11. Tu es

69 9 11
                                    


Verons PoV



Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, wann und wie ich gestern nach Hause gekommen bin.

Die letzte verschwommene Erinnerung, die ich habe, ist die, dass Kelly eventuell den Van ihres Vaters gestohlen haben könnte, obwohl sie nicht einmal einen Führerschein hat, und ich werde ganz sicher nicht versuchen, mich an mehr als das zu erinnern, da es ab diesem Punkt nur schlimmer werden kann.


Als ich aufwache, verbringe ich eine ziemlich beträchtliche Zeit damit, einfach nur an meine etwas zu hoch angelegte Decke zu starren, von der aus eine originalgetreue Zeichnung von Stephen Strange auf mich zurückstarrt, was nach spätestens fünf Minuten gruselig wird, aber ich höre trotzdem nicht auf. Vielleicht wirst du in ein paar Wochen sowieso wieder übermalt, Strange.

Nach etwas mehr als einer Viertelstunde vibriert mein Handy auf meinem Nachtkästchen und ich rappele mich brummend auf, um daraufhin aus dem Bett zu plumpsen, da ich es wiedermal geschafft habe, mich in meiner Bettdecke zu verhaspeln.

Stöhnend strampele ich mich frei und taste mit meiner freien Hand nach meinem Handy. Ich bereue es immer wieder, keinen Teppich oder Vorleger vor meinem Bett ausgelegt zu haben, und wer auch immer auf die Idee gekommen ist, mein Zimmer zu fliesen, gehört gesteinigt. Ganz ehrlich, es war damals ein verdammtes Kinderzimmer. Welcher Innenarchitekt (oder wer auch immer den Schwachsinn verzapft hat) denkt sich: „Dieses Kind wird bestimmt überhaupt nicht trostlos aufwachsen, wenn es jeden Tag aufstehen und zehn Meter über eiskalten, wärmeundurchlässigen Marmorboden laufen muss, bevor es seine Tür erreicht hat"? Ganz ehrlich, ich verfluche jeden einzelnen Quadratmeter in diesem Raum, und das sind ziemlich viele.


„Wunderschönen guten Morgen!", flötet Troy so wunderschön wie eine luftröhrenlose Spottdrossel und reißt meine Zimmertür auf. Dabei fällt er beinahe über einen mittlerweile bis zu meiner Hüfte reichenden Haufen Dreckwäsche, was er aber verdient hat, denn ganz ehrlich, es ist spätestens elf Uhr morgens und er traut sich allen Ernstes schon, fröhlich zu sein.

„Verpiss dich", knurre ich so liebenswürdig wie immer und entsperre geübt mein Handy. Troy macht sich immer darüber lustig, dass ich einen zwölfstelligen Zahlencode habe, aber ganz ehrlich, das sollte jeder haben.

„Du siehst so ausgeschlafen aus, Sunshine", zieht er mich auf und reißt mit einem solchen Optimismus meine Vorhänge zur Seite, dass ich darauf warte, dass ihm die Stange gegen den Kopf knallt und ihn ohnmächtig schlägt, während ich gelangweilt durch meine Privatnachrichten scrolle. Ares Cannons Freundin schreibt mir auf einer täglichen Basis, und das auch noch pünktlich wie ein Uhrwerk, aber ich habe weder Ahnung, woher sie meine Nummer hat, noch mache ich mir die Mühe, ihre Nachrichten überhaupt zu öffnen.

Kurz starre ich den Bildschirm etwas orientierungslos an, weil ich mental eine Entdeckung gemacht habe, an die ich mich schon jetzt nicht mehr erinnern kann, doch als ich mich wieder auf einen Chat in der Anzeigeleiste konzentriere, fällt es mir wieder ein.

„Ares Cannon hat eine Freundin", murmele ich, werfe mein Handy achtungslos hinter mich und rolle mich auf meinem eiskalten Boden zusammen wie eine ziemlich ungelenkige und gereizte Katze.

„Entschuldige bitte, was war das?", fragt Troy, der etwas verstört zwischen meinem Handy, das auf der anderen Seite meines Zimmers liegt, und mir hin und her sieht.

„Ich sagte, dass Ares Cannon eine Freundin hat", brumme ich verstimmt und ganz ehrlich, ich will heulen. Es war von Anfang an klar gewesen, dass irgendetwas dazwischenkommen wird. Und es ist Ares Cannon, eigentlich sollte es mich gar nicht interessieren, was in seinem Leben schiefläuft. Aber es interessiert mich eben leider doch, denn Ares ist Mars und er hat sogar in seinem ersten verfickten Brief erwähnt, dass er eine Freundin hat. Es ist alles zu früh. Soll er doch zur Hölle fahren.

Venus BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt