12. Wer bist du?

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Hermines POV

,,Was ist passiert? ", fragte ich leise, ich war geschockt und verwirrt. Warum war er hier? Was war mit mir?
,,Du hast geträumt", antwortete er mir auf meine Frage mit rauer Stimme. Ja, ich konnte mich jetzt auch wieder erinnern, dieser Traum... Von Bellatrix - schon allein der Name ließ mich zusammenzucken, wie ein schreckhaftes Rehkitz im hohen Gras. Geträumt hatte ich, ja, aber warum war er denn hier? Diesen Gedanken sprach ich auch promt aus, ohne es darauf abgesehen zu haben.
,,Naja, du..." er stockte einen kurzen Moment und sah hinaus aus dem Spalt zwischen meinen nicht ganz zugezogenen Vorhängen. Das Mondlicht spiegelte sich in seinen so wundervoll grau-blauen Augen und ließ sie noch geheimnisvoller wirken, als sie es bei Tageslicht taten.

,,Da waren diese Schreie ", setzte er wieder an. ,,Deine Schreie... "
Ich hatte geschrien? Laut? Real? Nicht nur in meinem Traum? Peinlich berührt starrte ich auf meine rote Bettwäsche und zupfte an einem imaginären Faden, um meine Verlegenheit zu vertuschen.
Nachdem der imaginäre Faden nicht weg ging, schaute ich wieder hoch in diese Augen, diese wundersch- nein, nicht schon wieder, meine Gedanken machten einfach was sie wollten, schrecklich - ich schaute wieder hoch zu ihm und eine Frage setzte sich in meinen Kopf. ,,Warum hast du mich geweckt? ", fragte ich brüchig. Er hätte mich ja auch einfach weiter in diesem quälenden Traum vor mich hin vegitieren lassen können, wir hassten uns doch. Zumindest dachte ich das bis vor kurzem noch, mittlerweile war ich mir jedoch nicht mehr so ganz sicher.
Es senkte den Blick und starrte auf meine Decke, genau wie ich es gerade noch zu tun pflegte. Vielleicht hatte er sich ja auch einen immaginären Faden gesucht, den er jetzt versuchte mental abzuzupfen. Ok Schluss mit diesen Gedanken, normal waren diese nämlich ganz und gar nicht, vielleicht sollte ich bei Gelegenheit mal zum Arzt gehen...

Einige Zeit lang war es still, bis er anfing zu sprechen, den Blick allerdings ließ er weiterhin auf diesem Faden, den es nicht gab ruhen.
,,Naja, ich... ", druckste er herum.
,,Ich konnte dich nicht so leiden sehen..." Er machte eine kurze Pause, in der keiner von uns ein Wort sagte.
,,Es...es hat mich an damals erinnert... Damals im Malfoy Manor, als du auf dem kalten Boden lagst, dieser schmerzerfüllte Blick, diese leidenden Schreie. Deine Schreie haben mich daran erinnert. Sie waren so wie damals. Schmerzerfüllte Schreie, die ich niemals vergessen werde, solche die nur unter größten Qualen entstehen, unter Folter. Das kann ich nicht vergessen, das werde ich auch niemals.
Es war schrecklich für mich, zusehen zu müssen wie du dich unter den Schmerzen die dir meine grausame Tante zugefügt hat, gekrümmt hast. Es ansehen zu müssen und dir nicht helfen zu können, das... das hat mich verfolgt, bis in meine Träume. Ich habe geträumt, jede Nacht, davon wie du da lagst, wie die scharfe, glänzende Spitze des Dolchs ich deine Haut stach, dieses Wort darin verewigte. So oft habe ich davon geträumt, so oft bis ich es nicht mehr aushielt und wach blieb, die ganze Nacht, nur um es nicht wieder durchleben zu müssen.
Und ich habe nicht einmal das erlebt, was du erleben musstest und trotzdem hat es mich so fertig gemacht. Für dich muss es bestimmt noch tausendmal schrecklicher gewesen sein. Es tut mir so leid. Alles."

Damit beendete er seinen Monolog. Ich war sprachlos. Er hatte sich entschuldigt, und das schon zum zweiten Mal in wenigen Stunden.
Das war nicht der Malfoy, den ich von früher kannte. Nicht der kalte, arrogante Kerl, der alles und jeden unter seiner Würde behandelte und beleidigte. Der Malfoy, der hier vor mir auf dem Boden kniete war ängstlich, fast verzweifelt. Und er war verletzlich, etwas, was man von ihm niemals erwartet hätte. Wer war er denn nun? War er der, der mich jahrelang schikaniert und mir das Leben schwer gemacht hatte, oder war er der, der mir half, wenn es mir nicht gut ging, der, der jetzt so voller Reue vor mir saß?
,,Wer bist du?", sprach ich meinen Gedanken aus.
Er hob seinen Kopf und starrte mich aus seinen sturmgrauen Augen leicht verwirrt an. Das konnte man ihm bei der Frage aber auch nicht verübeln. Ich meine, ich kannte ihn seit der ersten Klasse auf Hogwarts - soweit man dabei über 'kennen' sprechen konnte - und fragte ihn gerade allen Ernstes, nach sieben weiteren Jahren, wer er war. Ich denke ich wäre auch verwirrt, das ergab ja auch überhaupt keinen Sinn. Was dachte er denn jetzt bitte von mir?!
Hermine! , wandte sich meine innere Stimme an mich, Es sollte dir scheiß egal sein was er von dir denkt, er ist der Feind!
War er das wirklich? Der Feind? Klar, es sollte mir egal sein, aber war es das?

,,Was? ", unterbrach er meine Gedanken über ihn. Ich starrte ihn an, zu verlegen um etwas erwidern zu können.
,,Wer ich bin?!" wiederholte stattdessen er meine Frage.
,,Ich bin Draco Lucius Malfoy, aber das... Das weißt du doch...? " sagte er mit einem fragenden Unterton in der Stimme, an sich selbst zweifelnd, ob es das war, was ich hatte hören wollen.
,,Nein, das-das meine ich nicht... Du bist nicht der, der du früher warst, du bist anders... Also, wer bist du?"
Daraufhin löste er seinen Blick von dem meinen und schaute auf den hölzernen Parkettboden.
Eine Zeit lang sagte keiner was und ich starrte ihn immer noch an, nicht fähig dazu, meinen Blick zu lösen. Das Licht des Vollmondes schien auf sein platinblondes Haar und ließ es in demselben Silber erstrahlen welches der Mond auf den jungen Malfoy warf.

Er sah so unschuldig aus. Nicht so, als wäre er auf Voldemorts Seite gewesen, als hätte er zugesehen wie tausende Muggel, oder Hexen und Zauberer dieser Abstammung grausam gefoltert oder sogar ermordet wurde.
Plötzlich durchbrach er, welcher gerade in meinen Gedanken für Unruhe sorgte, ohne aufzuschauen die Stille.
,,Was hast du geträumt?"
Diese 4 Worte ließen die Erinnerungen an den Traum auftauchen. Aber trotzdem merkte ich, wie Malfoy vor der Frage die ich ihm gestellt hatte versuchte auszuweichen. Normalerweise hätte ich ihm das nicht durchgehen lassen und ihm die Frage erneut gestellt, ich hätte nicht aufgegeben bis ich eine Antwort erhalten hätte. Aber es war ihm anscheinend sehr ungenehm, so lies ich es bleiben und beschloss lieber später noch mal darauf zurück zu kommen.
Zögerlich begann ich mit meiner Antwort.
,,Ich habe von Bellatrix geträumt. Von diesem einen Tag im Malfoy Manor. Davon, woran auch du dich noch so gut erinnern kannst..."
Er sah wieder auf den Boden und es schien als hätte er es geahnt und als sei er in seinen Gedanken gefangen. Doch langsam hob er seinen Kopf.
Nun schaute er geschockt zu mir.
In seinen Augen sah ich wieder Furcht und Reue, so wie vorhin als er mir von seinen Träumen und Ängsten erzählt hatte. Ich hatte immer gedacht er sei der gefühlslose Junger, der Junge mit dem Herz aus Eis, der Eisprinz eben. Doch jetzt, wo ich ihm so in die Augen schaute, bemerkte ich, dass man all seine Gefühle aus seinen Augen herauslesen konnte.
Sie waren wie ein Einblick in seine Seele. Wenn er sich freute, dann strahlten sie wie die Augen eines kleinen Kindes, welches gerade eine Kugel Eis bekommen hatte, doch wenn er wütend war, wütete ebenso der Sturm in seinen Augen. Sturmgrau, ja, das waren sie wirklich.

Seine Lippen trennten sich zögerlich, bevor er leise anfing zu sprechen.
,,Ich... Hast du diese Träume öfter?"
Ich senkte meinen Blick und zupfte einen ebenfalls imaginären Fussel von dem roten Stoff.
,,Ja, ziemlich oft... Fast jede Nacht...", antwortete ich mit zitternden Stimme.
Warum erzählte ich ihm das eigentlich alles?
Er sah ziemlich entsetzt aus.
,,Jede Nacht?!", fragte er flüstern, so als hätte er es nicht verstanden. Ich nickte nur leicht, woraufhin er zischend einatmete.
Daraufhin entstand eine angespannte Stille, die gefühlte Minuten anhielt, doch dann erhob sich Draco und war schon daran, aus meinem Zimmer zu gehen.
Aus einem unerwarteten Impuls heraus, beugte ich mich vor und griff nach seiner Hand.
,,Bleib", flüsterte ich in die Stille hinein. Doch er rührte sich nicht und es schien, als würde er in seinem Kopf einen stillen Kampf mit sich selbst ausfechten.
,,Bitte", hängte ich noch hinten dran.
Er drehte sich langsam wieder zurück und ließ sich zögerlich auf der Kante meiner Matratze nieder.
,,Ich bleibe nur bis du eingeschlafen bist...", meinte er dann, doch es klang eher wie eine Frage als eine Feststellung.
,,Danke", wisperte ich noch und ließ mich zurück in meine Kissen fallen.
Seinen Hand umschloss die meine, aber ich war mir nicht sicher, ob er sich dessen bewusst war.
Komischerweise fand ich es nicht unangenehm, sondern ich fühlte mich geborgen, sicher, irgendwie beschützt.
Ich hätte erwartet, seine Hände wären kalt, so wie es ein Charakter immer gewesen war, doch es war nicht so. Sie waren warm, und es war erstaunlicherweise angenehm, gar beruhigend, seine Berührung zu spüren.
Warum war er auf ein mal so hilfsbereit und warum saß er, stolzer, reinblütiger Slytherin, an meinem Bett, dem Bett einer Muggelgeborenen Hexe, und hielt meine Hand, wartend bis ich einschlafen würde. Es war absurd, und dennoch fühlte es sich gut an, richtig.
Und mit diesem Gedanken fiel ich, nach langer Zeit das erste Mal, in einen ruhigen Schlaf.

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