Show me the freedom, Leo

Alter Kriegsveteran

Leo fährt vor mir her. Ohne wirklich auf ihn zu achten mustere ich unsere Umgebung. Aus den alten, verfallen Häusern werden hell aufbeleuchtete Clubs und Bars. Die Straßen sind gut ausgebaut und die Fahrzeuge stauen sich.
Es wird immer schwerer für mich, Leo unter der Menge ausfindig zu machen. Dann fahren wir endlich in eine ruhigere Seitenstraße ein.

„Hast du deinen Brief schon geschrieben? Hier kannst du ihn abschicken."

„Ja hab ihn vorhin vor dem Essen fertig gestellt. Bin gleich wieder da."

Der Brief...

Dad... ich bins Belle.
Ich weiß das ist alles ziemlich kompliziert. Und es tut mir leid das ich mich nicht gemeldet habe. Aber es geht mir gut.
Ich weiß ich bin nur eine Last für dich gewesen.
Deine Nachrichten lese ich nicht. Wenn du die Polizei schon geschickt hast um mich zu suchen. Brich es ab...
Ich bin glücklich hier...und Buddha geht es auch gut.
Sag Meadow das ich sie liebe.
Bye

(Ohne Absender)

Ja ich weiß nicht gerade lang und ohne viel Mühe. Aber ich kann nicht mehr schreiben. Zu mehr bin ich einfach nicht in der Lage.
Ich fühle mich ja selbst schlecht.
Schnell gebe ich den Brief ab und trete aus der klingelnden Ladentür.

Dann sehe ich Leo. Er sitzt mit einer Zigarette zwischen den Lippen quer auf seinem Sitz.
So schön sieht er aus...
Meine Distanz zu ihm ist wie weggeblasen und die Gedanken an die Drogen sind verschwunden.
Seine Haare liegen verstrubbelt in seinem Gesicht und der Wind spielt mit ihnen.
Ich hab wirklich einen Narren an ihm gefressen.
Dann fällt sein Blick auf mich. Seine blauen Augen funkeln mich an und schauen mir direkt in die Seele.
Am liebsten würde ich ihm in die Arme fallen.
Mich ganz fest halten.
Nie wieder los lassen.

Auch wenn ich ihn noch nicht lange kenne hat er so viel für mich getan. Er ist der erste Junge der mein Interesse wirklich geweckt hat. All die anderen Jungs in meiner Schule sind kindisch oder peinlich und stellen sich dumm. Aber er hat Charakter, Seele und vor allem ist er loyal. Soweit ich das beurteilen kann. Seine taffe und gefährliche Ader ist einfach verzaubernd.

Er reißt mich aus meinen Gedanken: „Na wie lange willst du da noch wie angewurzelt stehen bleiben?"

Ich antworte ihm völlig verwirrt: „ Ehm... ne natürlich ... ich komme ja schon."

Etwas rot um die Nase spurte ich zu meinem Bike. Schelmisch sieht er mich an und schenkt mir ein schiefes Lächeln.
Dann startet er den Motor. Sein Bike röhrt laut auf und ich tue es ihm gleich.

Wir fahren weiter. Aber wir fahren nicht zurück nachhause, Leo fährt eine andere Strecke.
Ich bin immer noch völlig überfordert von dieser Stadt. Sie ist so voller Leben und Trubel.
Ohne jeden Zweifel folge ich ihm.
Er genießt den Fahrtwind und schließt seine Augen für eine kurze Strecke.
Furchtlos und voller Euphorie öffnet er dann plötzlich seine Arme. Er spürt genau dieselbe Freiheit wie ich, das fühle ich.
Ich fahre auf einer übersichtlichen Strecke direkt neben ihm und schaue zu ihm rüber. Er lacht und dreht das Gas auf.
Ich folge ihm.
Ohne Angst gebe ich Gas. Ich höre auf Nachzudenken. Ich lasse einfach los...
Ich überhole ihn, ich spüre ich bin in diesem Geschwindigkeitsrausch.
Das Adrenalin schießt durch meine Adern und ich vergesse alles um mich herum.
Ich wage einen kurzen Blick in die Rückspiegel.
Leo holt auf... ich werde schneller. Ich weiß mein Baby sieht nicht so aus aber sie ist schneller als man denkt.
Doch dann...
überholt er mich. Mit einer Geschwindigkeit die ich absolut nicht erwartet hätte. Mir fällt es unglaublich schwer Schritt zu halten.
Okay ich gebe mich geschlagen...fürs Erste.

Wir fahren in einen Vorortbezirk der Stadt. Immer weniger Menschen fallen in mein Sichtfeld.
Dann biegt Leo in einen großen Hof ab. Ein Schrottplatz wenn mich nicht alles täuscht.
Ich stelle mich neben ihn.