[Spoilerwarnung für alle diejenigen, die die BBC Serie Sherlock noch nicht beendet haben!]
Tanzende Menschen eingehüllt in Kleidern und Anzügen bewegten sich auf der großen Fläche und lauschten der Musik, welche diesem Ort etwas Magisches verlieh. Jeder der Beteiligten war von einer Glückseligkeit begleitet, so als würde es keine Probleme geben und als wäre in dieser Nacht alles perfekt.
Die vielen Augenpaare schauten herüber zu dem Paar, welches in der Mitte des Raumes tanzte. Der Mann und die Frau strahlten wie die Lichter über ihnen und schienen ihr Glück vorerst noch realisieren zu müssen.
Das weiße Kleid und der schicke Anzug verdeutlichten die Besonderheit dieser Nacht. Und so ließen sich auch die Gäste von der Braut und dem Bräutigam mitreißen und genossen das Tanzen, die Gesellschaft, die Musik und das Essen.Mitten in dem Getümmel von strahlenden Menschen konnte man einen Mann ausmachen. Ein stiller Schatten, der starr geradeaus sah und sich nicht regte. Eine Weile ruhten Sherlocks Augen auf dem Paar vor ihm, welches sich zur Musik bewegte und alles um sich herum zu vergessen schien.
Sein Blick wanderte von der Frau zu dem Mann und wieder zurück, während ein leichtes Lächeln über seine Lippen schlich. Noch nie zuvor hatte er seinen Freund John derart glücklich gesehen.Es war nicht das Glücklichsein, das ihn aufsuchte, wenn sie einen Fall gelöst hatten oder sie mal wieder aus einer ernsten Situation mit weniger Schäden herausgekommen waren, als durch ihre Veranlagung zur Dramatik erwartet.
Es war ein Glücklichsein, welches Sherlock womöglich niemals fühlen würde.
Zumal viele behaupteten, dass er gar nichts fühlen konnte. Eine vage Behauptung, welche zwar nicht verneint, aber schließlich auch nie bejaht worden war.Das Lächeln auf Sherlocks Lippen verging so schnell wie es gekommen war. Es würde sich nun einiges ändern. Der Sessel gegenüber dem seinen würde leer bleiben und Johns Besuche würden mit der Zeit womöglich weniger werden. Waren sie denn noch Kollegen? Waren sie weiterhin Freunde? Sherlock mochte keine Fragen ohne Antworten und sollten ihm diese nicht bald gegeben werden, sah er keinen Sinn darin, sich mit diesen Fragen weiterzubeschäftigen.
So schüttelte er leicht seinen Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Doch solange Johns tanzende Gestalt sich unmittelbar vor seinem Auge befand, würden die Fragen wohl nicht aufhören.
So sah Sherlock sich nach einem Ausweg um. Molly.
Eine gute Ablenkung hatte ihm immer schon Molly geboten. Es dauerte nicht lange, da hatte Sherlock sie schon entdeckt. Hohe Schuhe, ein Kleid, Lippenstift, leicht schwankende Bewegungen, ihr Freund.
Sie hatte also bereits einen Tanzpartner und ließ sich offensichtlich nicht mehr von ihm trennen.Sherlocks Augen suchten die Menge nach etwas ab, das ihm eine Beschäftigung bot.
Doch er wusste, dass er fehl am Platz war. Er hatte den Fall gelöst, ganz nebenbei Leben gerettet, seine Aufgabe als Best Men erledigt und Mary und John zu der Kenntnis verholfen, dass Mary in Kürze an Gewicht zunehmen würde, was einem Watson Junior verschuldet war. Er hatte John zu dem sprachlosesten und glücklichsten Menschen gemacht. Seine Arbeit war getan.Schnelles Schrittes lief er durch die Menge, nicht ohne John einen letzten Blick zuzuwerfen. Erneut trafen seine Augen auf den Mann, der ihm so vertraut und wichtig geworden war.
Es würde immer etwas fehlen in seinem Haus. Es würde immer etwas fehlen in den Stunden der Langeweile und des Alleinseins. Nach seinem kurzen Verweilen riss er sich von diesem Anblick los und lief weiter.Allmählich wurde die Musik leiser, die Menschen weniger und die Stimmung gedämpfter. Sherlock nahm seinen Mantel von dem Kleiderständer und verließ das Gebäude. Draußen angekommen erwartete ihn eine frische Nachtluft und Stille.
Es war ruhig bis auf seine Gedanken und die gedämpfte Musik, die bemüht durch die Glasscheiben drang. Glasscheiben, hinter welchen flackernde Lichter tanzten.
Sherlock warf sich den Mantel über, stellte seinen Kragen auf und lief ohne eine Miene zu verziehen den Gang hinunter.So als würde er die Musik und die leisen Stimmen nicht hören. So als würde alles wie immer sein. Und so als hätte er nicht soeben seinen besten und seinen einzigen Freund weiterziehen sehen.
Eine Weile blieb Sherlock stehen und ließ die Luft durch seine Lunge strömen.
Obgleich er sich in diesem Moment wünschte unter der Menge zu sein, sich mit John zur Musik zu bewegen und zu tanzen, stand er eingehüllt in seinem Mantel auf dem Weg und sah starr geradeaus. So war es richtig. So sollte es richtig sein.Zwei Jahre später...
Regen prasselte gegen die Fensterscheibe und untermalte die wunderschöne Musik einer Geige. Sanft strich Sherlock den Streichbogen über die Saiten und entlockte dem Instrument eine eigen erfundene Melodie.
Er stand vor dem Fenster, den Blick in den grauen Himmel gerichtet, während er einfach nur spielte. Seine Gedanken galten nicht dem Instrument oder der Weise, wie es zu bedienen war, vielmehr kreisten sie um etwas, das ihn schon lange Zeit begleitete.Sollte der Fall eintreffen, dass Klienten auftauchten oder Anrufe reinkamen, vergaß er dieses Etwas. Die einzigen Momente, in denen er diesem Gedanken Beachtung schenkte, waren jene, die er mit Geige spielen verbrachte.
Dieses Instrument hatte eine beruhigende, gar meditative Wirkung auf ihn. Und so war es eine Möglichkeit seinen Gedächtnispalast auszusortieren und umzugestalten, ohne dass ihm langweilig wurde.Er hatte des Öfteren komponiert, ohne es als solches zu bezeichnen oder es überhaupt wahrzunehmen. Dieses eine Stück gefiel ihm am meisten, da es nicht wie die anderen aus Langeweile heraus entstanden war. Diese eine Melodie hatte eine größere Bedeutung, größer als sonst eine Musik auf dieser Welt. Doch nicht die Klänge machte es so wertvoll, sondern einzig und allein sein Adressat.
Zusätzlich zu dem Regen und der Musik ertönte plötzlich ein weiteres Geräusch. Sherlock hatte erwartet, dass es kommen würde. Es klang zaghafter als sonst, fast schon schüchtern. Irgendwann verstummten die Schritte.
John musste vorne an der Tür stehen geblieben sein, damit man ihn nicht im Licht des Kamins ausmachen konnte.
Ohne das Geige spielen zu unterbrechen oder den Blick vom Fenster zu nehmen, in welchem sich durch die aufkommende Dunkelheit Sherlocks eigenes Gesicht spiegelte, registrierte er die Tür, welche sich kaum merklich bewegte.Johns Unsicherheit war selbst aus dieser Entfernung zu vernehmen. Sicherlich führte er in diesem Moment seine Hand zu der Tür und schloss sie anschließend zu einer Faust zusammen, da seine Zweifel größer waren, als die Willensstärke.
Es würde nur eine Minute dauern und er würde Johns Schritte erneut hören. Mit dem Unterschied, dass sie schneller waren und bald verhallten.
Gerade als Sherlock erneut den Bogen über die Saiten strich und der schönste Teil dieses Liedes begann, ertönte das erwartete Geräusch. John war gegangen. So lief es nun schon seit mehreren Wochen.War es sonst immer Sherlock gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass John ihn besuchte, öffnete er seinem Gast nicht mehr die Tür. Nein, es waren keine Unsicherheiten. Es war reine Selbstverachtung. John hatte in den letzten zwei Jahren einiges durchgemacht. Er hatte seinen Mut und seine Frau verloren. Und dafür trug Sherlock die alleinige Verantwortung.
Mary hatte ihr Leben für seines gelassen. Rosie hatte ihre Mutter verloren. Und John hatte lange Zeit den Kontakt zu ihm abgebrochen.Solange bis er eines Tages an Sherlocks Tür aufgetaucht war, nur um anschließend auf der Stelle kehrt zu machen. In der Theorie brauchte sich Sherlock nur einmal umdrehen, einmal den Mund auftun, einmal wie früher ihn freundlich empfangen. Doch dies tat er nicht.
John hatte besseres als ihn verdient. Irgendwann würde er diese Tatsache verstehen und akzeptieren. Und dann würde er aufhören sich vorzunehmen in ihre alte gemeinsame Wohnung zu treten. Dann würde er wieder glücklich sein, ohne den Menschen, der seine Frau dem Tod ausgeliefert hatte.
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Only human [Sherlock/John] (German)
Fanfic"Hör auf zu kämpfen, Sherlock. Diesen Kampf kannst du nur verlieren. Letzten Endes sind wir alle nur Menschen... Sogar du!" |Alternative zu Staffel 4 der BBC Netflix Serie Sherlock -> Spoilerwarnung| "When you have eliminated all which is impossible...