3. Kapitel

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Ein lautes Geräusch weckte mich aus meinen nicht besonders tiefen, dafür aber entspannten Schlaf. Danke dafür.
Wer war das überhaupt? Wer schlug meine Tür so heftig zu?
Angestrengt lauschte ich, meine Augen waren geschlossen, es musste für die Person, die gerade in den Raum gekommen war, wohl so aussehen, als würde ich schlafen.
Leise, jedoch rhythmische Schritte. Dies war nicht selbstverständlich. Jeder Mensch hatte eine eigene Gangart, insofern dieser nicht einen anderen Menschen nachahmt. Was öfters vorkommt.
Aber diese Schritte würde ich auch unter einer ganzen Horde von Stieren wiedererkennen. Und verdammt, was wollte sie in meinem Zimmer?!
Ein leises Knarren ertönte, SIE hatte sich wohl auf meinen Stuhl gesetzt. Konnte sie mich nicht einfach lassen?
,, Verschwinde, Ylva", knurrte ich leise streckte mich in diesen Moment ausgiebig.
Ich hätte ziemlich viel dafür gegeben, jetzt ihren Gesichtsausdruck zu sehen.
,,Woher weißt du, das ich es bin?"
Jep, ich hatte recht. Cool. Beziehungsweise eher weniger cool für mich...
,,An deinen Schritten", antwortete ich also und zuckte mit meinen Schultern.
Das Mädchen stand auf, kurz darauf spürte ich, wie sich meine Matratze etwas senkte. Instinktiv rutschte ich ein wenig zurück, ich mochte seit damals es überhaupt nicht, wenn mir jemand zu nahe kam, was den Erfolg hatte, dass ich gegen die Wand knallte. Gut gemacht, Pax. Absolut super.
Dann kam die mir näher, ich spürte ihren Atem auf meinem Hals. Sonst hätte ich sie angeschrien, ihr gesagt, sie solle sich verpissen. Doch jetzt war ich wie gelähmt.
,,Bist du immer so tollpatschig?"
Sie hatte ja keine Ahnung. Sie wusste nichts davon, oder sie ahnte es nur. Ich wusste es nicht.
,,Lass mich in Ruhe, Ylva. Ich bin müde", murmelte ich daraufhin, konnte mich endlich aus dieser Starre befreien.
So drehte ich ihr den Rücken zu. Freilich scherte ich mir dabei die Hand bei der Mauer auf, welche nun ein wenig blutete. Aber egal.
Ylva stand auf, ging weg, schien endlich zu kapieren, dass ich meine Ruhe wollte. Erleichtert atmete ich aus. Doch zu früh gefreut. Bald kam sie zurück, und ich spürte, wie sie meine Hand nahm, und etwas Kaltes darauf legte. Ich zuckte ein wenig zusammen, woraufhin sie mir nur beruhigend über den Rücken strich.
,,Ist gut, Pax. Ist nur ein Kühlpack"
Ich seufzte leise und entspannte mich wieder. Dann herrschte Stille zwischen uns, und das ziemlich lange.

,,Darf ich dich was fragen?"
Die Frage unterbrach unser Schweigen. Am liebsten hätte ich einfach weiter geschwiegen, doch meine Antwort kam wie von selbst.
,,Hab ich dir nie verboten. Und selbst wenn würdest du dich eh nicht daran halten"
Wir wussten beide, dass ich recht hatte. Ich hatte halt immer recht. Ha. Nein, Scherz, ich hatte natürlich nicht immer recht.
,,Du bist blind, oder?", fragte sie nun leise und ein wenig unsicher, woraufhin ich leise seufzte. Langsam nickte ich.
,,Ja, bin ich. Wenn du was dagegen hast, kannst du ja wieder gehen"
Meine Stimme hörte sich so kalt an...
Obwohl ich nicht kalt zu Ylva sein wollte. Vorhin war ich halbwegs normal. Doch jetzt...
,,Nein, natürlich nicht. Ich habe mich nur gewundert, warum du länger gebraucht hast, und weil du mit den Ordnern gestern überall dagegen gerannt bist"
Dann war es wieder still zwischen uns, niemand sagte ein Wort. Irgendwann erhob sich Ylva wieder, seufzte leise.
,, Ich muss gehen, meine Hausaufgaben sind noch nicht fertig...bis irgendwann"
Ich nickte, hatte meinen Kopf in ihre Richtung gedreht. Sie war ein komisches Mädchen. Aber ein nettes komisches Mädchen. Und wenn ich so jemanden bezeichnete, konnte man dies als Kompliment nehmen.

Nachdenklich strich ich die Konturen des Kühlpackes nach, es war kaum noch kalt. Doch es störte mich nicht, es war ein angenehmes Gefühl, was dieses Teil auslöste.
Gerade war einer der wenigen Momente seit damals, an den ich mich gut fühlte.
Gerade war einer der wenigen Momente seit damals, an den ich mich stark fühlte. Stärker als alle anderen. Als könnte ich die ganze Welt tragen, und es würde mir nichts ausmachen.
Lag das an Ylva?
Oder an der Tatsache, das sie endlich gegangen war?
Ich musste etwas grinsen, dann stand ich auf, um zur Direktion zu gehen. Es wäre doch gelacht, wenn ich nicht ihre Zimmernummer herausfinden würde...

Eine dreiviertel Stunde später stand ich vor ihren Zimmer, und klopfte. Es war tatsächlich kein Problem gewesen, dem Direktor die Zimmernummer abzuknöpfen, doch der Weg zu ihrem Zimmer gestaltete sich als schwieriger.
Warum ich ausgerechnet zu Ylva wollte?
Ich hatte keine Ahnung. Irgendwie war sie...sie war...ich konnte es einfach nicht beschreiben. Ylva war einfach Ylva, und das konnte ich sagen, obwohl ich sie nicht einmal einen Tag lang kannte. Aber sie war mir so vertraut, als würde ich sie schon ewig kennen.
Nicht die Ylva, die vor der ganzen Klasse stotterte, nicht die Ylva, die mir zweimal im Schulgang begegnet war. Nein, sondern die Ylva, die mir bei den Ordnern geholfen hatte. Die Ylva, die eben bei mir im Zimmer war.
Ein leises „Herein" riss mich aus meine Gedanken, und so trat ich ein. Jedoch blieb ich im Türrahmen stehen, da ich mich hier nicht auskannte, und nicht alles kaputt machen wollte.
Ich hörte ein leises Gähnen, und dann ein Quitschen eines Drehstuhles.
,,Pax? Was machst du denn hier?", fragte eine leise Stimme, welche zu meiner Verwunderung auch etwas rau klang. Hatte sie geweint? Wenn ja warum?
Ich hörte, wie sie aufstand, und zu mir ging. Dann legte sie einen Arm um mich, und zog mich sanft, aber bestimmt in eine Richtung. Etwas zögernd folgte ich ihr, und so landete ich auf dem Bett. Und nein, für alle, die ziemlich falsch denken: Ich meinte damit nicht, das ich mit Ylva geschlafen habe. Warum sollte ich? Hallo? Sind wie hier in einer schlechten Fan-Fiction oder was? Nein, sind wir nicht. Also.
,,Ylva? Darf ich dich was fragen?", meinte ich, ihre vorherige Frage würde sich sowieso mit meiner klären.
Ich vernahm, wie sie leise lachte, und dabei in meine Seite kniff.
,,Machst du Witze, Pax? Natürlich darfst du"
Kurz zögerte ich, es war schon ziemlich privat, und ging mich eigentlich nichts an. Doch dann fasste ich den Entschluss sie einfach zu fragen; Im Grunde genommen war es doch eh egal.
,,Warum hast du geweint, Ylva?"
Kurz darauf zog sie scharf Luft ein, ich spürte, wie sich ihr Arm, welcher immer noch über meiner Schulter lag, verkrampfte.
Was war los?
Was hatte sie?
Was war ihr Geheimnis?
Warum hatte sie geweint?
Frage über Frage, doch keine Antwort...
Und eigentlich war sie mir nicht so egal wie ich am Anfang dachte...

Pax - Schwarz ist keine Farbe [✓]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt