Prolog

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An Deck der Bella Blue läuft am späten Abend ein älterer Mann mit einer Kerze in der Hand Richtung Kajüte des Kapitäns. Vorsichtig klopft er und öffnet die Tür einen Spalt. Im Inneren des Raumes herrscht Dunkelheit. Der Kapitän des Schiffes sitzt in einem Sessel und hat den großen Hut tief ins Gesicht gezogen. "Kaptain? Die Männer lassen fragen, ob du mit kommen möchtest", fragt der ältere Mann vorsichtig und betritt den Raum.

"Nein", antwortet der Kapitän mit rauer Stimme und bleibt bewegungslos sitzen. Sie sitzt dort immer, wenn sie nachdenkt und dies ist in den letzten Monaten oft vorgekommen. So oft, dass sich die Crew bereits Sorgen um sie macht. "Warum denn nicht? Dir würde die frische Luft gut tun. Und was ist gegen ein gutes Bier einzuwenden?", fragt der Quartiermeister und tritt näher an sie heran.

Genervt schiebt sie ihren Hut ein Stück nach oben und mustert den Mann. "Ich sagte: Nein", zischt sie schon fast und der Quartiermeister zuckt zurück. "Schon ok..." sagt er und hebt abwehrend seine freie Hand, "Ich dachte ja nur. Dein Vater ist nun schon so lange tot." "Wer sagt denn, dass ich immer noch wegen meines Vaters trauere? Er ist tot und da kann ich nichts dran ändern", erklärt die Frau in dem Sessel und setzt sich etwas aufrechter hin.

Ihr Vater war vor drei Jahren an den Folgen einer Folterung durch einen anderen Piratenkapitän gestorben. "Was ist es denn dann, was dich dazu bringt, den ganzen Tag in deiner Kajüte im Dunkeln zu sitzen?", fragt er irritiert, stellt die Kerze auf den kleinen Tisch neben sie, hockt sich hin und schaut ihr mitfühlend in die Augen. Sie erwidert den Augenkontakt und seufzt: "Nichts, was du verstehen würdest."

"Komm schon. Wo ist die Layla, die ich kenne? Die Spaß am Leben hatte und immer in allem etwas Gutes gesehen hat?", fragt er mit einem aufmunternden Lächeln. "Sie ist erwachsen geworden", erwidert Layla ohne das Lächeln zu erwidern. "Dann werd, verdammt nochmal, wieder jung", lacht der Quartiermeister, "Wir sind verflucht nochmal Piraten. Wir plündern, rauben und haben Spaß am Leben."

"Die Männer warten auf dich", erwidert Layla trocken. Ihr war jetzt nicht zum Lachen zumute. Redex schüttelt den Kopf und stellt sich wieder hin. Er nimmt die Kerze und geht zur Tür. Im Türrahmen dreht er sich nochmal um und lächelt traurig. Dann verlässt er endgültig den Raum und sie sitzt wieder im Dunkeln.

Seufzend steht Layla auf und geht zu dem kleinen Schränkchen in der Ecke. Sie öffnet mit einem Schlüssel, den sie an einer Kette bei sich trägt, die oberste Schublade und betrachtet den Inhalt. Ihr Blick fällt auf den Dolch mit dem goldenen Griff, den ihr ihr Vater zum elften Geburtstag geschenkt hat. "Damit du niemals vergisst, wo du herkommst" hatte er gesagt. An diesem Tag hat sie das Schiff und die See für sehr lange Zeit verlassen, um auf die Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei zu gehen.

Layla atmet tief durch. Von dem Zeitpunkt an, hat sie ihn zwölf Jahre nicht mehr gesehen. Die meisten Schüler konnten in den Ferien zurück nach Hause gehen. Sie jedoch nicht, da sie nie wusste, wo ihr Vater gerade war. Einmal war Layla die Sommerferien über bei Lily. Sie war eine der wenigen Freunde, die Layla in Hogwarts hatte. Allerdings war das eine einmalige Sache, da Lilys Eltern Layla nicht besonders mochten. Die Freundschaft von Lily und ihr litt aber nicht darunter. Layla konnte nur nicht mehr mit ihr ihre Ferien verbringen, weshalb sie sich wieder irgendwie durchboxen musste. Bei der Erinnerung muss sie lächeln und eine kleine Träne läuft ihr die Wange herunter.

Mit einem weiteren Blick in die Schublade entdeckt Layla auch ihren Zauberstab. Vorsichtig berührt sie ihn mit den Fingerspitzen. Sie erinnert sich noch genau, wie sie zu Ollivanders gegangen ist. Direkt der erste Stab, den Ollivander ihr gab, war der Richtige. Der Zauberstab ist schwarz und am Griffende hat er einen Totenkopf. Auch ihren Zauberstab schiebt sie ein Stück zur Seite und nimmt den Tagespropheten aus der Schublade. Diesen hatte sie vor knapp einem Monat per Eulenpost bekommen. Ihre Crew hatte zwar komisch geguckt, aber es unkommentiert gelassen. In großen, fettgedruckten Buchstaben steht dort "Black immer noch auf freiem Fuß". Sirius Black war in der Schule ein guter Freund von ihr. Als der Tagesprophet sie erreichte, hat sie sofort Segel setzten lassen und ist zurück nach Rapinas, zu dem Hafen, wo Piraten noch erwünscht sind. Seit dem denkt sie viel über ihre Schulzeit und die folgenden drei Jahre nach. Sie will nicht zurück. Hat mit ihrem damaligen Leben abgeschlossen, sich voll und ganz auf die Piraterie konzentriert und jetzt hat dieser eine Tagesprophet alles wieder aufgewühlt.

Layla schleudert den Tagespropheten förmlich wieder in die Schublade und schließt sie mit Wucht. Sie will nicht mehr darüber nachdenken und was hilf ihr am besten, den Kopf frei zu bekommen? Richtig, die See. Schnellen Schrittes verlässt sie ihre Kajüte. "Männer, wir...", ruft sie und bleibt verwirrt an Deck der Bella Blue stehen. Dann fällt ihr wieder ein, dass die Männer ein Bier trinken gehen wollten. Layla will aber nicht darauf warten, dass die Männer wiederkommen, also springt sie kurzerhand von Deck auf den Steg und läuft los, durch die dunklen Gassen von Rapinas.

Die Crew der Bella Blue sitzt zusammen in ihrer Stammkneipe und trinkt, redet und lacht fröhlich. Plötzlich wird die große Holztür der Kneipe aufgerissen und Layla betritt den Raum. Sie orientiert sich kurz und läuft auf den Tisch der Männer zu. "Kaptain, schön dass du doch noch gekommen bist", begrüßt sie der Quartiermeister und bietet ihr den Stuhl an, auf dem er gerade noch gesessen hat. "Wir lichten im Morgengrauen den Anker, Kameraden. Bereitet alles vor", sagt Layla nur, dreht sich um und verlässt unter den verwirrten Blicken der anderen Kneipenbesuchern den Raum. Auch ihre Crew schaut sich verwirrt an, bis der Quartiermeister das Wort an sich reist. "Ihr habt sie gehört, Männer. Genug gefeiert. Wir segeln weiter", ruft er und alle Männer setzten sich aufgeregt in Bewegung.

In der restliche Nacht werden Vorräte verstaut, das Schiff nochmal geputzt und die Segel fertig gemacht, so dass sie am Morgen den Hafen von Rapinas verlassen können. Layla betrachtet das Arbeiten der Männer voller Vorfreude.

Passend zu den ersten Sonnenstrahlen des nächsten Tages lichten sie den Anker und setzten Kurs aufs offenen Meer. "Wo segeln wir hin, Kapitain?" fragt der Quartiermeister und stellt sich neben Layla, die am Steuer steht. "Da, wo der Wind uns hintreibt, Redex. Da, wo der Wind uns hintreibt" erklärt sie und lächelt zufrieden. "Die Layla, meinte ich", sagt Redex und lächelt auch.

Eine Piratin in HogwartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt