22. Kapitel

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P.o.v. Pax
»I know that birds fly in different directions. So fly high, so fly high«
Vögel fliegen in unterschiedliche Richtungen...
Ob jeder verstand, was die Imagine Dragons damit wohl meinten?
Verstanden sie, was Dan Reynolds sang?
Verstanden sie alle den Text und den Sinn dahinter?
Ich war mir nicht sehr sicher.
Ich glaubte eher nicht.
Eher nicht.
Eher verstanden sie den Text, aber nicht den Sinn dahinter.
Ich hörte Musik, hatte mich an das Fenster gelehnt, und strich langsam über die kalte Scheibe.
Wie konnte ich nur?
Leise seufzte ich, schloss meine Augen, ließ einfach die Lieder der Imagine Dragons auf mich einwirken. Hin und wieder war auch Alan Walker zu hören
Verblasste ich auch?
So verloren?
Ich wusste es nicht.
Aber ich vermutete es.
Vermutlich.
Wer soll mich in den Schlaf singen?
Wer würde das tun, vor allem jetzt?
Niemand...
Nachdenklich richtete ich mich wieder auf.
Was sollte ich zu Ylva sagen?
Ich verstand es nicht...
Ich wusste nicht, was ich getan hatte.
Was war mit mir nur los?
In diesem Moment ging die Tür auf, jemand betrat mein Zimmer, ohne zu fragen, ob derjenige reinkommen durfte.
Zwei Arme umarmten mich von hinten.
Sie waren warm und beruhigend, so als bräuchte ich diese Ruhe um weiterzukommen, um den richtigen Weg zu gehen.
War das Ylva?
Nein, das konnte sie nicht sein...
Mir fiel ein anderer Name ein. Ob dieser mich wohl gerade umarmte?
Eine andere Möglichkeit gab es ja nicht...
,,Archie?", flüsterte ich leise, meine Stimme klang irgendwie... zögerlich.
,,Ja"
Das war alles. Ein einfaches ja. Ohne herum Gerede. Einfach nur ja.
Ja.
Irgendwie...passte das nicht.
Soweit ich wusste hatte Archie die Angewohnheit sich kompliziert auszudrücken.
Und jetzt sagte er einfach nur ja...
Leise seufzte ich.
,,Bitte...Archie. Bitte geh. Bitte verschwinde von hier. Ich verletze dich sonst nur...", murmelte ich, senkte dabei meinen Kopf.
Der Junge seufzte nur, tat eine Weile gar nichts.
Dann jedoch räusperte er sich.
,,Es ist von hoher Wahrscheinlichkeit, dass dies niemals der Realität entsprechen wird"
Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen.
Er redete also immer noch so kompliziert.
Ich fand das irgendwie...süß.
Archie erinnerte mich an einen Professor. Einen kleinen Professor.
Archie konnte sicher etwas aus seinem Leben machen, würde vielleicht irgendwas erfinden und einen Preis damit gewinnen.
Ich würde es ihm gönnen.
Zwar kannte ich ihn noch nicht sehr lange, aber...der Junge war mir einfach ans Herz gewachsen.
Nachdenklich zupfte ich an der Bettdecke.

Erst nach einer gefühlten Ewigkeit konnte ich meinen Mund bewegen, war fähig diesen einen Satz auszusprechen.
,,Das hat Ylva auch gesagt...."
Wieder seufzte der Junge leise.
,,Wenn du meine Anwesenheit nicht in Anspruch nehmen willst und dich zu sehr in deiner Privatsphäre eingeschränkt fühlst, sprich es einfach aus. Machen so oder so alle..."
Sein letzter Satz war nur noch ein leises Flüstern, nicht mehr.
Archie wurde ausgegrenzt?
Wurde verletzt?
Wurde weggeschickt?
Ich fühlte, wie sich etwas in mir zusammen zog, es tat mir leid.
Archie tat mir leid.
Vorsichtig zog ich ihn an mich, umarmte ihn.
Archie hatte das nicht verdient.
Ich hatte es verdient, aber nicht er.
Leise schluchzte der Junge in meinem Armen.
Er weinte?
Wie lange schon?
Ich musste ihm irgendwie helfen.
Aber wie?
Half ich ihm, wenn ich ihn so umarmte?
Ich hoffte es.

,,Pax...", flüsterte er leise, seine Stimme klang rau.
Er kam mir irgendwie so vor wie ein kleiner Bruder. Ein kleiner Bruder, welcher meine Hilfe brauchte.
Da gab es aber das Problem, dass ich ihm diese Hilfe nicht geben konnte...
,,Es...tut mir leid", murmelte ich leise.
Langsam löste er sich von mir, stand auf. Dann schniefte der Junge, schien sich über sein Gesicht zu wischen.
,,Dann... ziehe ich am besten von dannen..."
Seine Stimme klang so müde, so enttäuscht.
Ich hob meinen Kopf, streckte meine Hand etwas aus.
,,Nein...bitte, Archie. Bitte bleib da...", flüsterte ich leise, meine Stimme klang irgendwie anders, irgendwie seltsam.
Ich spürte, wie er inne hielt, mich scheinbar anstarrte.
,,Warum würdest du dies wollen?"
,,Weil..."
Ich konnte nicht beschreiben warum ich dies wollte.
Um ihm Sicherheit zu geben?
Um ihn zu beschützen?
Ihm zu helfen?
Ich wusste es nicht.
Langsam öffnete ich meine Arme, um ihn zu umarmen.
Ob er verstand?
Und wirklich.
Ich spürte, wie der Junge sich, ganz vorsichtig und zögerlich, neben mich setzte und mich in seine Arme zog.
Vorsichtig schloss ich meine Arme um ihn.
So saßen wir nebeneinander, schweigend.
Erst nach einer Weile brach ich mit einem Satz das Schweigen.
,,Weil ich nicht will, dass du verblasst, so wie ich es getan habe..."

Pax - Schwarz ist keine Farbe [✓]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt