2. Ein Treffen zweier Welten

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Louis steckte das Handy in die Hosentasche, warf sich den Rucksack über die Schulter und schloss dann die Zimmertür ab. Sein Mitbewohner Zayn, saß in der Küche am Tisch und hatte einen ganzen Haufen Bücher vor sich ausgebreitet. Konzentriert machte er sich Notizen und seine Augen huschten über die bedruckten Seiten. Leise, um ihn nicht zu sehr aus der Konzentration zu reißen, klopfte Louis gegen den Türrahmen. „Zayn."

„Hm?"

„Ich bin weg."

„Viel Spaß...wann bist du wieder da?", fragte sein Mitbewohner, ohne die Augen von den Seiten zu lösen.

„Morgen früh gegen 6 denke ich", sagte Louis und zog den Reißverschluss der Jacke zu. Obwohl es Frühsommer war, war das Wetter heute wechselhaft und kühl. Sicher würde es später ein Sommergewitter geben.

„Okay, dann bis morgen."

Zu Fuß ging er zum Bahnhof und nahm von dort aus den Zug nach Whittlesford, wo er, wenn er Glück hatte, einen Bus nach Duxford bekam. Zum Glück war es eine Direktverbindung und er brauchte nur knapp 20 Minuten.

Das Museum lag etwas außerhalb des Ortes und Louis hatte einen Fußweg von fast einer Dreiviertelstunde hinter sich zu bringen. Normalerweise fuhr ein Bus zwischen Whittlesford und Duxford hin und her, der fiel aber heute aus.

Also blieb ihm nichts anderes übrig, als auf dem schmalen Bürgersteig an der Straße, direkt neben einem Feld, entlang zu gehen, bis er irgendwann ein altes Militärgelände erreichte. Die Hallen waren alle vor einigen Jahren renoviert worden und beherbergten nun neben dem Imperial War Museum auch eine Restaurationsfirma für alte Flugzeuge, sowie ein Restaurant, in dem die Museumsbesucher essen konnten.

„Hallo Mr Tomlinson", sagte der Pförtner am Haupttor, als Louis im Vorbeigehen die Hand hob und sah kurz von seiner Zeitung auf, die er gelesen hatte.

Im Museum wurde er schon ungeduldig vom anderen Sicherheitsmann, Collins, empfangen, der es eilig hatte, nach Hause zu kommen, weil er einen Termin hatte.

„Meine Tochter hat einen Auftritt mit dem Chor", sagte er, klopfte ihm auf die Schulter und huschte dann rasch aus dem Aufenthaltsraum. „Ich hab dir alles Wichtige hier auf dem Schreibtisch auf einen Zettel geschrieben", sagte er rasch, dann war er weg. „Alles klar", sagte Louis, auch wenn sein Kollege ihn lange nicht mehr hören konnte.

Auf einem Zettel stand tatsächlich die übliche Checkliste und Louis wusste, dass alles wie immer war. Das Museum hatte schon seit drei Stunden geschlossen und er war jetzt der Einzige in dem Gebäude.

Am Anfang hatte er sich gegruselt, wenn er die Nachtwache hier gehabt hatte, denn zu dem Museum gehörte auch ein großes Außengelände, auf dem die großen Flieger des zweiten Weltkriegs ausgestellt waren. Manchmal, wenn er allein zwischen den Stahlträgern herumging, fühlte er sich wie Simba auf dem Elefantenfriedhof.

Die vielen Autos und Flugzeuge, die hier tagsüber die Besucher anzogen, waren dann dunkel, uneinsehbar und leer. Louis hatte sich anfangs immer eingeredet, jemand könnte sich hier verstecken, doch mittlerweile machte er den Job schon zwei Monate und bisher war das noch nicht eingetreten.

Aus diesem Grund schlenderte er ziemlich furchtlos in dieser Nacht zwischen den Panzern und Militärwagen hindurch, die die Zeit vom 1 Weltkrieg bis heute aufzeigten, leuchtete mit der Taschenlampe Mal hierhin und Mal dorthin und sah nach dem Rechten, auch wenn hier eigentlich nie etwas passierte.

Der Job war im Grunde stinklangweilig aber wenn man in Cambridge lebte und einen Übergangsjob bis zum Studium brauchte, dann hatte man nur zwei Arbeitsmöglichkeiten: Den Tourismus oder ein Museum. Natürlich konnte man noch in einem Café anheuern und dort als Aushilfe arbeiten, aber weil es in der Stadt so viele Studenten gab, die alle einen Nebenjob suchten, waren die Löhne sehr niedrig und es blieb fast nichts übrig. Außerdem waren Cafés immer voll und laut und weil Louis viele Geschwister hatte, die seine Nerven ohnehin schon mehr als genug strapaziert hatten, war er nicht sonderlich scharf darauf gewesen, es auch noch auf der Arbeit mit Menschen zu tun zu haben, die ständig dieselben Fragen stellten.

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