17. Kapitel

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Nachdenklich sah ich aus dem Fenster. Fast ein Monat war es her, dass das mit Pax passiert war.
Heute kam er endlich zurück. Ich hatte ihn nur wenige Male besucht, aus genau einem Grund: Layla.
Wenn es nicht Pax gewesen wäre, der im Krankenhaus lag, wäre ich wohl gar nicht aufgetaucht.
Ich konnte Layla eben nicht leiden, und das, was sie abgezogen hatte, war echt nicht in Ordnung.
,,Hallo, Ylva", begrüßte mich jemand. Ich drehte mich um, und erblickte Archie. Sofort musste ich lächeln. Ich hatte ihn die letzten Wochen ziemlich ins Herz geschlossen, wir hatten öfters etwas gemeinsam unternommen. Auch wenn er anders war, er war irgendwie... knuffig. Und irgendwie erinnerte er mich an ein Küken. Vor allem, weil er immer etwas Senfgelbes trug, egal ob es zu dem Rest dazupasste oder nicht.
,,Hi Archie. Na, wie war der Mathetest?", fragte ich gespielt fröhlich zu ihm, setzte mich auf das Sofa, und streckte mich ein wenig.
,, Die Mathematik Mitarbeitsüberprüfung? Aber um die soll es jetzt nicht gehen. Nun, Ylva, erblicke meine Gestalt nicht so verwirrt, sondern erzähle mir lieber, warum du aussiehst wie Albert Einstein, wenn er drei Tage wach zu bleiben pflegte"
Der rothaarige Junge hatte all den Text hinunter gerattert, als ging es um Leben und Tod. Und seine komplizierte Art zu sprechen machte es auch nicht gerade einfach, alles zu verstehen. Aber eines hatte ich verstanden: Er hatte gefragt, ob alles bei mir okay war.
Eine Weile schwiegen wir, sowohl ich, als auch er. Dann nickte ich langsam mit dem Kopf.
,,Ja. Ja, alles in Ordnung..."
Archie jedoch blickte mich fordernd an, meinte schließlich: ,,Nein, bei dir ist definitiv nicht alles in Ordnung. Schon allein dein Anbetracht weist darauf hin, dass du wenig Schlaf zu dir genommen hast, und irgendein unentwegter Gedanke in deinem Gehirn bleibt"
Leise stöhnte ich auf.
,,Man, Archie, kannst du mal Deutsch reden, und zwar das gebräuchliche Deutsch, nicht das vor fünfhundert Jahren?"
Zugegeben, meine Stimme klang ziemlich genervt und gereizt. Nun, ich war unsicher, ich war nervös. Da war sowas bei mir normal.
,,Da muss ich aber einwenden, dass..."
,,Du musst gar nichts einwenden. Lass mich einfach in Ruhe, okay? Ich bin heute scheiße drauf", unterbrach ich den fünfzehn Jährigen beim Reden.
,,Oh... okay..."
Archie senkte seinen Blick, zog seinen Kopf ein, und ging langsam, mit schleppenden Schritten zu der Tür.
Leise seufzte ich.
,,Archie, bitte warte noch kurz"
Langsam drehte sich der Junge um, sah mich fragend an.
,,Setz dich..."
Ich klopfte auffordernd auf den unbesetzten Platz neben mir, und lächelte ihn ein wenig ich traurig an.
Er nickte langsam, setzte sich ein wenig zögerlich neben mich.
,,Archie...es ist nicht wegen dir", fing ich ein wenig stotternd an, seufzte dann leise, atmete tief ein.
,, Nicht wegen dir... Nein, wegen einem...gutem Freund von mir"
Ein wenig fragend blickend sah er mich an.
,,Ein guter Freund? Wer, wenn du es mir zu fragen erlaubst? Die ganzen drei Wochen über, die wir miteinander verbracht haben, hast du kein einziges Wort über einen guten Freund in den Mund genommen"
,,Archie, lass mich bitte ausreden. Also...er ist nicht hier. Er...sagen wir mal so, er hatte einen Unfall, und ist im Krankenhaus. Beziehungsweise kommt er heute wieder zurück..."
Nachdenklich blickte mich Archie an, jedoch sagte er nichts, wagte es wohl nicht, mich noch einmal zu unterbrechen.
Doch als ich weiter schwieg, erhob er seine Stimme: ,,Ylva? Müsstest du dich nicht an dieser Botschaft erfreuen?"
,,Ja schon, Archie. Aber weißt du, ich habe ihn länger nicht besucht...
In seinem Zimmer liegt nämlich auch eine Person, die ich nicht besonders leiden kann"
Der Junge zuckte nur mit seinen Schultern.
,,Wenn er sich deinen guten Freund bezeichnet, dann wird er es dir mit vollem Herzen verzeihen"
Leise seufzend lehnte ich mich zurück, dachte nach. Es stimmte schon, was er sagte, und soweit ich Pax kannte, würde er mir sofort verzeihen, vor allem, da er Layla auch nicht besonders leiden konnte.
Aber trotzdem...
Ich sah zu Archie, welcher ein wenig unruhig geworden war, sich auf seine ziemlich trockenen Lippen biss, und auf den Boden starrte, als würden sich dort etwas befinden.
Mein Blick wurde fragend. Was war los? Warum war er auf einmal so komisch?
,,Archie...? Was ist los?", fragte ich leise, beugte mich ein wenig nach vorne.
,,Naja..."
Ein wenig verlegen spielte er mit seinen Fingern, sofort musste ich an meinen ersten Schultag denken, an Pax, wie er damals das Selbe tat.
,,Naja...also... ich...äh...wirst du mich aus dem Gedächtnis löschen, sobald dein guter Freund wieder zurück ist? Ich will damit ausdrücken...ich stelle ja nichts da, ich bin nicht normal. Mein Aussehen entspricht nicht den modernen Modetrends, ich pflege mich auch anders auszudrücken. Wer will so einen Menschen als guten Freund? Weil ich denke nicht, dass dein guter Freund mit so einer heruntergekommenen Person kommunizieren will..."
Er redete schnell, undeutlich. Ich hatte Mühe ihn zu verstehen.
Als er zu Ende gesprochen hatte, seufzte ich leise, lächelte etwas, und legte meine Hände auf seine Schultern.
,,Ach, Archie... Hör zu, du bist ein wundervoller Mensch. Du bist anders, das stelle ich nicht in Frage. Aber wäre es nicht langweilig, wenn jeder genau gleich wäre? Archie, du bist so intelligent, so klug. Du kannst echt was in deinem Leben erreichen, du darfst nicht aufgeben. Sei stolz, dass du anders bist, auch wenn es schwer ist. Sei stolz, dass du solche Talente hast. Archie, du bist etwas Besonderes, okay? Und das meine ich absolut nicht negativ."
Ich sah ihm ernst in seine ungewöhnlich hellen, grünen Augen, woraufhin er langsam nickte.
Ein wenig unsicher lächelte er mich an, ich erwiderte sein Lächeln.
,,Und was Pax angeht..."
Kurz unterbrach ich mich selbst, seufzte leise.
,,Pax ist selbst nicht so wie die anderen, sondern eigen. Ganz eigen. Aber genau das mag ich an ihm. Genau das liebe ich.
Genau das brauche ich.
Nicht immer all die normalen Menschen"
Archie jedoch sah mich äußerst unsicher an, scheinbar glaubte er mir nicht.
,,Aber...aber meine Gewohnheit, mich einem anderen Stil entsprechend zu kleiden. Das...das wird ihn stören..."
Ich lachte leise, wuschelte durch seine echt knuffig aussehende Haare.
,,Aber nein, Archie. Er selbst zieht nur schwarze Sachen an.
Außerdem wird ihm das nie im Leben stören, er wird nie ein Wort darüber verlieren, das verspreche ich dir"
Sein Blick wechselte zu verwirrt.
,,Aber...aber wie kannst du dir da so sicher sein?"
,,Ganz einfach, Archie.
Mein guter Freund Pax.
Pax sieht keine Farben.
Pax sieht kein Licht.
Pax sieht nichts, nur Schwärze, wie er mir mal erklärt hat.
Pax ist blind..."

Pax - Schwarz ist keine Farbe [✓]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt