Kapitel 6

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Erschrocken reiße ich die Augen auf, springe vom Boden und laufe schnellen Schrittes zum offenen Fenster. Auf den ersten Blick scheint alles normal zu sein, aber ich habe ein komisches Gefühl in der Magengegend. Darauf kann ich mich für gewöhnlich auch verlassen und so springe ich leise aus dem Fenster.

Elegant lande ich in der Einfahrt von Mrs Figg und greife mit meiner rechten Hand unter meinen Mantel, wo ich meinen Zauberstab habe. Diesen umklammere ich fest und gehe, mich ständig um guckend, auf das Haus in dem Harry wohnt, zu. Plötzlich höre ich, wie sich hinter mir etwas bewegt. Blitzschnell drehe ich mich um und ziehe währenddessen meinen Zauberstab.

"Gute Reflexe", lobt Moody, der hinter mir steht und anerkennend auf meinen Zauberstab sieht, der fast seine Nasenspitze berührt. Hinter ihm stehen noch mehr Ordensmitglieder. Von der neunköpfigen Gruppe kannte ich, neben Moody, lediglich noch Kingsley, Remus und Tonks. Den Rest habe ich zwar bei den zahlreichen Ordentreffen gesehen, aber nicht viel mit geredet und die Namen kenne ich auch nicht.

Mit zusammengekniffenen Augen begutachte ich die Gruppe. Dann wandert mein Zauberstab von Moody zu Remus und bedroht ihn. "Wie lautet der erste Satz, den ich gesagt habe, als Du mir erzählt hast, dass Du ein Werwolf bist?", frage ich und mustere ihn. Er lächelt, da er die Antwort zu kennen scheint, beugt sich an meinem Zauberstab vorbei zu meinem Ohr und flüstert:" Darf ich das mal sehen?" Ich lasse den Zauberstab sinken. Das war die richtige Antwort. "Gab es hier noch irgendwelche Probleme?", fragt Moody und zieht meine Aufmerksamkeit so auf sich. "Es war alles ruhig", erkläre ich kühl: "Er ist oben in seinem Zimmer. Am besten geht Ihr durch den Garten. Ich werde nochmal eine Runde durch das Viertel gehen und kontrollieren, ob Euch keiner gefolgt ist" Dann stecke ich meinen Zauberstab zurück und verschwinde um die nächste Ecke.

Eine Stunde später bin ich mir sicher, dass alles normal ist und gehe noch einmal zurück zu Mrs Figg. Sie liegt seelenruhig in ihrem Bett und schläft. Mit einem Schwenk meines Zauberstabs fliegen alle ihre Möbel, die durch den Orden verstellt wurden, zurück an ihren vorherigen Platz. Auch das Bett, in dem sie noch liegt, schwebt vorsichtig zurück in das Zimmer, in dem ich Wache gehalten habe. Dann schreibe ich ihr einen kurzen Brief, in dem ich ihr erkläre, dass der Orden Harry nun abgeholt hat und sich Dumbledore bestimmt nochmal bei ihr melden wird. Den Brief lege ich ihr auf den Küchentisch und dann verlasse ich das Haus.

Es dämmert bereits als ich zum Grimmauldplatz appariere. Ich schaue mich einmal kurz um und laufe dann schnellen Schrittes zum Haus mit der Nummer 12. Mein Blick gleitet nochmal durch die Straße, bevor ich an die Tür klopfe. Es dauert einen kurzen Augenblick bis mir die Tür geöffnet wird. Ein letztes Mal schweift mein Blick durch die Straße, dann betrete ich den Flur. Sirius hat mir die Tür geöffnet und lächelt mich nun an. "Sind sie schon da?", frage ich und erwidere kurz das Lächeln. Sirius schüttelt den Kopf und geht in Richtung Küche. Mein Lächeln verschwindet und ich folge ihm. Wir setzen uns stumm an den Tisch und hängen unseren Gedanken nach.

Plötzlich hören wir, wie die Haustür aufgeht und eine Gruppe von Menschen den Flur betritt. Sirius und ich springen auf und gehen aus der Küche. Kaum fällt mein Blick auf Harry, bildet sich ein großer Kloß in meinem Hals. Er sieht wirklich genauso aus wie James, nur die Augen. Der Kloß in meinem Hals wird immer größer und ich merke, wie sich Tränen in meinen Augen bilden. Die Augen meiner ehemaligen besten Freundin. Zum Glück ist es ziemlich dunkel im Flur, sodass niemand meine wässrigen Augen sieht. Als dann die erste Träne ihren Weg über meine Wange findet, reicht es mir.

Ohne etwas zu sagen drehe ich mich um und gehe leise, aber schnell die Treppen zu meinem Zimmer hoch. Krampfhaft versuche ich, die Tränen und die Schluchzer zu unterdrücken, allerdings mit nur wenig Erfolg. Mir geht ihr Tod immer noch sehr nah, weil ich nie richtig getrauert habe und das schlägt jetzt mit voller Wucht zu. Als ich endlich meine Zimmertür aufreiße, hechte ich hinein und schlage sie förmlich zu. Dann lehne ich mich an eine Wand und lasse mich an ihr zu Boden rutschen. Ich ziehe meine Beine an, lege meinen Kopf auf meine Knie und lasse den Tränen freien lauf. So bleibe ich sitzen und bekomme erst mit, dass jemand den Raum betreten hat, als die Person mich vorsichtig an der Schulter berührt. Sofort reagiere ich, greife nach der Hand an meiner Schulter, wirble die Person herum, sodass sie auf dem Boden liegt und fixiere sie dort mit meinem Knie im Rücken. Ich versuche die Tränen weg zu blinzeln, um die Person zu erkennen und sie nicht sehen zu lassen, wie scheiße es mir geht.

"Layla, ich bin's nur", sagt die Person gequält und ich erkenne die Stimme von Sirius. Sofort lasse ich ihn los und setze mich, von ihm weggedreht in der gleichen Position wie eben, an die Wand. "Geh weg", versuche ich ohne Schluchzer zu sagen, doch das funktioniert leider nicht. "Komm her", sagt er liebevoll und zieht mich in eine Umarmung. Er setzt mir den Hut ab, legt ihn neben uns auf den Boden und zieht meinen Kopf mit der anderen Hand an seine Brust. Ich gebe auf, es vor ihm verstecken zu wollen und weine einfach drauf los. Er sagt gar nichts. Hält mich nur im Arm, streichelt mir über den Hinterkopf und ist einfach nur für mich da. Genau das, was ich jetzt brauche.

Ich weiß nicht, wie lange wir so da saßen, aber so langsam fange ich an, mich wieder zu beruhigen. Es ist mir fürchterlich peinlich, dass Sirius das mitbekommen hat. Was wird er jetzt sagen, wo er gesehen hat, wie ich meine Fassung verloren habe? Bis jetzt gab es nur zwei Menschen, die diesen Teil von mir gesehen haben. Lily und mein Vater. Bei dem Gedanken an die beiden bildet sich wieder ein Kloß in meinem Hals. Allerdings schaffe ich es jetzt wieder, ihn herunter zu schlucken. Als ich sicher bin, dass ich nicht mehr weinen muss, hebe ich vorsichtig den Kopf und sehe leicht ängstlich zu Sirius.

Dieser lächelt mich aufmunternd an. "Geht es wieder?", fragt er nach ein paar Sekunden und ich nicke, nicht sicher, ob meine Stimme funktioniert. "Möchtest du darüber reden?", fragt er weiter und hält mir ein Taschentuch hin. Ich nehme dankbar das Taschentuch und schüttle mit dem Kopf. "Es wird alles gut", versucht Sirius mich aufzumuntern. Ich schnäuze einmal kräftig in das Taschentuch und versuche mich an einem Lächeln. Dann legt sich wieder eine angenehme Stille über uns. Sirius hat seinen Arm um mich gelegt und wir beide gucken an die uns gegenüber liegende Wand. Irgendwie fühle ich mich ein bisschen besser, aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe, Harry gegenüber zu treten. Ich werde immer meine beste Freundin in ihm sehen und schmerzlich daran erinnert, dass sie nie wieder zurück kommen wird. Aber damit muss ich irgendwie klar kommen.

Eine Piratin in HogwartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt