Kapitel 17 - Presse ist das Allerletzte

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"Bereit?"

"So bereit, wie man eben sein kann, wenn die ganze Welt einen für eine Betrügerin hält." Ich versuchte mich an einem Lächeln, das eher weniger überzeugend ausfiel. Gott. Den ganzen Flug lang hatte ich darüber nachgegrübelt, was jetzt hier, in diesem Moment geschehen würde. Jetzt, das erste Mal, wo ich mich in der Öffentlichkeit aufhalten würde, seit jeder dachte, ich würde Adele heißen und das Ganze nur inszeniert haben. 

"Kann ich mich nicht doch irgendwie durch eine Hintertür rausschleichen und im Kofferraum eines Autos versteckt zum Hotel kommen?" Ich warf Mette einen hoffnungsvollen Blick zu, baute darauf, dass sie diejenige war, die mich am besten verstehen konnte. Ich wollte da nicht rausgehen. Der erste Staatsbesuch war schon schlimm genug gewesen, und da hatte mich noch nicht jeder lynchen wollen. 

"Glaub mir, das ist keine gute Idee. Wenn die Paparazzi irgendwo ein betont unauffälliges Auto entdecken, stürzen sie sich da zuerst drauf. Da bist du ihnen noch mehr frei ausgeliefert. Wenn du mit uns rauskommst, können wir wenigstens noch einen Großteil der Aufmerksamkeit von dir fernhalten und Njal hier hält die Aufdringlichsten da draußen unter Kontrolle." Es war Haakon, der mir antwortete, wobei Mette ihm mit einem Nicken beipflichtete. 

Angesprochener Njal nickte mir ebenfalls zu. Ich wusste nicht, ob das aufmunternd gemeint war oder ob er mir Angst einjagen wollte. Der Bodyguard war mit uns im Flugzeug gewesen und hatte die ganze Zeit über kein Wort gesagt. Zumindest nicht zu einem von uns, stattdessen hatte er pausenlos unverständliches Zeug in sein Handy gemurmelt. Ich hatte mich noch nicht zu hundert Prozent davon überzeugt, dass er nicht an der Planung eines Mordkomplotts beteiligt war. 

"Wir müssen jetzt wirklich bald da raus, sonst wird es langsam seltsam. Wir stehen jetzt schon eine halbe Stunde hier herum", bemerkte Mette. Sie hatte Recht: Weil ich mich nicht traute, mich den vielen Fotografen da draußen zu stellen, die ich durch die Flugzeugfenster erspähen konnte, saßen wir hier fest. So konnte das nicht weitergehen, wenn wir nicht auch noch hier übernachten wollten.

"Gut..." Ich klang absolut gar nicht überzeugt, gar nicht so mutig, wie ich es gerne hätte. Aber was hatte ich denn für eine andere Wahl? Für den Moment war es vielleicht so, dass mein Herz schon allein bei dem Gedanken, mich diesen Menschen zu stellen, so schnell schlug, dass es mir fast aus der Brust sprang, aber hinterher würde ich bestimmt sagen, dass es doch gar nicht so schlimm gewesen war, oder?

Wem versuchte ich eigentlich etwas vorzumachen? Ich hatte mir in den vergangenen Wochen nicht viele Kommentare online durchgelesen, aber das, was ich gesehen hatte, reichte, damit mir mehr als klar war, dass mir diese Menschen nicht wohlgesonnen waren. 

Bei meiner Zustimmung riss Ingrid das Kommando an sich. "Dann gehen wir jetzt. Mama, Papa, geht ihr vor? Dann konzentrieren die sich bestimmt auf euch. Isa, Sverre und ich nehmen dich in die Mitte, okay? Wenn die Paparazzi irgendwelche dummen Kommentare machen, bekommen die etwas von uns zu hören." 

"Wenn die Paparazzi irgendwelche dummen Kommentare machen, ignoriert ihr das, geht weiter und tut so, als hättet ihr nichts gehört. Niemand lässt sich auf eine Diskussion ein, verstanden? Das eskaliert nur und euch werden nachher die Worte im Mund umgedreht. Ist das klar?" Haakon sah jeden on uns streng an, bis wir nickten, Sverre sichtlich widerwillig. "Das werden wir sehen", murmelte er.  Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, die Fotografen überhaupt anzusehen, geschweige denn, mich irgendwie zu verteidigen. 

"Okay, dann los." Mette hakte sich bei Haakon unter und schmiegte sich geradezu an ihn. Was war denn jetzt los?

Haakon sah sie ein wenig verwirrt an. "Was wird das jetzt?"

"Wenn wir irgendwie die Schlagzeilen von Isabella wegbekommen wollen, müssen wir selbst für welche sorgen. Und weil ich keine Lust habe, dass wir uns laut irgendeinem Klatschblatt schon wieder scheiden lassen, wenn wir jetzt einen Streit inszenieren, setzen wir jetzt auf "extrem verliebt". Dann können sie sehen, was sie sich da zusammenreimen. Ich wette zehn Euro, dass ich angeblich wieder schwanger bin." Leise auf ihn einredend zog Mette ihren Mann zum Ausgang, bis sie auf der Flugzeugtreppe standen. Sofort setzte das Klicken der Blitzlichter ein, das immer lauter wurde, je weiter sie die Treppe hinuntergingen. 

Jetzt waren wir dran. Nur, dass ich mich keinen Schritt nach vorne bewegen konnte. Meine Füße schienen am Boden festgefroren zu sein, alle meine Muskeln waren steif. "Ich kann das nicht."

"Doch, kannst du." Ingrid schleppte mich geradezu zum Ausgang. "Du gehst jetzt da raus und zeigst allen, wie wunderbar du bist, und was für ein Pech sie haben, wenn sie dich nicht als Prinzessin wollen." 

Dann standen wir draußen und die Kameras richteten sich auf uns. Ich konzentrierte mich auf meine Füße und zupfte am Saum des weißen Sommerkleids, das ich nach langer Diskussion mit einem Stilberater angezogen hatte, um "meine Unschuld zu betonen". Während Ingrid würdevoll in die Menge winkte und Sverre hinter mir sich wie ein Popstar feiern ließ - klar, sie hatten von klein auf Übung in diesen Dingen - achtete ich größtenteils nur darauf, nicht die Treppe hinunterzufallen und mich nicht vor der ganzen Welt um Affen zu machen. 

Sobald wir auf dem Rollfeld standen, wo Mette und Haakon auf uns gewartet hatten, ging das Theater erst richtig los. Immer und immer wieder blitzten Kameras auf, bis ich so geblendet war, dass ich beinahe nicht mehr den Boden vor meinen Füßen sah. Die Bodyguards taten ihr Bestes, um die Presseleute auf Abstand zu halten, Mette und Haakon zogen ihre Show ab und Sverre schnitt Faxen, um die Aufmerksamkeit von mir abzulenken, aber nichts funktionierte. Ich war eindeutig die Interessanteste von uns, obwohl ich den Blick starr nach unten gerichtet hielt und die vier mich in die Mitte genommen hatten, sodass ich fast nicht zu sehen war. 

"Adele, hierher!"
"Adele, nur ein Foto!"

Isabella gab es nicht mehr. Sie war nach Ansicht der Presse nur eine Fantasiefigur, von mir entwickelt, um sich in die Königsfamilie einzuschleichen. Ich war Adele, die Betrügerin, und niemand hinterfragte auch nur, ob das nicht ein Hirngespinst sein konnte. Warum denn auch, wenn es von William und Kate höchstpersönlich bestätigt worden war?

"Adele, stimmt es, dass du es nur auf das Geld abgesehen hast?" 
"Adele, hast du das Geld für Drogen gebraucht?"
"Adele, wolltest du William verführen?"

Die Fragen wurden immer abstruser, gingen immer mehr unter die Gürtellinie. Die Fotografen taten alles, um eine Reaktion von mir zu provozieren. Ein Bild nur, auf dem ich sie anfauchte, und mit dem sie begründen konnte, dass ich tatsächlich so ein Biest war, das zu so einer Tat fähig war, wie das, was mir nachgesagt wurde. Und gerade diesen Gefallen wollte ich ihnen nicht tun. Und so blieb ich dabei, stur auf den Boden zu starren, obwohl Tränen in meinen Augen schimmerten und jeden Moment drohten, über meine Wangen zu laufen. 

Als die Paparazzi bemerkten, dass bei mir wirklich nichts zu holen war, änderten sie ihre Strategie, richteten ihre Fragen an die Königsfamilie. 

"Haakon, warum unterstützt ihr eine Betrügerin?" 
"Ingrid, hast du keine Angst, dass sie dir den Platz in der Thronfolge streitig machen will?"
"Sverre, hat sie dich schon belästigt?"
"Mette, hast du sie aufgenommen, weil Drogensüchtige andere Drogensüchtige unterstützen?"
"Mette, ist sie dein Kind, von dem Haakon nichts weiß?"

Haakon blieb urplötzlich stehen, sodass ich fast in ihn hineinprallte. Er ballte die Hände zu Fäusten zusammen, blickte wütend in die Menge. Er schien sämtliche Ratschläge vergessen zu haben, die er uns vorhin mit auf den Weg gegeben hatte. "Das reicht. Ihr seid..." Wir sollten nicht erfahren, was sie waren, denn Mette zog ihn geistesgegenwärtig einfach weiter und zischte ihm im Gehen etwas zu, das ihn verstummen ließ.

Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir bei der Limousine an, die auf uns wartete. Erschöpft ließ ich mich in den Sitz fallen, nun konnte ich die Tränen endgültig nicht mehr zurückhalten. Hatte ich vorhin noch die Hoffnung gehabt, dass zumindest einige Menschen mich noch unterstützen, war diese jetzt endgültig vernichtet. Jeder hasste mich und ich hatte keine Ahnung, wie ich das wieder geradebiegen sollte. 

Wie sollte ich denn mit solchen Voraussetzungen nur wieder mein Leben in den Griff kriegen?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 10, 2022 ⏰

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Der Tag, an dem ich zu Englands Prinzessin wurde (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt