[22] Gutenachtgespräche mit einem Geist

464 30 11
                                    

Tod. Angst. Verzweiflung. Schweissgebadet erwachte Evangeline aus einem unruhigen Schlaf. So sehr sie auch versuchte vergangenes zu verdrängen, sie schaffte es nicht, sich den immer wiederkehrenden Alpträumen zu entziehen. Sie suchten das Mädchen heim. Und zwar jede Nacht von neuem. Ihr Atem ging flach, ihre Hände vergrub sie in den Haare, vollkommen zerknotet von ihrem wirren Schlalf. Sie versuchte gar nicht erst wieder einzuschlafen, denn sie wusste, dass es nichts bringen würde. So lief es meistens ab. Sie wachte auf, unruhig und gestresst und lag dann die ganze restliche Nacht wach und starrte gegen die Decke. So kamen auch die unvermeidbaren Augenringe unter ihren Augen. Dunkel und schwer. Doch an diesem Tag war etwas anders, denn dei unruhe schien sie zu plagen. So kam es schliesslich, dass sie aufstand und den Gemeinschaftsraum in aller späte verliess.

Die Korridore waren dunkel und unheimlich still. Evangeline konnte jeden ihrer Atemzüge, sowie jeden ihrer Schritte durch den Gang hallen hören. Doch das kümmerte sie nicht. Sie blieb nicht stehen. Ihr war es egal, wenn jemand sie erwischte. Was hatte sie denn gross zu verlieren? Sie hatte doch bereits alles verloren. Eine Welle der Panik erfasste sie bei diesem Gedanken wie aus dem nichts. Das Atmen fiel ihr plötzlich schwer, sie bekam keine Luft an einem Ort umgeben von Sauerstoff. Mit der einen Hand, versuchte sie ihr Shirt so zu richten, das sie den Stoff am Hals nicht mehr spüren konnte. Mit der anderen Hand zog sie eilig und mit zittrigen Fingern die Tür zu einer der Toilettenräume auf. Ein kühler Windhauch schlug dem Mädchen entgegen, das Wasser das sie sich kurz darauf ins Gesicht spritzte beruhigte sie zumindest ein kleines bisschen. Atmen, Eve, einfach Atmen, dachte sie sich und liess ihren Schwachen Körper zu Boden sinken. Die Bodenplatten spiegelten das Licht wider, das von der Decke fiel. So sass sie da, den Boden gekrümmt und an die Wand gepresst, bis ihr rasendes Herz sich allmählich wieder beruhigte und ihre Lungen sich mit neuem Sauerstoff füllten. Ihre Augen starrten ins Leere. Evangeline wusste, das sie nicht für immer mit dieser Schuld leben konnte. Von Tag zu Tag wuchs ihre Angst und der Hass auf sich selbst stetig an. Doch sie weinte nicht, auch wenn alles in ihr danach schrie.

"Du siehst traurig aus." Evangelines Körper donnerte gegen die Wand. Ihr Hand bedeckte ihren weit geöffneten Mund um ihren Schrei zu ersticken. Vor ihr schwebte ein Mädchen, die Haut blass und dursichtig. Sie sah vertraut aus. Ihre braunen Zöpfe, die Brille die auf ihrer Nase trohnte. All das schien Evangeline die Angst vor dem merkwürdigen Geschöpf zu nehmen. Denn sie sah, dass auch sie einmal ein ganz normales Mädchen gewesen sein musste. Ein Mädchen mit Träumen und Wünschen, die nun jedoch verpufft waren. "Du bist Myrthe.", stellte Evangeline fest, die Augen weit aufgerissen. Sie sah den Zeitungsartikel vor ihrem Geistigen Auge aufblitzen. Das Mädchen war hier gestorben, vor Jahren. Der Geist nickte und musterte Evangeline eindringlich. "Mein Name ist Evangeline.", brach die Merryweather das Eis. Myrthe stiess einene undefinierbaren Laut aus. Es klang beinahe zwischen einer Mischung zwischen einem Schluchtzen und einem Lachen. "Evangeline...", Myrthe liess ihren Namen auf der Zunge zergehen. Dann schien ihr plötzlich ein Gedanken zu kommen. "Du bist die Merryweather, nicht wahr? Dumbledore hat dich hergebracht." Evangeline nickte zur Antwort. "ich habe schlimme Gerüchte über dich gehört. Das du immer nur aufmerksamkeit suchen würdest und dich bei den Lehrern einschleimen würdest." Eigentlich hatte sie über genau das nicht reden wollen. Doch dann kam ihr der Gedanke, dass sowieso niemand mit Myrthe sprach, geschweige denn überaupt hierher kam. Die meisten mieden diese Toilleten, eben wegen ihr. Sie nannten sie die Maulende Myrthe, die Stimmen voller spott und hass.

"Ja, das scheint hier jeder zu wissen. Die Leute denken immer sie wüssten über das Leben anderer Bescheid, auch wenn sie in Wahrheit garnichts wissen. Sie mögen es nur sich mächtig zu fühlen", sagte Evangeline nach einer gefühlten Ewigkeit. Dann begann sie zu sprechen, mit einem Geist, den sie kaum kannte. "Ich war war 11 Jahre alt, als ich an meinem Geburtstag aufstand, grinsend wie ein kleines Kind und mich vors Fenster gestellt habe, so wie es jedes andere Kind in meinem Alter getan hätte. Nur mit dem unterschied, das meine Mutter den Hogwartsbrief verbrannte, sobald sie Eule das Merryweather Manor betrat. Sie sagte mit einer Schule voller Schlammblüter wolle sie nichts zu tun haben. Ich hatte nicht den Mut ihr zu sagen, das es mir egal wäre von welchem Blutstatus die Zauberer und Hexen abstammten. Sie hätte mich aus dem Haus geworfen. Ich wusste, würde ich sie je hintergehen oder sollte meine Meinung auch nur im geringsten von der ihrer abweichen, wäre ich ihr ausgeliefert. Ich liebe meine Mutter, egal was sie getan hat, ich liebe sie als mein Elternteil. Aber gleichzeitig habe ich sie immer verabscheut. Wie sie meinem Bruder Lügen eingetrichtert hat, bis von seinem ursprünglichen Liebevollen selbst nichts mehr übrigblieb hat mich krank gemacht. Und dann ist es passiert. Ich habe etwas schreckliches getan, Myhrte. Jetzt bin ich keinen Dreck besser als meine Familie....", ihre Stimme brach durch ein Schluchtzen. Erst als sie die Tränen aus dem Gesicht strich wagte sie es Myrthe ins Gesicht zu sehen. Wortlos schwebte der Geist des Mädchens neben sie heran und blieb dort schweben. "Tut mir Leid, das wusste ich nicht.", sagte sie. "Du hast besseres verdient Myrthe. Denn im Gegensatzt zu mir kannst du nichts für dein Schicksal.", flüsterte Evangeline mitfühlend, angesprochenen sagte nichts im Gegenzug. Sie schwieg. "Wieso erzählst du das ausgerechnet mir? Warum sprichst du mit mir? Weisst du, meistens bewerfen mich alle lieber mit Schuhen, als mich Ernst zu nehmen.", schluchzte die maulende Myrthe plötzlich los und versank im Selbstmittleid, so wie es Evangeline es vor wenigen Minuten noch getan hatte. Es war ein Zeichen für sie zu gehen, denn der Morgen begann bereits anzubrechen.

*********

"Das zieh ich ganz bestimmt nicht an.", stritt Evangeline ab und wich zurück, um den Stoff vor sich besser unter Augenschein nehmen zu können. Lily seufzte wohlwissend. "Ich wusste das du das sagen würdest. Aber du hast versprochen es anzuziehen. Der Ball ist schliesslich schon bald. Regulus wäre bestimmt enttäuscht, wenn seine Begleitung ohne Kleid auftauchen würde." Evangeline rollte mit den Augen, liess dann aber locker. "Darüber wollte ich sowieso noch mit dir sprechen. Du hättest mir doch zumindest sagen können, das du ihm einen Brief schreibst.", presste Evangeline hervor, nicht gerade amüsiert darüber was Lily für sie getan hatte. "Ach komm schon. Insgeheim bist du doch froh, dass ich diese Peinlichkeit für dich übernommen habe.", lachte diese als Antwort und warf Evangeline das Kleid entgegen. "Na los. Zieh dich um."

Evangeline Merryweather zog sich erst um, als Lily den Raum verliess. Tatsächlich in das Kleid zu kommen, war für sie schwerer als Gedacht, denn sie gab sich mühe, das Kleid nicht auf irgendeine Weise zu verschmutzen. Doch als dann alles fertig war und die Merryweather sich endlich im Spiegelbild entgegenblickte, war sie begeistert von ihrem Kleid. Es war Rot, an der Taille Eng, doch gegen unten fiel es geschmeidig und weit. "Kann ich rein kommen.", drang die Stimme ihrer Rothaarigen Mitschülerin dumpf durch die Tür. "Ja, kannst kommen.", rief sie zurück und drehte sich zur Holztür des Schlafsaals. Ihr Kleid wehte im 'Wind'. Lilys Lippen formten sofort ein stummes "Wow.", was Evangeline dazu veranlasste, leicht rot anzulaufen. "Wie findest du es?", fragte sie etwas verunsichert. "Ich liebe es. Du siehst göttlich darin aus. Regulus wird begeistert sein.", Lily zwinkerte ihrer Freundin zu. Sanft strich sie den Stoff des Kleides an Evangelines Schultern glatt und trat dann einige Schritte zurück, um ihr Meisterwerk besser betrachten zu können. "Alice wird sich am Tag des Balles dann um dein Make-up kümmern. Du wirst atemberaubend aussehen." Ein schüternes Lächeln huschte über Evangelines Lippen. Sie freute sich auf den Ball, ohne Frage. Und in diesem Moment der Freude verdrängte sie die Angst des Sozialen Kontakts, der in ihr aufkeimte. Sie vergass vollkommen den Brief ihrer Mutter. Ein fataler und vor allem gefährlicher Fehler.


     ****************

A/N: Leute ich liebe euch. 5k Reads und fast 500 Votes. Das ist so krass. Vielen Dank für euren ganzen Support, das bedeutet mir mega viel <3 <3 <3

Voiceless {Sirius Black Fanfiction}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt