen Abend merke ich, dass ich Schwindel und Kopfschmerzen bekomme. Und ich fühle mich erschöpft, obwohl ich nichts anstrengendes getan hatte den Tag über. Aber, ich lasse mich davon jetzt nicht irritieren.- Das wäre genau das, was der Tumor wollen würde. Er möchte die Macht haben. Aber nicht mit mir. Wenn hier einer die Macht hat, dann bin und bleib ich das! Ich bin stärker als diese paar Millimeter.

 

Ich schaue auf mein Handy- 6:23 Uhr. Samstag, 27.07.

Mir laufen die Tränen über die Wangen vor lauter Kopfschmerzen. Ich kann den Kopf nicht mal ansatzweise bewegen, ohne, dass der Kopf sich anfühlt, wie als würde er jeden Moment platzen. Und mir ist schwindelig. Mein ganzer Kopf dreht sich. Danke, aber hätte ich Lust auf Karussell fahren würde ich auf eine Kirmes gehen. Ich versuche weiter zu schlafen. Ohne Erfolg. Die Schmerzen sind so stark, dass ich kein Auge zu kriege. Also, eigentlich kriege ich meine Augen nicht auf, denn sobald ich sie öffne tut alles noch mehr weh. Ich merke genau wo der Tumor sitzt. Ich merke ganz genau wo mein Dachschaden ist. Und das fühlt sich sowas von ekelhaft an. Es vergehen weitere knappe 3 Stunden und meine Kopfschmerzen werden immer schlimmer. Mir ist schlecht und beim Frühstück nehme ich erst mal meine Medizin. Da ist der Tag gekommen, von dem ich wusste, dass er kommen wird. Deswegen ist es für mich nicht mehr ganz so schlimm.   Ich wusste, dass es so kommen wird. Nur wann, das konnte ich nicht wissen. Ich habe starke Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und ich bin total schlapp. Meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding. mein Bauch fühlt sich an wie eine Waschmaschine die gerade schleudert. Mein Kopf dreht runden wie ein Karussell und fühlt sich gleichzeitig wie ein Ballon an, der kurz vor dem platzen steht. Also, über Haushaltsgeräte, Essen und Jahrmarkt bis hin zu Kindergeburtstag mache ich gerade alles durch. Und jetzt habe ich nicht mehr die Macht über meinen Körper. Der Vogel, in meinem Vogelhaus- der übernimmt jetzt die Macht. Krass, dass so ein paar Millimeter plötzlich über den gesamten Körper entscheiden. Heute ist wieder ein Tag, von dem man sagen könnte es wäre ein verlorener. Ich kann mit meinem jetzigen Gesundheitsstand weder irgendwo hin, noch kann ich viel reden oder lachen. Die Kopfschmerzen sind zu stark und ich bin zu schwach.
 

Ich lege mich ins Bett und starre die Decke an. Schon wieder liege ich hier, kann nichts machen und verpasse mein Leben. Ich habe es so satt zu leben, ohne wirklich zu leben. Aber, egal. Es wird wieder alles gut werden. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen und vielleicht sogar erst nächste Woche- aber es werden wieder diese schönen Tage kommen. Das glaube ich nicht nur, ich weiß es. Umso mehr freue ich mich dann, wenn der Tag gekommen ist, an dem es mir gut geht. Ich sage ja, es ist scheiße, dass es mir jetzt so schlecht geht. Aber, dafür weiß ich die Tage zu schätzen, an denen es mir gut geht. Wenn ich gute Tage habe, mache ich immer einen Haufen von Fotos und Videos. Fotos und Videos, welche ich mir dann anschaue, wenn wieder ein scheiß Tag gekommen ist. Meine Galerie besteht gefühlt nur aus Fotos und Videos wo ich scheiße laber oder mache. Aber, genau das, ist das Schöne an der ganzen Sache. Ich habe zu 99% nur Fotos und Videos von den guten Tagen. Wenn ihr in meine Galerie guckt, dann seht ihr da mehr als bloß Fotos die mal irgendwann, irgendwo einfach so entstanden sind. Ihr seht mich leben. Ihr seht mein echtes lachen. Ihr seht mein Leben. Ihr seht nur schöne und witzige Dinge. Meine Galerie lebt. Sie ist so lebendig. Und wenn ich mich an Tagen wie heute ein Stück weit tot fühle, dann schaue ich da rein und merke, dass ich lebe. Und selbst wenn ich heute sterben würde- Dann habe ich wenigstens gelebt. Es ist jetzt Mittag. Meine Kopfschmerzen sind immer noch nicht mal ansatzweise besser geworden. Ich möchte auf Klo gehen, als mir plötzlich schwarz vor Augen wird vor lauter Kopfschmerzen. Mein Kreislauf sackt weg.  

Mein Leben mit einem Dachschaden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt