Kapitel 16

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Sehr geehrte Layla,

Wie geht es Ihnen? Wie ich von Professor Dumbledore gehört habe, leben Sie noch und das freut mich sehr. Ich hätte ein Angebot für Sie, worüber ich gerne mit Ihnen persönlich sprechen möchte. Treffen Sie mich hierfür am Samstag, den 6 ten September in London am Kings Cross Bahnhof. Dort steht, unter der großen Uhr, eine Bank, auf der ich um 10.00 Uhr sitzen werde und auf Sie warte. Ich hoffe sehr, dass wir uns dort sehen werden und Sie sich anhören, was ich Ihnen anzubieten habe.

Mit freundlichen Grüßen
Severus Snape

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"Du willst da doch nicht wirklich hin, oder? Er hat immerhin Dumbledore umgebracht. Wer sagt dir, dass er das nicht auch mit dir vor hat?", fragt Sirius und folgt mir zur Tür. Es ist der sechste September. Halb zehn morgens. Ich stehe mit meinem Mantel und meinen Stiefeln in unserem Flur und muss eigentlich los. Von der Wohnung ist es gar nicht so weit bis zum Bahnhof Kings Cross. Zu Fuß dauert es ungefähr zwanzig Minuten. "Und ob ich dahin gehe. Ich finde, man kann sich ruhig anhören, was er zu sagen hat. Außerdem kann ich gut auf mich selbst aufpassen und ich schwöre dir, falls mir etwas seltsam vorkommt, verschwinde ich sofort. Du weißt, dass ich einen siebten Sinn dafür habe, wenn etwas nicht stimmt", erkläre ich und drehe mich zur Tür. "Na gut, aber sei vorsichtig", gibt Sirius nach und ich verlasse die Wohnung. "Mach ich und denk dran: Du bist heute mit kochen dran", rufe ich ihm auf halber Treppe noch zu und dann öffne ich die schwere Haustür.

Sofort zerrt der Wind an meinen Mantel und der Regen schlägt mir ins Gesicht. Das perfekte Wetter, um einen Spaziergang zum Kings Cross zu machen. Ich stelle den Krangen von meinem Mantel auf und ziehe meinen Hut etwas weiter ins Gesicht. Schnellen Schrittes überquere ich die Straße. Ein Auto hupt zwar, aber ich drehe mich nicht um. Ich laufe einfach stur weiter. Den Kopf eingezogen und leicht gebückt, um mich so gut es geht, vor dem Regen zu schützen. Die Menschen um mich herum haben fast alle einen Schirm aufgespannt, was das schnelle laufen sehr schwierig macht, da ich die ganze Zeit aufpassen muss, keinen ins Gesicht zu bekommen.

Pünktlich um zehn Uhr betrete ich den Bahnhof und schaue mich um. Ich klappe den Kragen des Mantels wieder herunter und schiebe meinen Hut ein Stück nach oben, um besser sehen zu können. "Nicht einfach stehen bleiben", motzt ein Kerl hinter mir und schubst mich ein Stück zur Seite, damit er an mir vorbei gehen kann. "Komm pünktlich, dann hast du's auch nicht so eilig", rufe ich ihm nach und schnaube einmal wütend. Dann setze ich meinen Weg fort und laufe zu der großen Uhr, von der Snape in seinem Brief geschrieben hat.

Als ich näher komme, entdecke ich die Bank und sehe, dass dort bereits eine Person in einem schwarzen Mantel sitzt. Ich setze mich stumm daneben und schaue den Passanten zu, die wie Ratten von einer Seite zur anderen laufen. Nach einiger Zeit wird mir das stumme dasitzen zu dumm und ich ergreife das Wort: "Also, was wollen Sie jetzt, Snape?" Ich drehe mich leicht zu ihm, doch er starrt stur weiter gerade aus. "Ich möchte Sie bitten, dieses Jahr wieder Astronomie zu unterrichten. Der Dunkle Lord hat bereits zwei seiner Todesser an die Schule geschickt und ich möchte nicht, dass er noch weitere schickt", erklärt Snape und dreht sich nun doch leicht zu mir.

"Warum sollte ich das tun?", frage ich und mustere ihn durch zusammen gekniffene Augen. "Für Professor Dumbledore. Ich habe ihm versprochen, auf die Schüler aufzupassen, aber das kann ich nicht alleine", antwortet Snape ehrlich. "Warum habt Ihr ihn umgebracht?", stelle ich die Frage, die mich dazu gedrängt hat, hier her zu kommen. Ich möchte eine Antwort darauf. Eigentlich hat Dumbledore Snape immer geschützt, aber in seiner Todesnacht ist er ihm augenscheinlich in den Rücken gefallen.

Mir fällt ein, dass Dumbledore in seinem Brief geschrieben hat, dass er bald sterben würde. Also wusste er davon? Wusste er von dem Verrat, den Snape an ihm begehen würde? Oder hat er Snape darum gebeten? "Wollte er sterben? Und wenn ja, warum?", frage ich weiter, da Snape nicht so wirkt, als wolle er antworten. Bei dieser Frage zuckt er kurz zusammen. Mit der ersten Frage hat er wohl gerechnet, aber die zweite hat ihn überrascht.

"Also? Werden Sie dieses Jahr wieder Astronomie unterrichten, bitte?", fragt Snape und geht gar nicht auf meine Frage ein. "Ihr habt meine Frage nicht beantwortet", stelle ich fest und sehe ihn auffordernd an. "Ihr meine aber auch nicht und ich habe zu erst gefragt", erwidert Snape mit dem gleichen auffordernden Blick, der auch auf meinem Gesicht liegt. "Ich möchte erst den Grund für den Mord wissen, weil ich ganz bestimmt nicht für einen Verräter arbeiten werde", zische ich.

Je länger wir hier nebeneinander sitzen, um so mehr glaube ich, dass er Professor Dumbledore nicht ganz freiwillig getötet hat. Ich wäre da nämlich wirklich die falsche, mit der er dann reden sollte. Wenn er Dumbledore wirklich in eigener Verantwortung und ohne vernünftigen Grund getötet hat, dann mach ich ihn kalt und das weiß er auch. Ich habe kein Problem damit einen Menschen zu töten und ich brauche dafür auch keinen Zauber.

"Er wusste, dass Sie Fragen stellen würden. Es war auch seine Idee, dass ich Sie wieder als Lehrerin nach Hogwarts hole. Ich wusste nur nicht, wie ich Sie erreiche und fragen soll", gesteht Snape plötzlich und wirkt erleichtert. "Also wollte er sterben? Er hat Sie gebeten, ihn umzubringen?", frage ich weiter, damit auch keine Missverständnisse entstehen.

Snape nickt und schaut ein wenig betroffen auf seine Hände. Er leidet anscheinend auch sehr unter dem Tod des Professors. Ich atme einmal kurz durch, hebe meine Hand und sage: "Ich bin Layla und finde, dass wir das ‚du' mal ausprobieren können" Snape hebt seinen Kopf etwas, sieht lächelnd auf meine Hand und ergreift sie. Wir schütteln einmal die Hände und lächeln uns an.

"Warum wollte er, das du ihn umbringst?", frage ich, um die Situation ein bisschen besser zu verstehen. "Damit es der Junge von Malfoy nicht machen muss", erklärt Snape und bei dem Namen zieht sich in mir etwas seltsam zusammen. Ich nicke verstehend und stehe dann auf. Allerdings drehe ich mich nochmal zu ihm und sage: "Der Orden konnte dich noch nie leiden und ich kann von mir nicht das Gegenteil behaupten. Sie haben dich nur geduldet, weil Dumbledore an dich geglaubt hat. Durch seinen Tod wurdest du nur noch unbeliebter und hast alles verloren. Aber du hast meinen Respekt. Ich weiß nicht, was andere in deiner Situation gemacht hätten. Was ich gemacht hätte. Aber vermutlich hätte ich genau so wie du gehandelt. Es erfordert viel Mut, so eine schwere Entscheidung zum Wohle anderer zu treffen und selber dafür so viel zu verlieren. Dafür hast du meinen vollen Respekt. Wir sehen uns Montag in Hogwarts"

Dann drehe ich mich um und will endgültig gehen, aber Snape hält mich noch kurz auf. "Geh zum Hauptausgang. Da ist jemand, der dich unbedingt sehen möchte", sagt er noch und ich nicke einmal kurz, um ihm zu symbolisieren, dass ich es verstanden habe. 

Eine Piratin in HogwartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt