Run, Venus, run. (Der 6. Brief)

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Mätresse, huh?

Hey, Siri...

Denkst du tatsächlich, du wärst meine Mätresse? Wie diese dreckigen kleinen Liebschaften, die die Adeligen damals hatten, weil sie zwangsverheiratet waren und sich nur hinter dem Rücken ihrer Verlobten aussuchen konnten, wen sie eigentlich bumsen wollen?

Das meinst du?

Ganz ehrlich, es ist nicht so, als würde ich einen Fick auf Monogamie geben. Aber ohne sie wären Menschen viel glücklicher – WARTE, zerknüll den Brief jetzt bitte noch nicht. Das dachte ich zumindest. Bevor ich dich kennengelernt habe und dachte, meine Freundin wäre die schönste Trophäe, die in diesem Rennen zu holen sei.

Aber Menschen sind keine Trophäen, Venus.

So denke ich nicht mehr. Aber ich werde meine Freundin auch nicht verlassen, wenn ich keine Ahnung habe, ob ich letztendlich nicht alleine als der Idiot dastehen werde, der Liebesbriefe an einen Jungen geschrieben hat und abgeblitzt ist. Denn das ist scheiße und ich denke, das kannst du auch auf irgendeinem Level nachvollziehen.

Denn das hier sind Liebesbriefe, Venus.

Irgendwie habe ich das Gefühl bekommen, nicht ausdrücklich genug gewesen zu sein.

Ich bin scheiße verliebt in dich, Venus.

Ich will dich – und würde es nicht ausgerechnet um dich gehen, könnte ich auch mit beinahe 100%iger Sicherheit sagen, dass ich dich bekomme.

Aber das kann ich nicht. Ich bin so verdammt unsicher. Das passt nicht zu mir und es fuckt mich ab. Jedes einzelne Mal, wenn du mich ansiehst, versuche ich aus deinen Blicken zu lesen, was du über mich denkst. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber deine Augen fliegen nicht mehr in rasender Geschwindigkeit über mich, wie sonst über alle im Raum, sondern stutzen manchmal.

Du bist so unglaublich wunderschön.

Und ich will dich nicht verschrecken, wirklich nicht. Das hab ich schon.

Aber wärst du jetzt hier, direkt vor mir, würde ich dich so unglaublich gerne berühren. Ganz egal, wie. Ein einziges Mal würde ich gerne meine Hände auf deine Hüften legen, um zu überprüfen, ob meine Finger wirklich so lang sind, dass sie einmal um deine Taille herumpassen. Obwohl sie das wahrscheinlich keinesfalls sind. Ich möchte dich küssen, bis dir die Luft wegbleibt und dich dabei gegen die hässliche graue Betonwand drücken, dich mit meinem Rücken abschirmen, weil niemand dich so sehen soll, niemand außer mir. Ich will deinen warmen Atem, der bei meiner Nähe flacher geht, auf meiner Haut spüren, und deine Fingernägel stechend in meinem Nacken.

Ich will dir alles geben, was du möchtest, Venus, aber das ist dann wohl nichts.

Tipp des Tages: Renn und dreh dich nicht um, denn ich überschreite zu viele Grenzen und habe wirklich Angst, dass ich auf einmal einfach bei deinem Spind auf dich warte.

MfvfG, Mars

Und nein, ich gebe nicht auf.

Ich bin bloß ein furchtbar netter Mensch.

Denn ich gebe dir die Chance, wegzulaufen.

Aber wenn du morgen doch wieder zu deinem Spind gehst, ohne ein Zeichen zu geben, ohne alles, um deine Bücher abzuholen, ist das Angebot ausgelaufen.

Jetzt darfst du den Brief zerknüllen. 

Venus BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt