26. Auf dem Weg

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Der feine Regen hatte zwar schnell wieder aufgehört, doch er trug dazu bei, dass die Luftfeuchtigkeit anstieg und man regelrecht dabei zusehen konnte, wie sich Gewitterwolken am Himmel bildeten.

Für Louis bedeutete es, dass er sich langsam auf einen Abschied vorbereiten musste und er genoss jede Minute, die er mit Harry zusammen noch hatte. Sie machten Spaziergänge am Fluss entlang, legten sich in den Park unter einen Baum und genossen die Nähe.

Zu wissen, dass sie sich nie wieder sehen würden, tat weh und an einem Nachmittag war Louis so betrübt, dass er sich nicht einmal über das Eis freuen konnte, das Harry ihm mutigerweise an einem Imbiss gekauft hatte.

„Bald bist du weg. Wirst du mich vermissen?", fragte er leise und öffnete knisternd die Verpackung.

„Ich werde dich sehr vermissen, das kannst du mir glauben. Aber ich werde dich niemals vergessen. Du hast mir eine Menge beigebracht, Louis. Dafür bin ich dir sehr dankbar", sagte Harry leise und setzte sich neben ihn ins Gras.

„Was hab ich dir denn beigebracht?", fragte Louis lustlos und schleckte einmal am Eis.

„Du hast mir beigebracht, dass man nicht so oberflächlich sein sollte...", sagte Harry langsam, kam näher und küsste ihn vorsichtig auf den Mundwinkel. Louis ließ trotzdem den Kopf hängen und strich mit der Hand durch das weiche, dichte Gras. „Das ist schön, aber ich befürchte, dass du zuhause trotzdem wieder in alte Muster fallen wirst."

„Wie meinst du das?", fragte Harry und schleckte an seinem Eis.

„Ich meine, dass du sicherlich nicht die Person lieben können wirst, die du willst, weil es eben nicht gestattet ist." Er sah Harry an, der den Kopf senkte und mit den Schultern zuckte: „Ja, vermutlich hast du Recht. Aber kann man es mir verübeln, wenn ich Gefahr laufen würde, verhaftet zu werden, wenn man mich erwischt?"

Jetzt war es an Louis, die Schultern zu zucken. Natürlich verstand er die Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung, aber es fiel ihm einfach schwer, sich vorzustellen, dass Harry, jetzt wo er wusste, dass er sich damals in seinen Klassenkameraden verliebt hatte, in Zukunft trotzdem so tun musste, als fände er Frauen anziehend.

Das konnte doch kein Zustand sein. „Vielleicht entwickelt es sich ja irgendwie zum Positiven hin. Ich würde es dir jedenfalls wünschen", sagte er leise.

Natürlich wusste Louis es besser, doch er redete sich selbst ein, dass es vielleicht alles gar nicht so streng gewesen war, wie man es in den Geschichtsbüchern immer gelesen hatte. Er wünschte es Harry schlicht und einfach.

Trotzdem hoffte Louis, insgeheim noch manchmal, Harry würde nicht so schnell wieder nach Hause zurückkommen. Doch, als es am Abend wieder regnete, und ab und an sogar ein fernes Donnergrollen zu hören war, konnte Louis es nicht mehr ignorieren.

Das Gewitter kam und es würde Harry mitnehmen.

Natürlich hätte Louis sich eine Ausrede einfallen lassen können, weshalb er heute nicht mit ins Museum konnte, doch es war Niall, der ihm diese Entscheidung abnahm, indem er bei ihnen vor der Tür stand, als sie vom Eisessen wieder zurück in die WG kamen. Er war ganz aufgeregt und konnte kaum stillstehen.

„Endlich regnet es. Wir müssen los, damit wir bereit sind, wenn das Gewitter richtig startet. Seid ihr bereit?" Auf Louis wirkte Niall gerade, wie ein übereifriger Fremdenführer.
„Komm erstmal rein, wir müssen doch auch noch Liam anrufen und Zayn will auch dabei sein." Louis hoffte inständig, dass die beiden noch an der Uni zu tun hatten, oder sie anderweitig verhindert waren, doch zu seinem Pech, fanden sie Zayn rauchend am Küchenfenster vor.

„Es regnet", sagte er zur Begrüßung und nickte zum Fenster hin. „Sieht aus, als würde deine Heimreise bald starten, Harry." Er lächelte den Soldaten an, der nervös zurücklächelte und Louis anstupste. „Wo ist denn meine Uniform? Ich will mich wieder umziehen."

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