Die Kuppel tat sich quietschend auf. Gleißendes Sonnenlicht bröckelte in das ehemalige Gewächshaus herein. Von Ehrgefühl gepackt, berichtete Silvana, die hiesige Arenaleiterin, dass sie die alten Gewächshäuser erwarb und sie mit Schweiß und Blut in ihre geliebte Arena umgemodelt hatte.
Sie zog Bäume und allerlei Gewächse, die ihr als Grundlage für ihren Kampf dienten. „Pflanzenpokémon sind mein Spezialgebiet und hier fühlen sie sich am wohlsten."
Silvana eskortierte mich zwischen dem dichten Ring an Bäumen durch, die eine Lichtung - das Kampffeld -patronisierten. „Veit hat in der letzten Konferenz von deinen klugen Schachzügen berichtet. Er meinte, wir sollten uns vor dir hüten." Ihre grünen Augen blitzten auf. „Stille Wasser sind tief, oder?"
Sie stemmte die Hände in die Hüften und ihr Cape entfaltete sich zu seiner vollen Größe. „Ich bin auf dich vorbereitet", gab sie kund. „Ich schüttle neue Asse aus dem Ärmel", erwiderte ich kühn. Für mich galt es einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich fand die geraunte Warnung, die durch die Runde ging, überhaupt nicht amüsant. Das würde die Kämpfe kniffeliger gestalten. Vor allem, wenn die Arenaleiter meine Taktiken weiterreichten.
Silvana schleuderte den ersten Pokéball auf das Kampffeld und enthüllte ihre erste Entscheidung. Ein Kikugi. Mein Bamelin baute sich mit einem tiefen Grunzen vor dem Pflanzenpokémon auf. „Tackle!", ergriff Silvana die Initiative, und das zierliche Wesen spurtete auf meinen Partner zu.
Ich beschloss mit Ruckzuckhieb auf eine frontale Verteidigung zu gehen. Bamelin hatte eine dicke Haut. Raue, konventionelle Verteidigungsmethoden lehnte er grundsätzlich ab. Das lag nicht in seiner Natur, eher griff er auf harte Art und Weise an. Kikugi dürfte nach meinen Berechnungen der Attacke keinen Millimeter standhalten können, aber der Gegner pflügte seine kaum sichtbaren, dürren Beinchen in die Erde und rührte sich keinen Zentimeter, als Bamelin über es hinwegfegte.
Auf einen Pfiff der Arenaleiterin scherte sich Kikugi in den Wald weg. Durch die blühenden Blumen und Pflanzen wurde das Pokémon unsichtbar.
Mein Herz pochte. Bamelin hatte seine Fühler weit ausgestreckt und achtete auf jede minimalste Veränderung. „Zauberblatt!"
Links neigten sich die Äste der Bäume mit dem aufwirbelnden Wind. Ihm folgte eine Mischung aus Laub und den rasiermesserscharfen Blättern Kikugis. Bamelin stand zu nahe am Geschehen, um rechtzeitig die Kurve zu kratzen. Der Seitenhieb riss ihn von seinen Füßen.
Kikugi sprang aus seinem Versteck, zurück zu seiner Trainerin. „Pflanzenpokémon sind das beliebteste Fressen bei anderen Pokémon. Deshalb müssen sie sich tarnen. Darin sind diese entzückenden Wesen Experten." „Wasserdüse!", rief ich aus, ohne auf Silvanas Gerede einzugehen. Bamelin umgab sich in einem transparenten Mantel aus Wasser und jagte Kikugi in den Wald hinterher, welches drauf und dran war, dort Schutz zu suchen.
Bamelin trieb es im Zickzack durch das Geäst, ohne Erfolge zu erzielen. Einen frustrierten Laut von sich gebend, landete er wieder bei mir. Bamelin keuchte leise. Der kleine Ausflug kostete ihn Energie. Alles was er erreichte, war das Gelände unter Wasser zu setzen. Ob man damit arbeiten konnte?
In mir staute sich die Hitze an. Nicht, weil die Sonne durch das Glas heizte, sondern weil ich ziemlich machtlos war. „Egelsamen!", befahl Silvana. „Schieß sie mit Aquaknarre in den Wald zurück!" Meine Konter half nur minimal. Bamelin scheute keine Mühen und Kosten und trotzdem klebten Samenkörner an ihm, schlugen Wurzeln, umrankten ihn und zogen ihm mit einem Schlag die Energie ab. Bamelin suhlte sich im Gras, um die Ranken loszuwerden, da überraschte ihn Kikugi erneut mit Tackle. Doch das Pokémon behielt den nassen Untergrund nicht im Kopf und schlitterte durch den Matsch.
Bamelin beförderte das Pokémon mit Wasserdüse und stolzgeschwellter Brust zu Silvana retour. Der Schlamm spritzte in alle Richtungen davon. Auch wenn Wasserattacken nicht das beste Hausmittel gegen Pflanzenpokémon waren, nahm es das kleine Kikugi schwer mit.
„Suche Schutz im Wald, Liebes!" „Nein!", knurrte ich außer mir. Dieses Spielchen spielte ich kein weiteres Mal. „Tränke die Äste mit Aquaknarre!" Ehe das Früchtchen die Äste berühren konnten, tropfte das Wasser von ihnen herab. Kikugi griff nach einem Ast, rutschte ab und fiel in die Büsche unter ihm. Farne bewegten sich und ich sandte Bamelin mit einem Ruckzuckhieb hinterher. „Außerordentlich", tat Silvana ein Kompliment kund. Die Wassertropfen schimmerten im Tageslicht wie kleine Perlen an einem Collier.
„Zauberblatt!" „Ultraschall!" Bamelin machte sich seine angestaute Wut zunutze, trotzte den annäherten Blättern und beförderte das gegnerische Team ins verdiente Aus. Schwer atmet richtete er sich vor mir auf. Bamelin war über und über mit seinem eigen fabrizierten Schlamm besudelt, aber in seinen Augen glänzte Triumph.
„Wasser ist nicht immer des Pflanzenpokémons bester Freund", klagte Silvana und rief ihr besiegtes Kikugi in seinen Pokéball zurück. „Du hast aus deinem Nachteil einen Vorteil geschmiedet. Brillant."
Bamelin löste sich müde gähnend in kleine Partikel auf, die schlürfend im Pokéball verschwanden. Ehe Bamelin von der Bildfläche war, zückte Silvana ihre nächste Wahl. Ein Chelast erschien und scharrte voller Vorfreude mit seinen Füßen. „Das kann ja heiter werden", murmelte ich und entblößte sogleich meine Wahl, Chelast. Das quirlige Kerlchen stapfte durch den Matsch, tat erste Anzeichen, sich genüsslich durch den Matsch zu wälzen, aber ich stoppte ihn mit einem scharfen Blick.
Seine Augen suchten die seines Gegners und plötzlich wirkte er irritiert. Er schüttelte seinen Kopf, erwartete wohl, dass ihm der Gegenspieler imitierte. Regungslos starrte dieser ihn an. „Chelast, das ist nicht dein Spiegelbild, sondern dein Kontrahent. Benimm dich!" Silvana kicherte hinter vorgehaltener Hand.
„Rasierblatt", kam es mir und Silvana wie aus einem Munde. Beide Attacken trafen aufeinander und hoben einander ihre Wirkung auf.
„Biss!" Chelast schnaubte und schoss auf meines zu. „Zieh dich in deinem Panzer zurück!" Die Schale knirschte, als Chelast zubiss. „Rasierblatt!" Die Gegenpartei konnte sich nicht zurückziehen, ohne ein Andenken zu kassieren. „Blättersturm!", eiferte Silvana. „Rasierblatt!" Chelast wurde ein Sturm um die Ohren geweht. Unbeholfen landete mein Pokémon auf seinen Rücken und schien allein nicht mehr auf alle viere zu kommen. Der matschige Boden unter ihm, grub ihm sein eigenes Grab, mit jeder Sekunde, in der er sich bewegte.
Silvana plante ihren nächsten Zug. Tackle, lautete daraufhin der Befehl, die mein Chelast hinnehmen musste. Chelast katapultierte es zu mir zurück, er tat geschickt einen Salto und landete ächzend auf seinem Bauch im Matsch. Sein Panzer war mit Dreck verschmiert. Sein Atem kam in seichten Zügen und mir stand von der Hitze der Schweiß auf der Stirn. Angewidert wischte ich ihn mir weg.
Blindlings parierte die Leiterin jeden militanten Angriff, egal bei welchem Angreifer oder Teammitglied. Sie war mit der Wahl ihrer Attacken nicht zimperlich. „Na?", triezte mich Silvana, die meine Frustration deutlich zu spüren bekam. Mein pflanzenfressendes Wesen hingegen schien seine eigentliche Aufgabe verdusselt zu haben. Quietschvergnügt bastelte er sich mit dem Matsch sein eigenes Abenteuer, und sprang in sämtliche Schlammlachen um ihn. Er meisterte sein kindliches Verhalten mit Bravour.
Für meinen nächsten Zug würde ich mir irgendwann ins Knie schießen, aber seine Kindlichkeit konnte mir zugutekommen. Ich scheute weder Mühen noch Kosten, um ihn von seinen Spielereien zu entwöhnen und jetzt setzte ich Chelast wahrscheinlich wieder an den Start. Tarnung war des Pflanzenpokémons bester Freund, wenn es in der Natur nicht als Fressen enden wollte. Die Waldlandschaft sollte sich nicht nur Silvana zunutze machen.
„Wie wäre es mit einem Ausflug ins Grüne, Chelast?" Verdutzt musterte mich mein Pokémon, ehe Entschlossenheit sein Gesicht streichelte und er vergnügt in die nächsten Büsche hüpfte, die er seit Anbeginn der Runde sehnsüchtig ins Visier genommen hatte. „Das wird dir auch nichts nutzen. Dir eilt zwar dein klein erworbener Ruf voraus, aber darauf würde ich mich nicht auskurieren. Blättersturm, Chelast."
„Versuche in so wenig Zeit wie nur möglich, so viele Sträucher abzuklappern, wie du kannst", gestaltete ich mein Spiel. Bevor der Blättersturm die Gewächse erreichte, raschelte der gegenüberliegende Busch. „Wie konnte er so schnell...?" Silvanas Fassung geriet ins Schwanken. „Rasierblatt!" Aus den unterschiedlichsten Winkeln der Arena feuerten Blätter. Silvanas Chelast war umzingelt und vom eigenen Typ geschlagen. Ein letztes Schnauben stob aus seiner Nase, ehe es die weiße Fahne schwenkte und vom Schiedsrichter kampfunfähig gesprochen wurde.
Mein Partner kam in Zweigen, Schlingen, Efeu und Blättern gekleidet zu mir gesprungen. Übermutig schüttelte es sich, sodass seine Ladung davonflog. „Gut gemacht", lobte ich Chelast. „Du scheinst Spaß gehabt zu haben." „Chelast!"
„Nummer eins und zwei hast du besiegt. Nummer drei ist zäh. Bist du das auch?", erregte Silvana meine Aufmerksamkeit. Ihr Kampfgeist war unschlagbar. „Roserade, Liebes, es ist Zeit zu kämpfen!" Zwischen Sträucher und Bäume begann sich etwas zu rühren und meine Augen weiteten sich in erstaunen, als sich ein dort sitzendes Pokémon rekelte. Trotz der vehementen Kämpfe trug es keinen Kratzer davon.
Tarnung war des Pflanzenpokémons bester Freund, erinnerte ich mich an die weisen Worte. Genau das konnte mir zum Übel werden. Roserade hatte nicht nur meine Pokémon, sondern auch mich studiert. Es würde meine Schwächen nutzen können und mich plätten, wenn ich nicht der Achtung geschoren war.
Ich wechselte prompt zu Staralili. Stärke und Schnelligkeit hatte Staralili zur Genüge in petto. Vielleicht war das meine Trumpfkarte?
Staralili plusterte sein Federnkleid auf. „Flügelschlag", eröffnete ich die finale Runde. „Gifthieb." Roserade lehnte sich weit nach hinten, dass Staralili ihn nur streifte, bedankte sich für den Windhauch mit dem angekündigtem toxischen Schlag. Staralili erhob sich mir nichts dir nichts zurück nach oben.
„Meteorologie", befahl Silvana. Mit Argusaugen verfolgte sie Staralilis Bewegungen. Aus den zarten Röslein an Roserades Armen formte sich feuerrote Kugel, die es Staralili entgegenschleuderte. „Wirbelwind!", entwich es mir rasch. Ein Sturm zog auf, zupfte an Haaren und Kleidern und bremste das Tempo der Meteorologie deutlich. Staralili fiel, rettete sich aber kurz vor dem Aufschlag und erhob sich mit den eigenen Windresten wieder hinauf.
„Ruckzuckhieb!" Fast schon erkannte ich das Abbild meines Pokémons in den glänzenden Augen Roserades und in mir keimte Hoffnung auf. Ein Blitz prunkte mich und Staralili so stark und grell, dass er geblendet die Orientierung verlor und hinter Silvana in die Krone eines Baumes krachte. Zweige brachen und ich hörte meinen Partner ächzen. Roserade hechtete auf den Baum zu. „Gifthieb!" „Ruckzuckhieb! Bleib aber zwischen den Bäumen und führ es in die Irre."
Silvana und ich hörten nur noch die Kampflaute unserer Pokémon. Handeln konnte ich ohne Sicht auf mein Pokémon sowieso nicht gerecht. Ringsum zitterten die Gewächse. Staralili brach über ein Blätterdach heraus. Es hatte ein Auge zugekniffen, ertrug den Schlag des Gegners verwegen. Lichtstreifen umgaben mein Flugpokémon und es stürzte sich mit einem schrillen Pfiff zurück in den Wald.
„Das ist Aero-Ass!" Rocko mischte sich aufgeregt mit ein. Staralili traf. Mit der letzten Attacke kehrte angespannte Stille in die Arena ein. Der Schiedsrichter verkündete das Aus beider kämpfenden Parteien und kürte mich zum Sieger. Ein schmales Lächeln im Gesicht tragend, gratulierte sie mir zum Sieg. „Bevor ich dir feierlich den Orden überreiche, sollten wir nach unseren Pokémon sehen", meinte sie und stapfte zwischen den Bäumen davon, über denen Staralili seine neu erworbene Attacke vollführte.
Erschöpft hüpfte mir Staralili entgegen. Er sah malträtiert aus, bauschte aber stolz geschwollen sein Gefieder auf. „Du kannst unfassbar stolz auf dich sein." Mit seinen letzten Kräften flatterte er auf meine Schulter und nahm an der kleinen Zeremonie teil, in der wir den Waldorden überreicht bekamen.
DU LIEST GERADE
Pokémon - Spuren der Vergangenheit
Fiksi PenggemarMisstrauen. Rückzug. Resignation. Drei Worte, welche Emma ständig durch den Kopf schwirren. Gefangen in ihrem eigenen Irrgarten, verfolgt sie die Spuren ihrer Vergangenheit, in der stillen Hoffnung, endlich auf die Wahrheit zu stoßen. Dabei stolper...