Kapitel 12

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(Aaron)

Lustlos stocherte ich in meinem Frühstücksrührei herum. Nachdenklich sirrte ich vor mich hin, meine Gedanken waren tiefer als der Ozean, in dem ich immer weiter nach unten auf den dunklen Grund gezogen wurde.

Erst als mein Vater mit seiner Hand vor meinem Gesicht herumwedelte, schreckte ich hoch. „Hm? Was ist los?" Murmelte ich nachdenklich und schob meinen Teller von mir weg.

Mein Vater seufzte. „Aaron, ist alles in Ordnung bei dir? Du bist seit gestern so schweigsam." Ich hob meinen Blick. „Ja, alles bestens", sagte ich leise. Eindringlich sah mich mein Vater an. „Ich sehe es dir doch an, dass etwas vorgefallen ist. Du weißt, dass du jederzeit mit mir reden kannst, oder?"

Ich haderte mit mir selbst.

Es war albern, dass ich wegen meinem Traum so reagiere. Müsste ich nicht längst damit abgeschlossen haben? Warum beschäftigte mich das nur so?

Ich bemerkte erst, dass ich weinte, als mich mein Vater sanft in den Arm zog. „Sh, schon gut, lass es raus."

„I-ich habe von Leons Tod ge-geträumt", schluchzte ich. Erneut schoss ein schlimmer Schmerz durch meinen Körper und ich kniff krampfhaft meine Augen zusammen, um die aufkommenden Erinnerungen zu verdrängen. „Du weißt, dass dich dieses Ereignis wahrscheinlich nie loslassen wird. Aber du weißt auch, dass Leon nicht gewollt hätte, dass du so leidest. Er hätte gewollt, dass du dich an die schönen Dinge erinnerst und nicht nur an euren letzten gemeinsamen Moment", sagte mein Stiefvater.

Ich nickte stumm und löste mich wieder von ihm. Gezwungen lächelte ich. Warum war ich nur so erbärmlich und konnte nicht ein einziges Mal einen normalen Tag haben, wie jeder andere Mensch auch?

„Geht es wieder?" Fragte er mich und ich nickte. Stumm wischte ich mir mit meinem Hoodie Ärmel die letzten Tränen von meinen Wangen und schaute wieder auf mein Essen. „Tut mir leid, aber ich habe keinen Hunger", meinte ich geknickt. Mein Vater seufzte. „In Ordnung, aber mittags musst du dann aber was essen, versprochen?" Ich nickte nur, denn versprechen konnte ich nichts.

Stumm stand ich auf und ging nach oben in mein Zimmer. Dort setzte ich mich an meinem Schreibtisch und holte meine Zeichensachen aus der Schublade. Stumm fing ich an zu zeichnen und hörte dabei die Musik, welche aus den Boxen meiner Stereoanlange drang.

~

Nach einiger Zeit ging ich wieder nach unten, nur um meinem Vater konzentriert auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzen zu sehen. „Ach Aaron, komm mal her", sagte er als er mich bemerkte. „Was hältst du davon?" Fragte er mich und hielt mir seinen Skizzenblock entgegen, wo eine grobe Abbildung eines Kleides zu sehen war. „Was hältst du davon?" Stumm ließ ich mich neben ihm im Schneidersitz nieder und betrachte die Skizze. Es war ein Kleid, mit einem üppigen Rock, welcher aus überdimensionalen Rosen bestand. Ich legte meinen Kopf leicht schief und kaute auf meiner Unterlippe herum.

„Gib mal den Bleistift her", sagte ich leise. Wortlos gab mein Stiefvater mir den Stief. „Wenn du anstatt dem einseitigen Träger hier", ich deutete auf die genannte Stelle und fing an zu radieren und selbst zu skizzieren. „Gar keinen Träger machst und dem Ausschnitt eine minimale Herzform gibst, wirkt es meiner Meinung nach sehr viel besser."

Ich gab ihm den Block zurück. Mein Stiefvater musterte meinen Vorschlag und nickte. „Du hast recht", sagte er. „Danke dir" „kein Problem."

„Und denk daran, nur ein sehr, sehr blasses Rosa zu verwenden, sodass es eigentlich schon fast grau wirkt", gab ich den Rat. „Ich werde daran denken", lachte er und ich nickte ihm zufrieden zu.

Seufzend stand ich wieder auf und ging in das Musikzimmer. Zu lange war es her, seitdem ich zum letzten Mal auf dem Flügel gespielt hatte.

~

I don't understand you | ᵇᵒʸˣᵇᵒʸ |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt