Kapitel 7 - Der Wunsch nach Rache

225 25 50
                                    

Teil 1: 

Als der Nachmittag anbrach, verließ Anela erneut die kleine Hütte. Sie hatte sich so weit es möglich war wieder gefangen. Oder, so war es wohl eher, sie hatte ihre Ängst und Schmerzen sowie die Trauer tief in ihrem Herzen verschlossen. Sie war sich sicher, dass die Gefühle zunächst einmal dort, sicher eingeschlossen, bleiben würden. 

Anela machte sich auf den Weg zu dem Turm der Zauberer, um nach Aldereck zu sehen und das unausweichliche Gespräch mit den Zaubrern zu führen. Sie würden wissen wollen, was Anela in den Drachenlanden gesehen hatte und obgleich sie ihnen wohl nie verzeihen würde, dass sie sie nicht vor der Gefahr gewarnt hatten, so waren sie es doch, die Anela und Aldereck nun helfen könnten, zumindest die verbliebenen Völker zu warnen. 

 Und als der Turm in Sicht kam, schien es, als würde Andrasil Anela bereits erwarten. Er stand in der Holztür und blickte diskret in die Ferne, doch als Anela ihn erreichte, schenkte er ihr ein schmales Lächeln und begann zu reden.   

„Anela, Euch mein Beileid auszusprechen, kann den Schmerz nicht mindern und Euren Verlust nicht wieder gut machen. Doch seid Euch gewiss, dass die Gebete aller Zauberer bei Euch sind." Anela schnaubte leise. Die Götter Bonitima, Viribus, Diligita, Iustitia und Mortem. Würden sie wirklich existieren, wie die Tempel der Sehe ihnen glauben machen wollen, so hätten sie eine solche Katastrophe wie in ihrem Land niemals zugelassen. In den Geschichten hieß es, die fünf Götter, Geschwister, wie man sagt, haben Partriam vor unzähligen Jahren erschaffen, jeder gab dem Land das, was er konnte. Güte, Stärke, Liebe, Gerechtigkeit und den Tod. Und nun wachten sie über allen Bewohner des Landes und schützen, im Leben und im Tod, jene, die rechtschaffend sind. Doch hatte ihr Volk nichts verbrochen, dass sie von jenem Schutz ausschließen würde und trotzdem waren die Götter nicht dort gewesen. Das hatte Anela all zu deutlich mit eigenen Augen gesehen.   

„Wo ist mein Bruder?" Fragte Anela, um sich nicht zu sehr zu grämen. Denn in meinem Mund lagen eigentlich Worte der Anschuldigung. 

„Er ruht sich aus, von einer Nacht voller Schmerz und Heiltränke." Erklärte Andrasil ihr und bat sie mit einer Handbewegung hinein. Heute wirkte der Turm mit all seinen Büchern bedrücken auf Anela, als wolle er ihr zeigen, wie klein und umgedeutet sie war, wie vergänglich.  „Folgt mir, ich werde Euch zu ihm bringen.", redete er weiter und steuerte die Treppen an. Von ihrem ersten Aufstieg auf die große Zahl von Stufen gefasst, folgte Anela ihm hinauf, die vergangene Tag lagen ihr in den Kochen, wodurch der Aufstieg der Treppe beinahe unmöglich wurde. Immer wieder schnaubte sie und stemmte die Hände in die schmerzenden Seiten. Unterdes stieg der alte Mann mühelos empor. 

Irgendwann hörten die beiden Personen auf, die Treppe weiter hochzusteigen und betraten einen schmalen Flur. Auf der Hälfte blieb Andrasil stehen, „Euer Bruder liegt hinter der letzten Tür rechts. Geht alleine zu ihm." Anela nickte stumme und ließ den Zauberer zurück.   

Vor der Tür hielt sie kurz inne. Ihre Finger, die sich um den Türgriff legten, zitterten sie stark. Sie wusste nicht, was sie stocken ließ. War es die Sorge, wie es ihrem Bruder gehen würde? Nein. Sie wusste, dass es ihm noch schlecht ging. Sie hatten ihn gestern Stunden lange gehalten, als er mehr tot als lebendig auf Reikjas Rücken gehangen hatte. 

Aber die andere Begründung für ihr Stocken klang schrecklicher! Sie hatte Angst, sich mit dem auseinander zu setzen, weshalb ihr Bruder so zugesetzt war und damit, dass es nur noch sie beide gab. Weil alle anderen Menschen aus ihrer Heimat tot waren. Doch dann öffnete sie die Tür mit einem Ruck und stieß die angehaltene Luft aus. 

Aldereck hatte schrecklich ausgesehen, als Anela ihn gefunden hatte! Und Andrasil hatte nichts zu seinem Zustand gesagt, außer, dass er sich von der Behandlung erhole. Das bedeutete wohl immerhin, dass er lebte. Er war der Letzte ihrer Familie, der noch lebt. Der Letzte ihres Volkes, der noch lebt. Und wahrscheinlich der Einzige, der gerade fühlte, wie sie selbst empfand. Aber was, wenn er der Verletzungen noch erliegen würde? War er schon über den Berg? Und wie sollte er den Verlust seines ungeborenen Kindes verkraften?

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: May 25 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Reikja - Der UntergangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt