outro: tear

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Manchmal, da verlor sie ihre Kontrolle. Da brach alles aus ihr heraus. Ihre Wut. Ihre Trauer. Ihre Verzweiflung. Ihre Müdigkeit. Es kam alles über sie. Brach ihre Mauer. Zerquetschte sie.

Immer, wenn dieser Moment über sie kam, brach sie zusammen. Sie lag auf dem Boden und weinte. Ihre Atmung, stoßweise. Ihre Stirn, verschwitzt. Verkrampfte Finger. Sie war blass. Ihr Mund zusammengepresst. Bis Blut ihre Lippe entlangfloss, weil sie zu sehr hinausbiss, um nicht zu schreien. Sie wollte ihren Schmerz nicht zeigen. Doch jeder sah ihn.

Warum sah ihn jeder?
Ihr Fröhlichkeit. Zu sehr. Zu viel. Zu offensichtlich. Ihr Lächeln war schon fast blendet. Doch zu aufgesetzt. Ihr Lachen war einer lieblichen Melodie nah. Doch zu falsch. Ihre gute Laune, glich der eines Comedians. Doch zu gut.

Jeden Abend sah sie sich Comedian-Shows an. Übte. Übte nett, höflich, fröhlich, glücklich, dünn, biegsam, schön-nein- wunderschön, perfekt zu sein.

Ihre Augenringe, tief, dunkel. Das weiße der Augen überseht von geplatzten Äderchen. Die Nägel kurz. Die Haut heraus aufgerissen. Die Lippen trocken. Der Körper zu.. ja, was war er?

Sie ging in die Schule. Ihre Freunde empfingen sie. Reden mit ihr, lachten, umarmten sich. Sie lachte auch. Spürte, wie es in ihrer Kehle schmerzte. Sie lachte etwas mehr. Sie bemerkte die kritischen Blicke nicht einmal. Sie bemerkte nicht, wie besorgt sie angesehen wurde.

»Und, wie viel wiegt ihr?«, eine Freundin von ihr fragte dies. Schnell wurde herum gegackert. Sie hatten alle miteinander beschlossen zusammen abzunehmen. Sie verstand nicht, warum ihre Freundinnen noch dünner werden wollten.

»46«
»50«
»57«
»48«
»43«
»55«

Erwartungsvoll würde sie von der Gruppe Mädchen angesehen. Tränen bildeten sich in ihren Augen. Zitternd atmete sie aus und setzte ein falsches Lächeln auf.
»67.. aber, aber es liegt daran. Ich konnte kein Sport machen, ich hatte zu viel zutun.«
Das stimmte nicht. Sie machte jeden Tag Sport. Über Stunden.

Verständlich nickten alle. »Ach das macht doch nichts! Du bist trotzdem noch voll dünn und schön.«, wieder nickten alle.
Dieses falsches Gerede. Sie lachte wütend auf, übertönte dies aber mit einem Husten.

Sie erzählten ihr immer wieder diese Lügen, wie schön sie war, wie toll sie alle fanden, wie dünn sie ja währe. Doch sie wusste, wie sie lügten. Sie hasste sie dafür, dass sie von ihnen angelogen wurde. Und sie hasste sich dafür, dass sie Ihnen einen Grund hab angelogen zu werden. Weil sie nicht dünn war. Weil sie nicht unter 60 wog.

Ihre Lippen zitterte. Gleich würde sie weinen. Sie zwang sich, dies zu überlächeln. Also lächelte sie.




Als sie nach Hause Lief, hatte sie sich schon überlegt, was sie zum Mittag essen wollte. Es wurde zu Nichte gemacht. Sie überaß sich. Stopfte alles in sich hinein. Hauptsache ungesund. Hauptsache viel.
Keine halbe Stunde später war ihr schlecht. Sie ging auf Toilette, machte laute Musik an, um es zu übertönen und übergab sich. Freiwillig.

Danach aß sie nichts mehr. Sie ging in ihr Zimmer und machte ein zweistündiges Workout. Dann tanzte sie noch eine Stunde.

Sie ging duschen. Unter der Dusche hatte sie das Gefühl, als wäre alles umsonst. Sie würde trotzdem nicht schöner werden. Sie würde sich trotzdem noch schönen, schwimmen zugehen. Ihre Auen wurden rot.m, zu sehr verkniff sie sich das weinen. Doch die tränen kamen trotzdem.

Unter verschwommen Blick strich sie ihren Bauch entlang. Sie umfasste ihren Speck. Ihr wurde schlecht, als sie dies sah. Es war so viel.
Sie stieg aus der Dusche hinaus und sah in den Spiegel. Tief atmete sie ein. Man sah ihre Rippen nicht. Sie brach zusammen und weinte.

Früher hätte man sie gesehen. Früher war sie noch so dünn. Aber sie musste zunehmen. Weil sie 'krank' war. Sie fand sich nicht krank. Sie fand sich gesund. Vollkommen. Sie wollte nur dünn sein. Und nun hatte sie zugenommen. Wegen ihren Eltern, wegen Ärzten. Alle wollten, dass sie zunahm. Über Zehn Kilogramm hatte sie zugenommen. Alle hatten sich darüber gefreut. Weil sie es mir nicht gegönnt hatten. Dachte sie und weinte mehr. Kratzte sich über die Arme.

Sie scrollte durch Instagram. Sah die ganzen Idole. So dünn. So schön.
Warum konnte sie nicht so sein?

Sie nahm ihr Handy. Schaltete von ihrer Lieblings Boygroup ein Lied an. Setzte ein Lächeln auf und tanzte durch den Raum, nahm dies dabei auf. Schnell ein paar witzige Worte dazu geschrieben. In die Story.

Sie bekam Nachrichten.
Du bist so selbstbewusst.

Ich mag dich voll, du machst was du willst.

Find's voll cool, dass du dich von nichts aufhalten lässt.

Ich wünschte ich wäre so selbstbewusst, wie du.

Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. Sie sahen nur was sie sehen wollten. Sie sahen nicht sie.


Nach dem Abendbrot ging sie ins Bett. Ihr Handy musste sie abgeben. Sie war erschöpft. Aber sie konnte nicht schlafen. Sie konnte nie schlafen. Nichts half.

Benommen starrte sie an die Decke. Ihre Augen fielen zu. Sie schlief nicht. Sie weinte. Leise. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz, Bauch. Alles würde sich zusammenziehen. Es war schrecklich. Es tat weh.

Irgendwann schlief sie ein. Die Erschöpfung nahm überhand.
Doch als sie am nächsten Morgen aufwachte. Sie hoffte so sehr, für immer schlafen zu können.

ℴ nℯSℋOℸSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt