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Etwa zwei Wochen später stand ich in Seokjins Apartment vor dem Panoramafenster des Wohnzimmers und blickte gedankenverloren nach draußen, während sich der Schwarzhaarige in der Küche befand und, leise zur Radiomusik summend, kochte.

Die Sonne schien. Der Himmel war wolkenlos und strahlte in einem hellen Blau. Und das seit der Korea Pride Parade.

Die Tage davor waren meist verregnet und trist gewesen, selten hatten es die Strahlen der Sonne durch die dicke Wolkendecke bis zu uns auf die Erde geschafft, doch seit dem 13. September, seitdem ich wieder mit Seokjin zusammen war, hatte es bis heute keinen einzigen Tag gegeben, an dem es grau bewölkt gewesen war oder es gar geregnet hatte.

Wenn ich an die letzten zwei Wochen zurückdachte, wurde mir ganz warm ums Herz. Es war eine auf allen Ebenen krasse Zeit gewesen, doch ich wusste, dass Seokjin und mir eine noch viel krassere Zeit bevorstand. Krass im guten Sinne.

Der Kuss von Seokjin und mir auf der Korea Pride Parade war viral gegangen. Doch nicht nur innerhalb Südkoreas, sondern auch international. Überall hatte man uns im Fernsehen gesehen, im Radio gehört, auch jetzt noch wurde sich auf allen möglichen Sozialen Netzwerken über diese Szene das Maul zerrissen.

Das Model und ich hatten den Anstoß zu einer Veränderung gegeben. Seit den letzten Tagen war die LGBTQplus-Community so ein großes Thema in Südkorea, wie noch nie. Dank der Medien wurden immer mehr Berührungspunkte mit Menschen, die dieser Gruppierung angehörten, geschaffen und diese Entwicklung, die sich langsam, aber sicher in unserem Land ausbreitete, machte mich einfach unfassbar glücklich.

Natürlich gab es auch Hater und homophobe Personen, die es nicht lassen konnten, ihren Hass gegenüber schwulen, lesbischen, transexuellen oder was auch immer für Menschen kundzutun, aber das Interesse und die positiven Kommentare überwogen allemal. Seokjin und ich waren sogar von unzähligen Talkshows und Radiosendungen eingeladen worden, zusammen dorthin zu kommen und über unsere Beziehung, die bunte Szene und alles, was dazu gehörte, zu reden. Ab nächster Woche würden wir gemeinsam von einem Sender zum nächsten reisen und ich freute mich bereits jetzt unglaublich darauf, weil ich wusste, dass es viele Menschen da draußen gab, denen es helfen würde, wenn wir so offen über alles sprechen würden.

Es gab jedoch zwei Dinge, die mich besonders glücklich machten. Einerseits die LoveYourself-Kampagne, die wir gemeinsam mit ein paar weiteren prominenten Persönlichkeiten, unter anderem natürlich Taehyung und Minho, ins Leben gerufen hatten. Mit dieser wollten wir noch mehr Menschen dazu bewegen, ehrlich zu sein, zu sich selbst zu stehen und gemeinsam gegen den Hass und die Verachtung zu kämpfen, die leider immer noch in einigen Köpfen zurückgebliebener Personen wucherten. 

Viele Menschen hatten sich bereits der Welt geöffnet und das war die Sache, die mich am meisten glücklich machte. Unter dem von Fans gebildeten Hashtag Namjinpavedtheway hatten seit dem Kuss auf der Korea Pride Parade bereits unzählige von ihnen auf Twitter, Instagram oder anderen Sozialen Netzwerken Videos gepostet, in denen sie sich vorstellten und ehrlich zu sich selbst standen, was sie bis dahin nie geschafft hatten. 

Normalerweise fand ich Shippingnamen lächerlich, doch in diesem Zusammenhang gefiel es mir - vielleicht auch, weil es Seokjin und mich betraf - und vor allem machte es mich stolz, wie viele Jugendliche und Erwachsene bereits aus sich herausgekommen waren. Und es würden sicherlich noch viele folgen, das wollten wir zumindest mit unserer Kampagne erreichen.

Zurzeit war ich einfach so glücklich, wie noch nie. Ich hatte es gemeinsam mit dem Mann meiner Träume geschafft, der Gesellschaft einen Anstoß in ihrem Denken zu geben, und schon jetzt waren uns so viele gefolgt und unterstützten uns. Mit dieser Entwicklung standen uns großartige Tage bevor. Und, wer weiß, vielleicht würde auch einmal der Tag kommen, an dem es homosexuellen Paaren in Südkorea erlaubt wäre, zu heiraten. Sollte dies tatsächlich passieren, würde ich Seokjin sogleich zu meinem Mann machen.

𝐂𝐎𝐓𝐓𝐎𝐍 𝐂𝐀𝐍𝐃𝐘 | NAMJINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt