"Milly! Hierher! Hierher!"
"Muffins! Zu mir! Nein, nicht dahin! Nicht!"
Ich lachte laut auf, als Sverre aufschrie und versuchte, den schwarzen Hund irgendwie einzuholen, der Ingrid mit den Leckerlis in der Hand plötzlich tausendmal interessanter fand als die Ziellinie des Rennens. Zumindest Milly hielt erst noch auf mich zu, als sie jedoch bemerkte, wohin ihre Tochter lief, änderte auch sie ihre Meinung und hielt geradewegs auf die Thronfolgerin zu.
"Ich habe gewonnen! Muffins ist zuerst weggelaufen!" Mit diesen Worten lief ich zu Sverre, der verzweifelt versuchte, den jüngeren Hund irgendwie wieder auf die Rennstrecke zurückzulotsen. Vergeblich. Als auch noch Milly hinzukam, war ihre Tochter eindeutig nicht mehr zuhalten, Normalerweise waren die beiden ja ganz gut erzogen, aber wenn es um Leckereien ging, waren alle Manieren vergessen- Zumindest das hatte ich in den letzten Tagen gelernt. Ingrid lachte auf, als die beiden Labradoodles an ihr hochsprangen, reckte den Arm mit der Tüte in die Höhe, sodass die beiden Hunde nicht dran rankamen.
Milly winselte enttäuscht, war jedoch so gut erzogen, ihre Freundin nicht umzuwerfen. Muffins war da nicht so zurückhaltend. Sie stemmte die Pfoten auf Ingrids Schultern. Ehe die Sechszehnjährige das Gleichgewicht verlor, warf sie schnell noch Sverre die Tüte zu. Er lachte auf, sprang hoch. Zu spät. Ich hatte von Anfang an sagen können, dass er nicht schnell genug reagiert hatte. Die Leckerlis fielen hinter ihm ins Gras, gleich darauf lag die sogleich dahin gesprintete Milly daneben.
Ein Kichern entfuhr mir, woraufhin ich mir gleich einen entnervten Blick von Ingrid und Sverre einhandelte. Ein weiteres Lachen ertönte hinter mir und ich wirbelte herum. Mette hatte sich auf das Geländer der Terrasse gelehnt und grinste übers ganze Gesicht. ""Wenigstens werden die Hunde jetzt nicht mehr gequält!"
"Hier wird gar niemand gequält!", protestierte Sverre murrend, in dem Moment, in dem Muffins empört winselte, weil ihre Mutter sie zur Seite geschoben hatte. Überzeugend ist wohl auch etwas anderes...
Nun wurde auch Ingrid auf ihre Mutter aufmerksam und legte den Kopf zur Seite. "Was machst du denn hier? Ich dachte, du musst noch soooo viel für den Literaturzug organisieren und hast für nichts Zeit." Stellvertretend für sie zuckte ich zusammen. Ich hätte mich nie getraut, so etwas zu meiner Mutter zu sagen, die danach für den Rest des Tages beleidigt gewesen wäre, weil ich ihre Mutterrolle kritisiert hätte.
Mette lachte aber nur auf und strich sich eine hellblonde Haarsträhne aus der Stirn. "Muss ich auch. Und ich hatte nur keine Zeit, deine Hausaufgaben zu machen." Sie zwinkerte ihr zu. "Auf jeden Fall ist Post gekommen. Und ich glaube, das könnte euch interessieren."
*
Drinnen angekommen wartete Haakon schon auf uns, hielt irgendeinen Briefumschlag in der Hand. Viel mehr bekam ich davon nicht zu sehen, denn schon war Mette bei ihm und küsste ihn. Lange. Unsicher wandte ich den Blick ab. Auch nach ein paar Wochen hatte ich mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass die beiden vor uns so offen mit ihrer Liebe umgingen. Meine Adoptiveltern waren dabei immer ein wenig befangen gewesen, auch William und Kate hatte ich nur manchmal bei einem flüchtigen Kuss beobachtet.
Ingrid und Sverre waren eindeutig schon daran gewöhnt, warfen sich nur gegenseitig einen leicht genervten Blick zu, ehe Ingrid energisch in die Hände klatschte. "Also, was gibt es denn jetzt?" Neugierig spähte sie wie ich auf den Umschlag. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich, die Adresse des Absenders zu entziffern. Vergeblich. Das war viel zu verschnörkelt, um es aus der Ferne entziffern zu können.
Sverre war nicht so zurückhaltend wie wir beide. Mit zwei Schritten war er bei seinem Vater und riss ihm den Brief aus der Hand. Der Anblick schien ihm aber auch nicht sonderlich weiterzuhelfen, denn er runzelte nur verwirrt die Stirn. "Wer ist das nochmal?"
"Zeig mal her." Ingrid stellte sich neben ihren Bruder und sah ihm über die Schulter. Dann gab sie ihm einen spielerischen Klaps auf den Hinterkopf. "Luxemburg, du Blödian."
"Ich bin kein..."
"Kinder, bitte!" Mette mischte sich ein, das Lachen war jedoch so deutlich in ihrer Stimme zu hören, dass niemand sie sonderlich ernst nahm. So langsam wollte ich auch wissen, was da eigentlich drin stand. Der Umschlag war schon geöffnet, also wussten Haakon und Mette schon was los war. Ich warf einen prüfenden Blick zu ihnen, gerade rechtzeitig, um mitzubekommen, wie Haakon seiner Frau einen unsicheren Blick zuwarf. Was sollte das denn jetzt schon wieder heißen?
Ich hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Schon fischte Ingrid den eigentlichen Brief heraus und faltete ihn auseinander. Beim Lesen flogen ihre Augen so schnell über das Papier, dass ich mich fragte, wann sie denn bitte gelernt hatte, so schnell alles zu verarbeiten. Vielleser-Familie, schätzte ich. Gefühlt nur wenige Sekunden später sah sie auf und fasste den Inhalt in wenigen Worten zusammen. "Taufe von Charles, nächsten Monat. Papa ist Taufpate, deshalb sind wir alle eingeladen."
Obwohl sie betont fröhlich wirkte, bemerkte ich jetzt auch eine geringe Nervosität in ihrer Stimme. Was verbarg sie vor mir? Hing es mit diesem Charles zusammen? Bei der Nennung des Namens war ich schon leicht zusammengezuckt, auf dieses Wort reagierte ich mittlerweile ziemlich allergisch. Wer war dieser Charles überhaupt.
Mette sah meinen leicht überforderten Blick und erkannte sofort, worin das Problem lag. "Erster Sohn von Guillaume und Stéphanie."
Okay. Wer auch immer das jetzt wieder war. Bestimmt irgendwelche Königs. So genau hatte ich mich mit der ganzen Royal-Sache noch nie beschäftigt. Und eigentlich war es ja auch egal. Es machte keinen Unterschied, ob ich ihren genauen Rang jetzt kannte oder nicht. Bestimmt war ich ja sowieso nicht dabei. Schließlich wollte sich sicher niemand mit einer Betrügerin sehen lassen. Bestimmt sahen Haakon und Ingrid deshalb auch so komisch aus. Sie überlegten, wie man mir schonend beibrachte, dass ich nicht erwünscht war.
Ich presste die Lippen zusammen, als meine Gefühle mich schon wieder zu überwältigen drohte. Ingrid bemerkte sofort, dass sich in mir etwas verändert hatte und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ohne langes Nachdenken erkannte sie, was in mir vorging. "Du kommst mit, das ist gar keine Frage!" Gleichzeitig warf sie einen warnenden Blick zu ihren Eltern, die es am besten nicht einmal wagen sollten, ihr zu widersprechen.
Bei ihren Worten breitete sich ein warmes Gefühl in meinem Bauch aus. Wenigstens irgendwo war ich noch willkommen. Und auch Haakon sah eher verwundert aus, dass ich überhaupt erst in Erwägung zog, zuhause zu bleiben. "Natürlich kommt sie mit! Wenn du das willst", fügte er mit einem Seitenblick auf mich hinzu. "Es gibt da nämlich noch so etwas..."
Noch so etwas. Wie in aller Welt sollte ich das denn jetzt bitte interpretieren? Hilfesuchend sah ich zu Ingrid, die mich jedoch auch nur mitfühlend betrachtete. Oh mein Gott. Hatte ich vorher nicht schon eine dezente Phobie vor Staatsbesuchen gehabt, seitdem ich beim letzten mal einfach abgeschoben worden war, stieg nun ausgewachsene Panik in mir hoch. Was war denn bitte so schlimmes los, dass sie sich nicht einmal trauten, mir zu beichten, was los war?
Es war Mette, die sich schließlich ein Herz fasste und leise seufzte. "Weißt du, Isabella, wir werden nicht als Einzige dort sein. Charles wird einmal Großherzog werden. Alles, was Rang und Namen hat, wird kommen." Sie stockte kurz, überlegte, wie sie weitersprechen sollte.
"Und?" Ich wollte unbedingt wissen, was los war.
"Und William ist auch Taufpate. Er und Kate werden ebenfalls da sein."
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Der Tag, an dem ich zu Englands Prinzessin wurde (Pausiert)
FanficSucht man bei Google nach der Thronfolge Großbritanniens, findet man an dritter Stelle: "HRH Prinz George Alexander Louis, Sohn von Prinz William und Herzogin Catherine" Gibt es irgendjemanden, der diese Information anzweifelt? Nein? Ich auch nicht...