Es waren ganze sechs Tage vergangen, ohne dass John erneut den Weg zu Sherlock eingeschlagen hatte. Zusätzlich zu dem schlechten Gewissen, begann Sherlock nun auch noch ein neues Gefühl zu quälen.
Ein Gefühl, welches ihm fremd vorkam und doch mit John in Kombination Sinn ergab. Auf ihn lastete das Gewicht des Vermissens. Er erwischte sich dabei aus dem Fenster zu sehen, an der Tür zu lauschen oder im Zimmer auf und ab zu tigern, in der Hoffnung etwas oder besser gesagt jemand würde ihn unterbrechen.Doch auf jeden kleinen Hoffnungsschimmer folgte Frust. Und das ausgerechnet die einst ordentlich tapezierte Wand daran glauben musste, war nun wirklich nicht verwunderlich.
Schnelle nacheinander folgende Schüsse durchbrachen die Stille des Hauses. Sie hörten sich an wie ein langgezogenes Knallen und hallten in Sherlocks dröhnenden Ohren wider.
Erneut legte er seinen zitternden Zeigefinger auf den Abzug der Pistole und zielte auf den Smiley, der an die Wand gemalt worden war. Das Grinsen dieses gelben Gesichtes ließ die Wut in Sherlock nur noch weiter ansteigen.Mit feindseliger Miene erwiderte er den Blick der Wand und drückte ab. Ein lauter Knall ertönte. Dann war es still. Er senkte die Pistole und schmiss die Waffe schließlich achtlos auf den Boden.
Eine Weile blieb er so stehen, bis er sich irgendwann auf das Sofa fallen ließ und sich durch die zotteligen Locken fuhr.
Kurz hielt er inne, ehe er vorsichtig herüber zu dem leeren Sessel sah.Er konnte förmlich John vor sich sehen, wie er dort saß, Tee trank und Zeitung las, wie seine Miene einem Spiegelbild der Worte vor ihm glich und wie er immer wieder zu Sherlock herübersah, und ihm ein leichtes Lächeln schenkte, da er auch nach der ganzen Zeit immer wieder neu realisierte, was sie für ein Glück hatten, sich gefunden zu haben. Doch nun war da kein Lächeln. Einzig und allein der Staub tanzte in der Luft über dem roten Sessel und verdeutlichte die Vergänglichkeit, die auch vor Sherlock Holmes keinen Halt machte.
Oftmals passierten die bedeutsamsten Dinge unverhofft. Und so war es auch drei Tage später, als Sherlock aus dem Fenster schaute und in seine Gedanken flüchtete.
Seine Konzentration hatte nachgelassen, sein Blick war leerer als gewöhnlich und seine Augen wiesen dunkle Ränder auf.
Der Bart um seinen Mund herum hatte lange keinen Rasierer mehr gesehen und auch seine Haare sahen zottelig und unbeachtet aus.
Sein Morgenmantel hatte den Zeitraum seines Namens längst überschritten und war zur Alltagskleidung geworden. So stand der Mann also vor der Fensterscheibe und schwieg.Einige Zeit passierte nichts. Die Straßen Londons wiesen ihre gewöhnliche Routine auf. Menschen und Autos. Hektik und Leben. Doch dann mischte sich plötzlich unter die Routine jemand, der schon lange nicht mehr als solche in der Baker Street angesehen wurde.
Ein Mann, der in einer Jacke eingewickelt war und welcher sich mit einem unsicheren Gang näherte. Sherlock spürte das Blut in seinen Ohren rauschen. Er spürte es durch seine Adern fließen. Es schien so, als würde soeben neues Leben in sein Körper gepumpt werden.Seine matten Augen ruhten auf der Gestalt, die nun sein Hauseingang erreicht hatte. Noch immer war da der Gedanke, dass John diesen Ort für immer vergessen müsse.
Da war der Gedanke an Mary und an ihren Tod. Der Gedanke, dass er John nicht verdienen würde und er ihm niemals die Tür öffnen dürfte.
Doch da war plötzlich noch etwas, das noch viel stärker war, als die Macht seiner Gedanken. Da war ein Gefühl, tief in ihm drin, das seinen Kopf zum Verstummen brachte und das sich nach Johns Anwesenheit sehnte.John hatte keine Erklärung hierfür, doch als er wie so viele Male die Treppe empor stieg und vor der Tür zum Stehen kam, wusste er, dass er nicht umdrehen würde, ohne ein Blick in das Zimmer zu werfen. Vermutlich war es die Angst. Molly hatte recht behalten. John machte sich Sorgen um den Detektiv.
Und es war seine Verpflichtung als ehemaliger Militärarzt nach ihm zu schauen. Dies linderte nicht die Wut oder was er auch immer gegen Sherlock hegte. Es war nur darauf zurückzuführen, dass er nicht verantworten durfte, dass es zu einem Rückfall seiner Drogensucht kam. Er war nur aus rein medizinischer Sicht hierhergekommen. Das war alles.
DU LIEST GERADE
Only human [Sherlock/John] (German)
Fanfiction"Hör auf zu kämpfen, Sherlock. Diesen Kampf kannst du nur verlieren. Letzten Endes sind wir alle nur Menschen... Sogar du!" |Alternative zu Staffel 4 der BBC Netflix Serie Sherlock -> Spoilerwarnung| "When you have eliminated all which is impossible...