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"Eragon?"

Jesy schüttelte den Kopf.

"School for good and evil?"

"Auch nicht."

"Rubinrot?"

"Rubin-was?"

"Egal. Warrior Cats?"

"Nein."

"Hobbit? Herr der Ringe?"

Erneutes Kopfschütteln.

Langsam wurde ich verzweifelter. "Harry Potter?"

"Noch nie gehört. Wer oder was ist das?"

Ich starrte Jesy entgeistert an. "Du kennst Harry Potter nicht? Das kennt doch jeder!"

"Ich nicht."

Noch mehr entgeisterte und verwirrte Blicke von mir.

Jesy drehte sich zu mir um. "Das letzte mal, als ich ein Buch las, war etwa 1900 und es war Sherlock Holmes."

Grinsend holte ich eines meiner Sherlock-Holmes-Bücher hervor. "Davon hab ich auch viele gelesen."

"Ich lese eigentlich gerne", wandte Jesy ein, "aber oft lesen die Menschen, die ich treffe, nicht gerne."

"Dieses Problem hast du mit mir nicht", erwiderte ich und lachte.

Den restlichen Nachmittag waren Jesy und ich in meinem Zimmer und lasen. Ich hatte ihr den ersten Band von Harry Potter gegeben und sie hatte sofort mit lesen begonnen.

Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass Jesy viel besser in Physik war als ich. Dadurch waren wir schon nach kurzer Zeit mit meinen Hausaufgaben fertig.

Irgendwie kamen wir auf das Thema Bücher. Jesy kannte kein einziges Buch, das neuer als hundert Jahre war.

"Etwa dann war ich das letzte Mal auf einer Mission", merkte sie dazu an.

So nannte sie es, wenn sie einem Menschen half, sein Glück zu finden, wie sie es ausdrückte.

War ich für sie auch nur eine Mission? Natürlich. Sie hatte schon tausende Mädchen wie mich getroffen, wieso sollte ich speziell sein?

Als meine Eltern nach Hause kamen, hatte Jesy schon das halbe Buch gelesen. Ich musste mich zurückhalten, nicht alles zu spoilern.

Irgendwann kam Karl in mein Zimmer. Fast hätte ich vergessen, dass er Jesy nicht sehen konnte und sie ihm vorgestellt.

In dem Moment stand Jesy auf und sagte: "Ich glaube ich muss jetzt gehen."

Bevor ich sie fragen konnte, warum und wohin sie ging, oder überhaupt irgendwas fragen konnte, war sie schon weg.

"Wie war's denn heute in der Schule?", wollte Karl wissen.

"Okay."

Er gab nicht auf. "Okay im Sinne von gut okay oder schlecht okay?"

"Gut okay", erwiderte ich.

"Was war denn gut und was war okay?"

So erzählte ich ihm am Ende von meinem ganzen Tag. Jesy und meine Begegnung mit Mike liess ich logischerweise aus.

Ich wollte Karl nicht von Mike erzählen un die Sache mit Jesy hätte er mir sowieso nicht geglaubt.

Manchmal glaubte ich es ja selbst nicht.

Ein wenig misstrauisch war ich immer noch. Eine gute Fee hatte Jesy es genannt. Aber wieso hatte sie sich mich ausgesucht?

Ich war in keinster Weise speziell oder so.

Meine Talente bestanden darin, ein 800 Seiten dickes Buch in einem Nachmittag durchzulesen. Ende. Mehr war da nicht.

Warum dachte ich ständig über sie nach? Klar, sie war eine "gute Fee". Ich hatte noch nie etwas übernatürliches erlebt. Das war ziemlich faszinierend.

Karls Stimme holte mich aus meinen Gedanken. "Bist du sicher, dass alles okay ist? Du wirkst so nachdenklich."

Ich nickte. "Alles in Ordnung. Ich bin nur müde."

"Oh, okay", erwiderte er und ging wieder aus meinem Zimmer.

Auf dem Boden lag noch mein Harry Potter Band eins. Ich nahm es und markierte die Seite, bei der Jesy war, mit einem Lesezeichen.

Dann versuchte ich, einzuschlafen, was ich nach etwa einer Stunde auch endlich schaffte.

Wenn du mich brauchst ~ Jerrie/JadesyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt