Kapitel 5- Ankunft in Norwegen

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Vom Flugzeugfenster aus konnte ich beobachten, wie der Flughafen Oslos immer größer wurde. Nervös biss ich auf meiner Unterlippe herum. Zwar hatte Kate mir alle Benimmregeln erklärt, die ich kennen musste, aber wem machte ich etwas vor? ich würde das niemals perfekt können. Charles war jetzt schon ziemlich... Nun ja... Angespannt. Und jetzt sollte ich auch noch irgendwelchen fremden Menschen imponieren... Sprachen die überhaupt meine Sprache? Aufgeregt beugte ich mich zu Kate. "Was sind die wichtigsten Wörter im Norwegischen?" "Hm? Also, hallo heißt "hei", tschüss heißt "ha det", danke heißt "takk", bitte heißt... Warum willst du das eigentlich wissen?" Verwirrt blinzelte meine Mutter mich an. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie die ganze Zeit gelesen und mir nur mit halbem Ohr zugehört hatte. Bestimmt hatte sie gerade einfach geantwortet, ohne auf den Sinn der Frage zu antworten. Dann hatte sie darüber nachgedacht und ihr war aufgefallen, was ich jetzt eigentlich gesagt hatte. War mir auch schon manchmal passiert. "Nun, ich muss doch mit ihnen sprechen können!", erklärte ich ungeduldig Kate lachte nur. "Sie können auch Englisch, Isabella..." Sie strich mir lächelnd über die Haare, während ich schluckte. Hoffentlich würde das gut gehen...

"Hier sind Prinz William, Herzogin Kate und..." Derjenige, der uns ankündigen sollte, stockte, als er meinen Namen auf dem Blatt las. "Und ihre Tochter Prinzessin Isabella!" Nur vage nahm ich wahr, wie William beruhigend meinen Rücken streichelte, als wir drei gemeinsam das Flugzeug verließen. Charles und Camilla waren schon verschwunden, um vom Königspaar Norwegens empfangen zu werden. Meine Gedanken waren nur darauf versteift, zu lächeln und möglichst würdevoll auszusehen. In diesen hohen Schuhen war das nur leider leichter gesagt als getan... Zuhause hatte ich nie High Heels getragen. Auch im Palast war mir das glücklicherweise erspart geblieben. Klar, wenn man schon frühmorgens einem Einjährigen hinterherlaufen konnte, waren fünf Zentimeter hohe Absätze schon etwas fehl am Platz. Nun bedauerte ich es, diese Art zu laufen nie ausprobiert zu haben. Unbeholfen stöckelte ich über das Rollfeld und konnte nur schwer den Drang unterdrücken, mich krampfhaft am Arm meiner Mutter festzuhalten. Im Nachhinein betrachtet wäre das aber vielleicht gar keine so schlechte Idee gewesen. Da ich die ganze Zeit auf den Boden gestarrt hatte, bemerkte ich nur an den sich nähernden Schuhpaaren, dass wir wohl fast bei Norwegens Thronfolger angekommen waren. Für den Anfang sollte ich auch nicht mehr von ihnen zu sehen bekommen. Urplötzlich knickste ich mit dem linken Fuß um, wedelte noch kurz mit den Armen und landete sang- und klanglos auf dem harten Beton. Am liebsten wäre mir gewesen, wenn der sich in diesem Moment aufgetan und mich verschluckt hätte. So viel zum Thema souveräner erster Eindruck...

Vor meinem Gesicht entdeckte ich zwei Paar High Heels. Das cremefarbene konnte ich als das von Kate identifizieren, aber wer war dann das rote? Sofort kam mir der Gedanke, dass es mir gar nicht so unbekannt vorkam. Kein Wunder, denn ich hatte es vorhin die ganze Zeit vor Augen gehabt. Tja, wer konnte schon von sich sagen, dass einem einmal die Kronprinzessin von Norwegen nach einem Sturz geholfen hatte. "Alles in Ordnung?" Das war eindeutig meine Mutter. "Ja, nichts passiert..." Schnell richtete ich mich auf und zupfte nervös am Saum meines dunkelgrünen Kleides herum, um ja niemandem in die Augen sehen zu müssen. Am Geräusch sich nähernder Schritte konnte ich erkennen, dass jetzt vermutlich auch noch Haakon und William dazu stießen. Na super, warum musste ich mich jetzt unbedingt sofort zum Mittelpunkt machen? Angebracht wäre vermutlich gewesen, höflich zu warten, bis meine Eltern sie begrüßt hätten, dann die Hand zu geben und mich vorzustellen. Aber nein, ich musste natürlich vorher stürzen... "Das muss dir wirklich nicht peinlich sein. Wenn man das erste Mal hohe Schuhe trägt, kann da leicht mal schiefgehen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede..." Eine zweite Frauenstimme brachte mich dazu, den Blick zu heben. Das musste dann wohl Mette-Marit sein. Bis auf einen kleinen Akzent hörte man ihr nicht an, dass Englisch nicht ihre Muttersprache war. "Nur dass es bei mir ausgerechnet jetzt schief gehen muss", merkte ich an und erstarrte zugleich. Hatte ich mich gerade wirklich, das zu sagen? Manchmal warf mir mein Charakter schon Rätsel auf, wen  ich in Situationen, in denen ich normalerweise geschwiegen hätte, irgendeine schlagfertige Antwort raushaute. Mette-Marit lächelte. "Ja, das stimmt wohl" Schnell wandte sie sich an die Anderen in der Gruppe. "Machen wir jetzt einfach so, als wäre nie etwas passiert?" Als Kate nickte, griff die Norwegerin schnell nach der Hand ihres Ehemanns und ging voran. Erschlagen von den Ereignissen folgte ich ihr, diesmal vorsichtiger. Kate ließ sich ein wenig zurückfallen, um mir etwas zuzuflüstern. "Und, habe ich zu viel versprochen? Sie sind doch ganz nett, nicht?"

Ich war unendlich erleichtert, als ich mich endlich auf mein Bett werfen konnte. Nach meinem kleinen "Unfall" war der Rest des Tages ganz gut verlaufen. Nach etwas Smalltalk und dem rituellen Gang durch die Massen, verbunden mit einigen Gesprächen, hatten wir uns endlich zurückziehen können, um uns kurz frisch zu machen. Heute Abend stand zwar noch ein Abendessen an, aber im Moment konnte ich das noch erfolgreich verdrängen. Erschöpft schloss ich die Augen und dachte über den Tag nach. Nach einer Weile hatte ich mich beim Bad in der Masse entspannen können und hatte mit jungen Frauen gescherzt, die Personen eines etwas älteren Kalibers hatte ich mal lieber meinen Eltern überlassen. Zwar war mir klar, dass ich das eines Tages auch noch machen müsste, aber für heute waren es mir erst einmal genug Neuheiten. Was das wohl heute beim Abendessen noch werden würde? Schwerfällig setzte ich mich auf, um mein Kleid zu betrachten, das momentan noch in einer Kleiderhülle versteckt an meinem Schrank hing. Im Zimmer neben mir hörte ich Schritte. Hier im Palast hatten meine Eltern und ich zwei Zimmer bekommen, die sich direkt nebeneinander befanden und durch eine kleine, unscheinbare Holztür miteinander verbunden waren. So war ich schnell bei William und Kate, wenn ich mich vor einem Auftritt noch schnell nach etwas erkundigen wollte. Leider waren die Wände allerdings so dünn, dass ich jedes einzelne Geräusch hörte, das nebenan verursacht wurde. So wie auch das Telefongespräch von William, anscheinend mit Charles. "Ja, Vater... Ja, natürlich verstehe ich das! Aber... Aber trotzdem, ich... Du kannst doch nicht... Wenn du meinst... Ja, bis heute Abend..." Überdeutlich nahm ich das laute Seufzen wahr, das er ausstieß. Kurz darauf knarrte die Tür und ich merkte, wie sich William und Kate neben mich aufs Bett warfen. Kurz wechselten die beiden einen bedeutungsvollen Blick, ehe Kate ergeben seufzte und meine Hand nahm. "Isabella, du musst wissen, dass Charles gerade angerufen hat. Es... Es ging um das Abendessen heute... Und er hat schon von deinem Sturz erfahren" Sie zögerte und warf einen Blick zu ihrem Ehemann, der gleich darauf übernahm. "Wenn du heute Abend noch einen Fehler machst, war das unser letzter Tag gemeinsam, wenn es nach ihm geht"




Der Tag, an dem ich zu Englands Prinzessin wurde (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt