8. Andere Ansichten

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Liam am anderen Ende der Leitung seufzte und sagte schlicht: „Ich muss erst in die Uni, da haben wir einige Utensilien, die ich besorgen muss, ohne dabei aufzufallen. Sobald ich eine Grundausstattung habe, komme ich vorbei. Versucht das Fieber zu senken, macht Wadenwickel. Bis später."

„Bis später. Danke Liam."

Mit zitternden Fingern legte Louis das Handy beiseite und vergrub das Gesicht in den Händen. Was für ein Glück, dass Zayn Anfang des Jahres mit Liam auf dieser Party geknutscht hatte.

Und dass sie das ein oder andere Mal miteinander geschlafen hatten.

Und dass sich Liam ein bisschen in Zayn verguckt hatte und ihm zuliebe alles tun würde.

Das kam ihnen jetzt zugute.

„Kommt er?", fragte Zayn, als Louis wieder ins Zimmer kam.

Er hatte eine Schüssel mit kaltem Wasser aus der Küche geholt, ging zu seinem Schrank und zog einige T-Shirts heraus, die er im Wasser einweichte. Sie hatten keine Tücher, um Wadenwickel zu machen, also mussten die Klamotten herhalten.

„Ja, er sucht noch Sachen zusammen und kommt dann her. Bitte sei lieb zu ihm", bat er und Zayn nickte: „Natürlich bin ich das. Ich gehe mich mal eben umziehen. Ich habe ja noch meine Gammel-Klamotten an." Mit diesen Worten verschwand er nach draußen und Harry sah ihm matt hinterher.

„Wieso zieht er sich um, wenn ein Mann zu Besuch kommt?"

„Vielleicht steht er ja doch noch ein bisschen auf ihn", überlegte Louis, griff ins Wasser, wrang die Shirts aus und schob die Bettdecke beiseite. „Ich lege dir den kalten Stoff ums Bein, damit das Fieber sinkt", sagte er und Harry zuckte zusammen, als sein Bein eingewickelt wurde.

„Was ist zwischen deinem Mitbewohner und diesem Liam?", wiederholte er unsicher.

„Die beiden waren mal ein Paar. Naja eigentlich war es eher eine Fickbeziehung. Bis Liam dann mehr wollte und Zayn nicht, dann haben sie sich getrennt. Ich glaube aber, Liam steht immer noch auf ihn." Louis hatte unbedacht gesprochen und vergessen, dass es zu Harrys Zeit keine offen gelebte Homosexualität gab.

„Er verkehrt mit Männern? Das ist ja...widerlich." Harry rümpfte die Nase und Louis hörte auf, ihm die Wadenwickel anzulegen.

„Harry, du bist jetzt 80 Jahre später und heutzutage ist es normal und gesellschaftlich vollkommen akzeptiert, dass man den Menschen lieben darf, den man lieben möchte."

„Das ist ja eine vollkommen neue Entwicklung", sagte Harry langsam und sah Louis an, „zu meiner Zeit war das illegal und wurde mit Zuchthaus oder Zwangskastration bestraft."

Der Soldat klang nicht so, als ob er diese Strafe schlimm finden würde und Louis schluckte. Noch nie war er jemandem begegnet, der eine solche Ansicht vertrat – außer vielleicht einem sehr alten Menschen. Natürlich gab es auch heutzutage auch Leute, die Homosexualität nicht gut fanden, aber wie Harry hatte bisher auch niemand reagiert.

„Findest du das nicht abartig?", fragte der Soldat und Louis schüttelte den Kopf. „Nein finde ich nicht. Ich bin so aufgewachsen und wenn Zayn und Liam miteinander schlafen wollen, dann sollen sie das tun."

„Widerlich."

„Ach, dass zwei Männer miteinander schlafen, findest du widerlich, aber dass ich dich hier versorge, das ist okay? Ich bin schließlich auch ein Mann und keine Krankenschwester", blaffte Louis und warf eines seiner Shirts in die Schüssel. Er sah gar nicht ein, sich hier weiter um den Mann zu kümmern, wenn der sich so anstellte.

„Louis!", rief Harry ihm hinterher, als er aufstand und das Zimmer türenschlagend verließ.

Was für ein Idiot.

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