Ich werde wach. 3:34 Uhr. Na super und ich dachte, dass ich jetzt aufstehen könnte. Mein Wecker ist gestellt für 7:30, da ich mich in der Schule abmelden muss. Der erste Schultag nach den Sommerferien. Der erste Schultag in meiner neuen klasse. Der erste Schultag und ich bin nicht da. Ich versuche weiter zu schlafen, aber ich bekomme eine Panikattacke nach der nächsten. Ich höre Beruhigungsmusik, aber es bringt nichts. Ich trinke einen Schluck Wasser, gehe auf Toilette und versuche an etwas Schönes zu denken. Sofern man an etwas Schönes denken kann, bei 28 Grad im Zimmer, Panikattacken und Übelkeit. 5:46 Uhr. Ich bin wieder wach. Ich bin am überlegen wach zu bleiben, aber das ist mir doch etwas zu früh. Ich lege mich nochmal hin- 6.38 Uhr und ich werde wach. Ich gebe es auf und bleibe es. Ich höre Musik, während ich wieder eine Panikattacke nach der anderen bekomme. Ohne Grund. Wenn ich nicht schon wahnsinnig wäre, würde ich spätestens jetzt wahnsinnig werden. Nachdem ich in der Schule angerufen habe, gehe ich in die Küche und mache mir ein halbes Brot. Ich habe zwar Hunger, aber so null Appetit. Ich gehe duschen, schminke mich und mache mir noch einen Joghurt mit Banane. In 20 Minuten fahren wir los. Ich muss noch auf Klo, meine Schuhe anziehen, Brötchen machen und meine Tasche packen. Und ausgerechnet jetzt, wo ich eigentlich so viel zu tun hätte, schreibt mir gefühlt jeder den ich kenne auf WhatsApp.
Wir sind angekommen. Nachdem wir einen Parkplatz gefunden haben gehen wir rein und laufen zur Ebene 03. Neurochirurgie, Herzchirurgie, Neurologie, Radiologie, Neuroradiologie. Ich muss mich jetzt erst mal anmelden. Es ist total voll hier und eine Frau motzt schon, wie lange sie denn noch warten müsste. Das kann ja was werden. Ich habe 6 Berichte mit, 5 MRT´S und die Einweisungen. Ich bin furchtbar am zittern und meine Beine fühlen sich noch wackeliger als Wackelpudding an. „Setz dich noch kurz hin, dann legen wir dir einen Zugang“- Ich gehe zurück in den Wartebereich und warte darauf aufgerufen zu werden. „Frau … bitte“- ich springe auf und freue mich irgendwie auf den Zugang. Ich mag sowas einfach. Hihi
Ich finde die Haare der Sprechstundenhilfe total schön und als ich ihr das sage, hat sie ein richtig großes grinsen im Gesicht. „Da möchte irgendwie kein Blut kommen“. Ja, das kenne ich ja schon von mir. Die Schwester versucht es noch ein weiteres Mal, aber dieses Mal möchte der Zugang nicht mal drinnen bleiben. Stattdessen rutscht die Nadel von alleine raus. Die Schwester steht auf und fragt ihre Kollegin, ob sie das übernehmen könnte. Ich sehe die andere Schwester und weiß sofort, dass sie das ziemlich robust machen wird. Ich finde, man sieht das manchen schon an, wie sie stechen. Der Zugang sitzt jetzt, aber Blut möchte keins kommen. Also, nimmt sie mir noch so Blut ab. Vier Mal wurde ich jetzt gestochen. Ich gehe schon schmunzelnd zurück in den Wartebereich zu meinem Opa, „Das wollte nicht funktionieren“ sage ich grinsend und die anderen Leute schmunzeln auch schon. Ich soll jetzt weiter zu der Radiologie. Wir laufen und laufen und laufen, bis ich dann nachfrage wo die Radiologie ist, denn die bei der Neurochirurgie meinten, das wäre auf einer anderen Ebene. Dabei ist es einfach nur den Gang runter. Wir setzen uns ins Wartezimmer und mir ist schlecht. Bei jedem der den Gang lang läuft denke ich, dass ich aufgerufen werde. Wenn mein Opa mit mir spricht, bekomme ich es schon nicht mehr mit. Ich habe Angst. Angst vor dem Kontrastmittel, Angst vor der Diagnose. Angst, vor all´ dem was heute noch auf mich zukommt. Und das weiß man ja leider nie. Egal was kommen wird, ich kann es nicht ändern. Ich kann nur ändern, wie ich dann damit umgehe. „Frau …“ ich tu´ mein Handy schnell in meinen Rucksack und möchte grade aufspringen, als mir eine Schwester ein Brett mit einem Protokoll in die Hand drückt. Ich bin grade froh, dass es noch nicht los geht, aber irgendwie wäre ich auch froh, es endlich hinter mich bringen zu können. Die Formulare kann ich recht schnell ausfüllen, da ich das jetzt schon zum 12. Mal heute mache. Das 12. MRT… Wahnsinn, oder? Ich warte immer noch. Ich bin ein so ungeduldiger Mensch, warten kann ich eigentlich aber gut, nur dieses Mal nicht. Ich kann nicht länger warten. Mein Opa geht jetzt in die Cafeteria. Ich warte immer noch. Jetzt. „Frau …“ Mein Herz rutscht mir in das tiefste Loch, welches ich mir vorstellen kann. Ich gehe aus dem Wartebereich, der Flur ist voll mit Leuten und ich suche die Frau, die mich gerufen hat. Da ist sie ja. Eine Frau mit grauen Haaren und sie schaut nicht grade freundlich. Aber, als ich sie anlächle hat sie gleich bessere Laune. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel ein Lächeln bewirken kann. Die Schwester bringt mich in einen kleinen Raum, in dem man warten muss, bis man aufgerufen wird zum MRT. Und ich dachte, dass ich sofort dran kommen würde. Sie sagt, dass noch ein Arzt kommen wird um mit mir alles zu besprechen. Ich warte, wie schon den halben Tag, und das im Endeffekt nur auf das Ergebnis vom MRT. In dem Zimmer ist eine Uhr an der Wand- ich schaue drauf und es sind mal gerade 3 Minuten vergangen. 3 Minuten, welche mir vorkommen wie eine halbe Stunde. Die Tür geht auf, und mein Herz rutscht runter. Der Arzt. Er fragt ob ich aufgeregt sei´. Ich sage zwar „Es geht“ aber eigentlich möchte ich sagen „ja, verdammte scheiße. Ja. Ich bin aufgeregt! Wann geht es los??“ Der Arzt möchte gerade anfangen zu besprechen was gemacht wird, als ich ihm sage, dass das heute schon mein 12. MRT ist. Er spart sich die Aufklärung und fragt mich, ob ich noch Fragen hätte. Ich frage ihn, ob sie hier in der Uni Klinik das Kontrastmittel „Dotarem“ haben- was er verneint und hinzufügt: „Wir benutzen das Kontrastmittel, welches in Deutschland am häufigsten genutzt wird. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das gleiche wie in dem Krankenhaus wo sie es so schlecht vertragen haben.“ Das einzige was aus meinem Mund raus kommt ist ein „Scheisse“ und am liebsten würde ich jetzt die Untersuchung gar nicht erst anfangen. Der Arzt versichert mir, dass mir nichts passieren wird und ich kämpfen muss. Blitzmerker. Ist ja nicht so, als würde ich seit Anfang des Jahres nichts anderes mehr tun. Der Arzt geht mit den Worten „Ich sage einer Schwester Bescheid und dann geht es für Sie los“
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Mein Leben mit einem Dachschaden
HumorDie 18 Jährige Anna bekam Anfang des Jahres 2019 eine Diagnose, welche ihr Leben wortwörtlich auf den Kopf stellen sollte. Ein Leben mit Hirntumor? -Kein großes Problem. Nur 7 Millimeter gross. Insta: Meindachschaden.blog