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Am nächsten Tag war Jesy nicht vor unserem Haus. Fast war ich etwas enttäuscht. Ich hatte mir das alles nur eingebildet. Es gab keine Jesy, keine übernatürliche Gestalten.

Trotzdem konnte ich im Unterricht an nichts anderes denken. Wenn ich mir Jesy nur eingebildet hatte, was war dann mit mir los? War ich schon so alleine, dass mich mir Freunde einbildete?

Ich hörte hinter mir Leigh-Anne und Perrie, die ausnahmsweise weiter vorne sassen, flüstern.

"Und?", fragte Perrie.

"Immer noch das Gleiche."

"Bist du dir wirklich sicher, dass das richtig ist?"

"Natürlich nicht, aber was soll ich sonst machen?"

"Du könntest es jemandem erzählen."

"Hab ich ja schon! Dir!"

Dann war Perrie still. Worüber redeten sie? Was sollte Leigh-Anne erzählen? Was war gleich geblieben?

Eigentlich ging mich das Ganze ja nichts an. Je weniger ich mit Leigh-Anne zu tun hatte, desto besser. Auch wenn das bedeutete, dass ich nie mit Perrie reden würde.

"Jade!"

Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch und sah meine Lehrerin vor mir stehen.

"Während einer Schulstunde solltest du aufpassen, nicht in der Gegend herumträumen", sagte sie zu mir, "nach der Schule hast du eine Stunde Nachsitzen!"

Ich nickte. Zum Glück kamen meine Eltern heute erst später nach Hause, also würden sie nichts bemerken.

Doch obwohl meine Lehrerin mich noch zwei Mal ermahnte, konnte ich mich an diesem Tag auf nichts konzentrieren.

Immer wieder dachte ich an gestern und somit an Jesy. Falls sie existierte, wer oder was war sie?

Konnte wirklich nur ich sie sehen? War das alles nur ein schlechter Scherz, mit dem Leigh-Anne mich lächerlich machen wollte?

Plötzlich bemerkte ich, wie alle ihre Sachen packten. Die Schule war vorbei. Ich wollte auch aufstehen, aber meine Lehrerin hielt mich zurück.

Stimmt, ich musste ja nachsitzen. Das hatte ich ganz vergessen. Alle im Raum bekamen ein Blatt, mit Aufgaben, die man lösen musste.

"Wenn ihr früher damit fertig seid, könnt ihr schon gehen", informierte uns unsere Lehrerin.

Ausser mir waren noch zwei andere Mädchen aus meiner Klasse und ein Junge, den ich nicht kannte da.

Neben mir sass Rachel, mit der ich mich früher nicht schlecht verstanden hatte. Wir kannten uns seit dem Kindergarten, aber in letzter Zeit redeten wir nicht mehr viel miteinander. Eigentlich gar nicht.

Nicht, dass mich das gestört hätte. Rachel war Rachel und ich war ich. Ich musste mich nicht darum kümmern, was sie tat.

Natürlich wurde niemand ganz fertig mit den Aufgaben. Ich glaube nicht, dass überhaupt jemand die Aufgaben machte während der Stunde.

Als wir gehen konnten, versuchte ich, so unbemerkt und schnell wie möglich zu verschwinden, aber ich hörte die Schritte schon hinter mir.

"Wen haben wir denn da?", fragte jemand hinter mir, „Thirlwall lässt sich auch wieder mal blicken."

Langsam drehte ich mich um. Vor mir stand Mike, Leigh-Annes Freund. Captain des Fussballteams der Schule.

Er war natürlich nicht alleine. Hinter ihm standen seine Freunde, deren Namen ich alle nicht kannte.

Mike zog an meinem Rucksack und hielt mich daran fest. Grossartig. Jetzt konnte ich nicht abhauen.

Irgendein Kumpel von Mike, der irgendwas mit Gabe hiess, kickte in mein Schienbein. Ich wäre umgeflogen, wenn Mike nicht meinen Rucksack in der Hand gehabt hätte.

Gabe oder so trat nochmals zu, diesmal fester. Ich musste mich beherrschen, um nicht aufzuquieken wie ein kleines Tier.

Ich weiss, das klingt jetzt lustig formuliert, aber glaubt mir, es war alles andere als lustig.

Irgendwann riss Mike mir den Rucksack vom Rücken und ich stolperte rückwärts.

Ich wäre wahrscheinlich umgefallen, aber irgendwas bremste mich. Ich drehte mich um, aber da war nichts.

Dann sah ich sie. Etwa einen Meter von mir entfernt sass Jesy auf einer Mauer und schaute in unsere Richtung.

Sie stand auf, lächelte mich an und sagte: „Heb deinen Rucksack auf."

Ich war so verblüfft, dass ich es einfach machte. Jesy nahm ihn mir aus der Hand und schneller als ich merkte, was passierte, flog der Rucksack geradewegs in Mikes Gesicht.

Darüber sah dieser nicht sehr erfreut aus und auch seine 'Gang' hatte keine grosse Freude daran.

Ich hob meinen Rucksack vom Boden auf und rannte so schnell ich konnte weg.

Jesy folgte mir. Nach etwa fünfhundert Metern blieben wir stehen und sie sagte: "Das hat Spass gemacht."

"Spass?", erwiderte ich, "Was glaubst du, was jetzt passiert? Mike hasst mich eh schon und jetzt wird es nicht besser werden."

Jesy sah unbeeindruckt aus. "Dann wehr dich doch einfach. So wie eben."

"Das war nicht ich, das warst du", warf ich ein, "und wer sagt denn, dass du nächstes Mal auch da sein wirst?"

Darauf grinste Jesy. "Wer sagt denn, dass ich es nicht sein werde? Ich bin deine gute Fee, Jade. Ich bin immer da, wenn du mich brauchst."

Ich verstand gar nichts mehr. Wo war sie denn heute Morgen gewesen? Nicht hier, auf jeden Fall.

Ich blickte Jesy stumm an. Das mit der guten Fee konnte ich immer noch nicht glauben. Gab es so etwas überhaupt?

Meine Erfahrungen und mein Verstand sagten nein, aber was war Jesy dann? Sie hatte mir doch eben beweisen, dass sie zumindest für Mike unsichtbar war.

Schweigend liefen wir weiter. Ich war in meinen Gedanken versunken und Jesy sagte auch kein Wort.

Als wir vor meinem Haus angekommen waren, drehte sich Jesy zu mir um.

"Brauchst du heute irgendwelche Hilfe mit deinen Hausaufgaben oder einfach nur etwas Gesellschaft? Ich habe immer Zeit."

Ich überlegte kurz und nickte dann lächelnd. "Solange du gut in Physik bist, ja."

Wenn du mich brauchst ~ Jerrie/JadesyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt