Kapitel 4- Der Widersacher

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Es war nur ein Staatsbesuch. Es war nur ein stinknormaler Staatsbesuch. Warum sollte ich denn aufgeregt sein? Okay, schon dass ich diese Worte überhaupt sagte, war ein Beweis dafür, wie sehr sich mein Leben in den letzten Wochen verändert hatte. Vor einem Monat war meine einzige Sorge gewesen, wie langweilig mein Geburtstag bitte werden würde, wenn Aaliya genau dann in der Türkei war. Jetzt warf ich wahllos Kleidungsstücke in den Koffer, der auf dem Bett in meinem Zimmer im Palast stand und machte mir Sorgen, wie ich das Zusammentreffen mit meinem Großvater überstehen sollte, der mich schon wieder von meinen leiblichen Eltern trennen konnte, wenn ihm mein Benehmen nicht passte. Ach ja, und dabei musste ich auch noch bei einem Treffen mit den norwegischen Royals perfekt wirken, weil sich sonst jeder über mich lustig machen würde. Oh, und ich hatte all die Paparazzi vergessen, die mich jetzt auf Schritt und Tritt begleiten würden. Das klang nach einer unglaublich spaßigen Reise... 

Wenn ich irgendwann den Beistand meiner besten Freundin gebraucht hatte, dann jetzt. Schnell wählte ich ihre Nummer und klemmte mir geübt das Handy zwischen Schulter und Ohr, während ich weiterhin den Inhalt meines Kleiderschranks in den Koffer beförderte. Blöderweise musste ich jetzt auch noch eine Auswahl treffen, denn in den vergangenen Wochen hatte Kate mir schon einige neue Kleider besorgt. Als sich endlich eine aufgeregte Aaliya am Telefon meldete, fiel mir augenblicklich ein großer Felsbrocken vom Herzen. Irgendwie half es mir schon, nur ihre Stimme zu hören. "Isabella! Was ist los?" "Ich..." Ich stockte kurz, ehe das Ganze wie ein unzusammenhängender Wasserfall aus mir heraussprudelte. "Also, da ist jetzt dieser Staatsbesuch, ne? Und natürlich will ich jetzt bei William und Kate bleiben, aber ich kenne die Etikette doch gar nicht, aber dann ist da Charles und ich habe keine Ahnung, wie Haakon und Mette-Marit reagieren und..." "Stopp, stopp, stopp? Was ist los?" Als meine beste Freundin mich verwirrt unterbrach, wurde mir klar, dass das, was ich erzählte, wohl ziemlich verwirrend war, wenn man nicht bei all den Geschehnissen dabei gewesen war. Tief atmete ich durch und begann, die ganze Geschichte langsam von vorne zu erzählen. 

Nach der Aufmunterung durch Aaliya und mit einem fertig gepackten Koffer fühlte ich mich schon zuversichtlicher, als ich in der Eingangshalle auf meine Eltern wartete, die zum wiederholten Mal noch schnell dem Kindermädchen alles erklärte, worauf es während ihrer Abwesenheit besonders achten musste. Nachdem Maria ihnen unmissverständlich klar gemacht hatte, dass es nicht das erste Mal war, dass sie auf die Kinder aufpasste, waren wir dann auch schon bereit für den Weg zum Flughafen. Es wurde ernst. Ich atmete tief durch, entspannte mich jedoch ein wenig, als Kate aufmunternd meine Hand drückte und William beschützend einen Arm um mich legte. Ich konnte, nein, musste es einfach schaffen.

Ich erkannte ihn schon, bevor er uns ansprach. Charles wartete schon ungeduldig und lief genervt von einer Seite des Raums zur anderen, während ich automatisch schon den Rückweg antreten wollte. Nachdem ich den Koffer abgegeben hatte, hatte ich nichts mehr, an dem ich mich festklammern konnte. Nur Kate, die weiterhin liebevoll meine Hand hielt, hielt mich davon ab, sofort umzukehren und wegzurennen. Ich wollte nichts mit diesem Mann zu tun habe, aber er war nun einmal mein Großvater... Neben mir hörte ich William resigniert aufseufzen: "Na super, jetzt ist er schon im Voraus angespannt. Das wird jetzt lustig werden..." Plötzlich sah er mir eindringlich in die Augen. "Egal was er jetzt sagt, du darfst es dir auf keinen Fall zu viel zu Herzen nehmen. Ich kann dir im Grunde schwören, dass er von dir jetzt nicht so begeistert sein wird. Aber egal. Gib einfach dein Bestes, okay?" Sein Blick war beinahe verzweifelt und ich versuchte vergeblich, mich zu entspannen, als ich mich auf dem Weg zu Charles machte. Als er mich entdeckte, bedachte er mich ausschließlich mit einem verächtlichen Blick, ehe er sich seinem Sohn zuwandte. "Guten Mittag, William" "Ebenfalls" Ich konnte erkennen, wie mein Vater die Zähne zusammenbiss und die Hand seiner Frau einen Hauch zu fest umklammerte, um seine Abneigung zu verstecken. Jetzt war meine Chance, einen guten Eindruck zu hinterlassen. 

Entschieden trat ich nach vorne und streckte Charles meine Hand entgegen. "Guten Tag. Ich bin Isabella, ihre Enkeltochter" Gut, es konnte sein, dass ich das letzte Wort etwas zu sehr betonte, aber gut. So oder so kam meine Geste nicht besonders gut an. Der Prinz schüttelte meine Hand, als hätte ich ihm einen toten Fisch angeboten und sah über meinen Kopf hinweg meine Eltern an. "Mit Verlaub, habt ihr ihr denn noch gar keine Manieren beigebracht?" Kate stöhnte genervt auf und mischte sich zum ersten Mal ins Gespräch ein: "Charles, bitte. Isabella ist deine Enkelin, ich denke wirklich nicht, dass da ein Knicks nötig ist..." Erleichtert, dass Charles von mir abließ, trat ich wieder zurück zu meinen Eltern, die mir zu meiner Freude den Rücken stärkten. Auch wenn ich nicht stolz darauf war, hatte ich die ganze Zeit Angst gehabt, sie würden sich doch auf die Seite von Williams Vater stellen. Es war schon ein gutes Gefühl, dass dies nicht der Fall war. Kate funkelte ihren Schwiegervater wütend an, während William bedeutungsvoll einen Arm um meine Hüfte gelegt hatte. "Ja, ist es. Respekt muss schon sein" Der Prinz von Wales drehte sich schwungvoll um und machte klar, dass das Gespräch beendet war. Betont schnell bot er seiner Frau den Arm an und machte sich auf den Weg zum Flugzeug, das, wie ich den Worten einer Ankündigung entnahm, gerade gelandet war. Na, das nannte ich mal ein gelungenes erstes Zusammentreffen....

Erschöpft ließ ich mich im Flugzeugsitz nach hinten sinken. So luxuriös war ich noch nie geflogen. Nicht einmal der Flug, der mich nach London gebracht hatte, kam an das hier heran. Glücklicherweise flogen Charles und Camilla in einem anderen Flieger, sodass ich wenigstens während dem Flug nicht auf mein Benehmen achten musste. Auch William schien sich darüber zu freuen- So entspannt hatte ich ihn nicht mehr gesehen, seit er von unserem Staatsbesuch erfahren hatte. Auch Kate schien sich nach und nach zu beruhigen. Ehe sie die Nase in einem Buch vergraben hatte, hatte sie mir aufgetragen, erst einmal kurz abzuschalten, ehe sie mir die Grundlagen der royalen Etikette eintrichtern würde. Doch das sagte sich so leicht... Nicht einmal das edle Mobiliar konnte mich von meinen Sorgen ablenken. In wenigen Stunden würde ich in Norwegen dem dortigen Thronfolgerpaar begegnen und müsste auch dort perfekt erscheinen, wenn ich überhaupt noch eine Chance haben wollte, bei meiner Familie bleiben zu dürfen.



Der Tag, an dem ich zu Englands Prinzessin wurde (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt