back to you

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Taehyung versuchte die Tränen, die seine Wangen hinunter fließen wollten zu unterdrücken. Er versuchte es wirklich und gab sich viel Mühe. Denn wenn er weinte, würde er nichts sehen und würde er nichts sehen, könnte jemand sterben.
Er schloss für weniger als eine Sekunde seine Augen und wischte diesen Gedanken aus seinem Kopf, Taehyung wusste, dass so oder so jemand starb. Jede Sekunde starb jemand.
Aus jeder einzelnen Sekunde waren die Schüsse zu hören und das Schreien der unschuldigen Leute oder der Soldaten, welche getroffen wurden oder fielen. In den Tod fielen. Jede Sekunde schrie jemand.

Doch schrien die Soldaten nicht aus Schmerz, dass wusste Taehyung nach seiner schon längeren Zeit. Nein, es war die Angst, die jeden begleitet. Angst vor Tod. Oder dass man zu seinem Quartier lief und ein Mann im schwarzen Anzug vor einem Stand, mit trüben, traurigen, mitfühlenden Augen und sachte sprach, dass die Familie gefallen sei.
Taehyung hatte es schon oft miterleben müssen und jedes Mal hatte er sich die Tränen verkniffen. Denn was gab es schlimmeres, als die Familie, die Liebe, zu verlieren.

Als Taehyung seine Augen wieder öffnete sah er nicht den Mann, welcher letztens erst vor ihm zusammenbrach und weinte, weil seine geliebte Frau gestorben war. Und dass das einzige, was Taehyung tun konnte war, sich zu ihm hinunter zu hocken und sachte seine Hand auf die starke, doch in diesem Moment so schwache Schulter, des Mannes zu legen und verbittert die Lippen aufeinander zupressen. Er hatte dies nicht verdient.

Aber nein, Taehyng sah direkt auf ein Schlachtfeld. Er versteckte sich hinter einem Auto, neben ihn ein anderer Soldat. Dieser Schoss und schoss und Taehyung wusste, dass er relativ neu sein musste. Niemand, der länger als zwei Monate an einen Krieg gebunden war empfand noch diese Empathie, Menschen zu erschießen. Taehyung musste zugeben, am Anfang war es noch ein Kick gewesen, das Adrenalin hatte in seinem ganzen Körper gerauscht und doch fühlte er sich wie ein Monster.
Aber als er zum ersten Mal wahrhaftig einen Menschen durch seine Hand sterben sah, starb etwas in Taehyung mit.
Jeder einzelne Mensch, den Taehyung das Leben nahm, nahm auch von Taehyung ein Stück Leben mit sich. Und so fühlte er sich nicht mehr lebendig.

Taehyung hockte hinter dem Auto und lief in seinen schweren schwarzen Army-
Stiefeln über den staubigen Boden, ehe er Schüsse vernahm, ganz in seiner Nähe. Erschrocken drehte er sich um, hob seine M16 und schoss auf die zwei Soldaten, die einen seiner Kameraden über den Boden schliffen. Dieser sah schon mehr tot als lebendig aus, doch Taehyung hatte es schon in seinem Kopf drin.
Beschütze dein Leben und das deiner Kameraden.

Er wusste noch ganz genau, wie es einen zweiwöchigen Aufstand gab, als die Army laut und kräftig aussagte, dass alle Menschen miteinander Kameraden sind. Mensch und Mensch sind Kameraden, doch wie sollen sie diese Menschen töten, wenn sie Kameraden beschützen sollen.
Es war eine schwierige und äußerst traurige Zeit, da es einen kleinen Funken Hoffnung gab und dieser mit den Füßen der Politiker getreten wurde und so wurde Mensch um Mensch umgebracht. Kein Kamerad wurde beschützt, nur das eigene Land, hab und gut.

«Steh auf!», rief Taehyung laut durch seinen Helm und half dem Soldaten auf die Beine. Dieser hatte einen gebrochenes Bein, man sah es gut und ein Auge blutete unaufhörlich. Der Soldat sah hilflos und ängstlich in Taehyung's Gesicht und sofort nahm dieser ihn schon fast Huckepack, um ihn durch den Regen von Kugeln sicher hinter einem unbenutzten Panzer zu deponieren und sich vorsichtig das Auge anzusehen. Natürlich konnte dort nichts gemacht werden, es war aus und vorbei.
Der Soldat verlor nur eine Träne.

Mitfühlend senkte Taehyung nur für kurze Zeit seinen Kopf.
«Geht da weg! Weg da!!»
Taehyung riss seinen Kopf in die Höhe und sah zu seinem besten Freund. Er fuchtelte wild mit den Armen umher und alle Soldaten in dem Umfeld der beiden anderen liefen sicher zu Yoongi hinüber, dieser hörte nicht auf zu schreien.
Alarmiert richtete Taehyung sich auf und konnte mit Schrecken sehen, wie Granaten in ihre Richtung geschmissen wurden.
Blitzschnell, mit quälenden Gesichtsausdruck nahm er den anderen Soldaten und rannte los. Es war nicht einfach, da das Bein seines Kameraden gebrochen, gar zerfetzt war und sie so nur langsam laufen konnten.
Taehyung konzentrierte sich nur darauf, dass sie sicher zu den anderen gelangen konnten. Doch als er kurz aufsah und Yoongi's verbittertes Gesicht sah, was ihm nur eines genau sagen konnte, spürte Taehyung wieder einmal, wie ein Stück seines Lebens genommen wurde.

Sein Kamerad neben sich stöhnte vor schmerzen und Tränen flossen aus seinem gesunden Auge. Er war jung, so jung. Sie wurden immer langsamer. «Geh weiter..», hauchte der Soldat und Taehyung wollte es nicht wahrhaben, er packte ihn kräftiger und versuchte schneller zu rennen, doch das Aufschluchzen verschlimmerte sich so.

«Taehyung, komm her!!», brüllte Yoongi und Taehyung wollte, doch konnte er nicht. Der Soldat war gerade mal um die 25. Taehyung weinte. «Es wird alles gut..», flüsterte er leise und kniff schmerzhaft seine Augen zusammen, als er in Sekundenschnelle den Soldaten losließ, dieser weinte und nickend Taehyung hinter hersah.
Taehyung rannte und rannte, doch hatte er zu lange mit dem Soldaten gebraucht und so, als er rannte und es nicht verhindern konnte, noch einmal zu dem jungen Mann hinter sich zu sehen, explodierte es.

Der Himmel färbte sich orange. Die Erde zersprang. Alles flog umher, sowie Taehyung. Er flog über ein Auto, schlug sich den Arm ein, als er neben ein Gebäude landete und sich mit einem Schmerzensschrei den Arm hielt. Er konnte nicht aufhören zu schreien. Doch nicht aus Schmerz, sondern Angst.
Angst.

Das Fiepen in seinen Ohren wollte einfach nicht aufhören...

Doch es hörte auf. Es dauerte lang und Taehyung war sich ziemlich sicher, als er aufwachte, dass er ohnmächtig wurde. Keine verwunderliche Sache, schließlich entkam er haarscharf einer Bombe.

Taehyung öffnete seine Augen und konnte die Harte Matratze der Krankenbetten unter sich spüren. Er konnte auch beruhigende Stimmen neben sich hören und Desinfektionsmittel riechen. Aber er sah nur, wie ein junger Soldat, ein junger Mann von einer Bombe zerfetzt wurde. Er konnte nur den schmerzvollen, traurigen Blick sehen. Taehyung würde so gerne tauschen. Er würde so gerne diesem Mann das Leben retten, auch wenn er dafür hätte sterben müssen.
Er spürte nicht, wie Tränen über seine Wange flossen.
Yoongi nahm seine Hand und drückte sie fest. Er setzte sich neben Taehyung und ließ zu, dass dieser sein Gesicht in Yoongi's Schoß legte und laut aufschluchzte.
Er strich zitternd über Taehyung's Kopf und konnte nicht verhindern, dass eine kleine Träne seine Wange entlangfloss.
Yoongi's eigentlich weiß-blonde Haare waren fast braun, von dem Schmutz. Taehyung war nicht lange ohnmächtig gewesen.

Noch einmal drückte Yoongi die Hand seines besten Freundes, ehe er aufstand und leise ging, um einer anderen Person Platz zu verschaffen.

Mit verweinten Augen sah Taehyung zu Jungkook, welcher besorgt auf ihn zulief und das Gesicht Taehyung's in seine Hände nahm, sachte die Wangen küsste.
Taehyung aber sah nur auf den kleinen, sein Blick verwirrt, fast finster.
«Was machst du hier..?», ein Hauch Vorwurf war spürbar zu hören. Taehyung zog eine Augenbraue in die Höhe und nahm trotz allem die Hände des jüngeren Mannes in seine.
Taehyung's Herz pochte viel zu schnell.

Der ihm gegenüber, Jungkook, ließ seinen Kopf hängen, dass seine schwarzen Haare über seine Augen fielen. Seine Augen, rot und dick -als hätte er geweint. Seine Hände rau und dreckig, wie sein Gesicht.
Taehyung war dies nicht von Jungkook gewöhnt, er wusste, dass dieser gerne arbeitete und besonders sportlich viel unterwegs war, doch er sah aus, wie..
Taehyung richtete sich auf, zischte aus Schmerz auf. «Was machst du hier?!», fragte er noch einmal laut.

Zitternd verband Jungkook ihre Finger miteinander, was der braunhaarige Soldat nur mit verwirrten, traurigen Augen beobachten konnte.
«Mein Dienst fängt an..»

Taehyung's Welt brach zusammen. Taehyung brach zusammen. Er kniff seine Augen schmerzhaft zusammen und presste die Lippen aufeinander, bis sie weiß wurden. Zischend und abgehackt holte er Luft.
«Nein..»
«Neiiin..!», weinte und schrie er. Taehyung setzte sich auf, um seine Knie an sich zuziehen und fest in die Haare zu fassen. Er legte seinen Kopf auf seine Knie. Jungkook konnte nur sehen, wie die Schultern -der ganze Rücken- von Taehyung bebten.
«Nein, nein, neiiin!!»
Er schrie, weinte. Alles, sein ganzer Körper Bebte.

Taehyung glaubte, sein ganzes Leben wurde ihm ausgehaucht. Niemals hätte er gedacht, Jungkook würde zum Dienst antreten. Er hatte keine Zeit darüber nachzudenken.

Schluchzend hob Taehyung seinen Kopf, sah in das Gesicht seines Geliebten. Mit roten Wangen, gereizten, verweinten Augen blickte Jungkook traurig zu Taehyung.
«Bitte nicht..», flüsterte der Soldat und nahm Jungkook schwach in seine Arme, um sein Gesicht auf die starke Schulter zu legen und wieder einmal die Augen zu schließen.
Er spürte, wie Jungkook tief einatmete und die Luft zitternd wieder seinem Körper entfloh.

«Es tut mir so leid»
Innig umarmten sie sich. Das laute schluchzen und schreien von Taehyung war vorbei.
Es war eine stille Minute in der sie sich nur umarmten, mit einem Blick in die Leere und die letzten Tränen aus ihren tiefbraunen, schon zu viel gesehen Augen, flossen -ihr Schicksal somit besiegelt.

ℴ nℯSℋOℸSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt