„Warum geht sie denn nicht dran? Ich bin es doch!", rief Sherlock aufgebracht und sah herüber zu dem Timer, welcher ihnen offenbarte, dass ihnen gerade einmal zweieinhalb Minuten blieben. John hatte diese Tatsache ebenfalls bemerkt und starrte mit verschränkten Armen auf Sherlocks Rücken.
„Du gehst doch auch oft nicht an dein Telefon, wenn man dich anruft", stellte er mit einem Hauch von einem Vorwurf fest, der sich jedoch schnell in Anspannung umwandelte.Desto mehr Sekunden vergingen, je mehr erschien dieses erdrückende Gefühl den Raum zu füllen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis jede Ecke davon eingenommen worden war. Ungewissheit konnte etwas Grauenhaftes sein. Vor allem dann, wenn so viel auf dem Spiel stand.
Endlich regte sich Molly und führte ihre Hand zu dem klingelnden Gerät. Erleichtert fuhr sich Sherlock mit beiden Handflächen über den Nasenrücken.
„Hallo Sherlock. Ist es dringend? Mir geht es heute nicht so gut“, durchbrach ihre brüchige Stimme die Stille.
„Ja, es ist wichtig. Sie müssen mir helfen“, sagte Sherlock schnell und fuhr sich hektisch durch die Haare „Fragen Sie bitte nicht warum, aber sagen Sie mir diese Worte“„Welche Worte?“, fragte sie nach und blinzelte die aufkommenden Tränen weg.
Jede Silbe einzeln betonend antworte Sherlock: „Ich liebe dich“
Panik suchte ihn heim, als er bemerkte, dass Molly Anstalten machte das Handy sinken zu lassen.
„Nein, bitte nicht auflegen!“, rief er mit einer aufkommenden Hysterie. „Sagen Sie nur diese Worte für mich… Nur diese drei Worte!“„Warum tun Sie mir das an?“, hauchte Molly kaum merklich in ihr Handy, während sie noch immer mit den Tränen zu kämpfen hatte. „Ich kann das nicht… Ich kann das nicht zu Ihnen sagen“
„Warum sollten Sie das nicht können?“, hakte Sherlock angestrengt nach, während sein Blick zu dem Timer wanderte, der seine Angst weiterhin seinen Herzschlag steuern ließ.„Weil…. Weil ich es weiß“
„Was wissen Sie?“
„Ich weiß, dass Sie nie zuvor einen Menschen so angesehen haben wie ihn“, ihre Stimme begann zu brechen, während eine Träne ihre Wange herunterlief, die sie schnell mit einem ihrer Ärmel beseitigte. „Molly, hören Sie mir bitte zu“, rief Sherlock und atmete tief durch. „Es ist mir wichtig, dass Sie es mir sagen. Sehr wichtig“„Es tut mir leid, Sherlock, aber ich kann es nicht. Hören Sie auf damit, hören zu auf sich zu belügen, hören sie auf zu spielen, sonst werden Sie ihn dieses Mal wirklich verlieren!“, mit diesen Worten legte Molly auf und ließ ihr Handy langsam sinken. Es fand einen Weg auf den Tresen, während ihr ein Schluchzen entwich und sie ihren Handrücken an ihren Mund führte, um sich zu beruhigen.
Zehn. Neun. Erneut klingelte das Handy. Acht. Sie warf einen flüchtigen Blick darauf. Sieben. Sechs. Sie zögerte. Fünf. Vier. Ihr Daumen wanderte zu dem Display. Drei. Zwei. Eins. Sie legte auf.
Sherlock sackte in sich zusammen und verzerrte sein Gesicht, als hätte er soeben einen Schlag abbekommen.
Ein unerträgliches Gefühl machte sich in ihm breit. Er wollte nicht, dass Molly starb. Sie war ihm wichtig geworden. So wichtig, wie es nur sehr wenige Menschen geschafft hatten.„Ich liebe dich“, ertönte urplötzlich eine Stimme hinter ihm.
Langsam wandte er sich von Molly ab und sah zu John, der ihn aus seinen treuen Augen eindringlich ansah. Er stand nun direkt hinter ihm und ließ mit seinem Blick nicht von ihm ab.
„Ist das nur ein Trick?“, flüsterte Sherlock gerade so laut, dass die unsichtbaren Worte Johns Ohr erreichen konnten. „Ist das nur ein Zaubertrick?“Kaum merklich schüttelte John den Kopf, während er sein Kinn zur Brust sinken ließ.
„Es ist rührend, wie ihr eure Freundin beschützen wollt. Allerdings kann ich diese Art von Gefühlen nicht gelten lassen, John Watson“, mischte sich Eurus da ein und schien sich über den schwachen Versuch sehr zu amüsieren.
Einen Moment warf John einen finsteren Blick auf den Bildschirm, ehe er bestimmt hinzufügte: „Ich weiß nicht, was diese Art von Gefühlen umfasst, aber… aber“
Er schluckte. „Ich habe nie aufrichtiger für jemanden empfunden“Sherlock stand wie erstarrt da und konnte keine Reaktion hervorbringen.
„John Watson, auch wenn ich mich...“, fing Eurus anzusagen, als sie von John barsch unterbrochen wurde: „Kann ich verdammt noch mal ausreden?“
An Sherlock gewandt, fügte er in einem sanfteren Tonfall hinzu: „Du hast Mary nicht getötet, Sherlock. Sie hat sich für dich geopfert, weil sie wusste, dass ich dich… dich“Er geriet ins Stocken und hob seine zur Faust geballte Hand, nur um sie anschließend kraftlos wieder sinken zu lassen.
Es schien, als würde jegliche Anspannung mit einem Mal von ihm abfallen.
Mycroft, der schweigend daneben stand und einzig und allein die Worte verfolgte, konnte kaum fassen, was soeben geschah.Er fühlte sich wie im falschen Film, wie in einer falschen Welt. Nie hätte er geglaubt, dass sein Bruder einem Goldfisch so viel Zuneigung schenken würde, dass dieser riskierte, von Sherlock Holmes verletzlich gemacht zu werden.
Schließlich hatte Mycroft geglaubt, dass nur er Sherlock zu schätzen wusste.„Sie hat es immer gewusst, genauso wie ich es gewusst habe. Aber wollte ich Mary nicht hintergehen und habe damit denselben Fehler gemacht, wie du, Sherlock.
Durch die Angst sie zu verletzen, bin ich vor dir und somit auch mir selbst weggelaufen. Ich habe viel zu spät gemerkt, wie du durch mein Handeln derjenige wurdest, der verletzt wurde. So ist es doch, oder? Deine Augen haben es mir so viele Male gesagt“Stille. Es schien als würde ein Schleier auf sie hinab gefallen sein. Ein Schleier, der sie umgab und vollkommen in der Wahrheit einhüllte. Keiner regte sich. Keiner sagte etwas. Selbst Eurus schwieg für einige Zeit. Es war schwer zu deuten, was sich in ihrem Gesicht widerspiegelte. Belustigung? Überraschung? Wut? Neid? Trauer?
„Du hast die Wahrheit noch immer ans Licht gebracht. Also tue es bitte auch jetzt. Lass deine Finger von den verdammten Drogen und höre mit deinem elendigen Selbsthass auf. Man ist nicht schwach, wenn man fühlt. Wann begreifst du das endlich?“
John sah Sherlock beinahe flehend an, als er mit Tränen glitzernden Augen hinzufügte: „Hör auf zu kämpfen, Sherlock. Diesen Kampf kannst du nur verlieren. Letzten Endes sind wir alle nur Menschen… Sogar du!“Sherlock hob seinen Kopf und sah John fest in die Augen. Wieder war da diese Verbindung, die er sich nicht erklären konnte.
Sein Herz hämmerte in seinem Brustkorb. Es war ihm unmöglich seine rasenden Gedanken aus zu sprechen.
Nicht einmal ein Bruchstück dessen, was ihm durch den Kopf ging. So schwieg er und kam langsam einen Schritt auf John zu. Durch die Länge seiner Beine reichte dieser aus, um nur wenige Zentimeter vor ihm stehenzubleiben.Langsam lehnte er seine verschwitzte Stirn gegen Johns. Es war nur eine leichte Berührung und doch hatte sie die Bedeutung einer angenehmen und sicheren Umarmung. Er spürte Johns Atem auf seinem Gesicht. Er war unregelmäßig, warm und vertraut.
„Sei einmal ehrlich zu dir… Ein einziges Mal nur“, flüsterte John und blickte in die blauen Augen Sherlocks.Sie glichen einem Meer aus Gedanken. Mal so stürmisch wie tobende Wellen, dann so gefühlskalt wie zu Eis gefroren und in anderen Momenten doch so warm, als spiegelte sich die untergehende Sonne auf der Wasseroberfläche wider. Er war unberechenbar, genauso wie das Meer. Doch wenn man erst einmal lernte zu schwimmen, konnte man lernen ihn zu verstehen.
„Ich habe Angst“, hauchte Sherlock gegen seine Lippen und schloss für einige Zeit seine Augen.
„Ich auch“ John atmete aus und nahm für einen Moment einzig und allein Sherlocks Stirn wahr, welche sich erschöpft gegen seine lehnte.
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Only human [Sherlock/John] (German)
Fanfiction"Hör auf zu kämpfen, Sherlock. Diesen Kampf kannst du nur verlieren. Letzten Endes sind wir alle nur Menschen... Sogar du!" |Alternative zu Staffel 4 der BBC Netflix Serie Sherlock -> Spoilerwarnung| "When you have eliminated all which is impossible...