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Heartley

Die letzten Tage sind die schönsten meines Lebens gewesen. Ich bin jeden Tag neben James eingeschlafen und wieder aufgewacht. Das Wochenende ist vorbei, wir befinden uns auf dem Rückweg zu mir nach Hause.

Am liebsten wäre ich noch länger geblieben, aber ich weiß, dass es nicht nur mich und James gibt, sondern auch meine Eltern. Meine Eltern geben mir so viel Freiraum, obwohl sie wissen, dass die Zeit begrenzt ist und dafür liebe ich sie über alles und doch ist es manchmal einfach nicht genug. Die Zeit vergeht viel zu schnell, die Erlebnisse sind viel zu kurz.

Die Erinnerungen an die letzten Stunden bringen mich zum grinsen. Ich hätte niemals geglaubt, dass sich leben, so wirklich leben, so gut anfühlen kann. Es stimmt, dass der Sinn des Lebens die Liebe ist und das sie alles Geld der Welt übersteigt.

Liebe ist Glück. Liebe ist stärke. Liebe ist Zusammenhalt und Sicherheit. Liebe ist zuhause.
James ist mein Zuhause geworden. Überall wo er ist, bin ich zuhause und fühle mich sicher und geborgen und so etwas in meinem jungen Alter erfahren zu dürfen, ist ein Segen.

Manchmal frage ich mich was wohl wäre, wenn es James nicht geben würde. Ich frage mich ob ich jetzt verbittert und weinend in meinem Bett liegen würde. Ich frage mich, ob ich die letzten Monate so gut überstanden hätte, wie ich es mit ihm habe.

Ja, meine Eltern wären da gewesen. Ja, auch sie lieben mich und doch ist James jetzt meine Familie.
Hätten wir mehr Zeit gehabt, hätten er und ich unsere eigene Familie gegründet und hätte ich gewusst, dass wenn ich irgendwann sterbe, dann glücklich sterben würde.

Ich weiß nicht, ob ich jetzt schon bereit bin zu sagen, dass es okay ist zu gehen, weil ich all das erfahren durfte, was jeder gerne einmal gehabt hätte. Ich weiß nicht, ob wenn ich sterbe, ich sagen kann, dass ich wirklich gelebt habe.

Ich habe gelebt, mit James zusammen, aber viel zu kurz. Es ist, als hätte ich eine Kostprobe von dem bekommen was mich am anderen Ende erwartet hätte, wenn ich es bis dahin geschafft hätte.

Manchmal weiß ich nicht, ob das alles einfach nur grausam und eine Strafe ist, oder die Belohnung, die einfach nur für eine kurze Dauer gedacht gewesen ist. Ist es nicht unfair, dass man die letzten Monate so glücklich gewesen ist, dass man hätte daran sterben können, um dann wirklich zu sterben und all das hier zu verlassen?

Es schnürt mir die Kehle zu an den Tod zu denken. Ich sage mir immer wieder, dass ich keine Angst habe, doch das ist gelogen. Ich habe schreckliche angst. Alleine daran zu denken bringt mich beinahe um.

Nein, Heart, hör auf. Ich schüttle den Kopf und sehe statt in die Ferne aus dem Fenster, um den Gedanken zu entkommen. Überall wo ich hinsehe, sehe ich Schnee. Auf dem Boden, den Bäumen, den Autos. Es schneit seit Tagen, so sehr hat es in den letzten Jahren nicht mehr geschneit.

Das hier ist mein letzter Winter, die letzte Gelegenheit um den Schnee zu betrachten, die Kälte auf meiner Haut zu spüren und das alles hier zu genießen.

James drückt leicht meinen Oberschenkel, ich sehe zu ihm, unser Blick trifft sich. Seine Augen leuchten, als er auf meinen Ring sieht und mein Herz beginnt zu rasen. Seine Lippen verziehen sich zu einem kleinen Lächeln, er beugt sich zu mir und drückt mir einen sanften Kuss auf den Mund.

,,Wie sind da", sagt er leise, als er sich von mir löst.
,,Ich wäre gerne noch länger geblieben" James streicht mir über die Wange. ,,Ich auch, Herzchen, aber ich glaube einen Tag länger und dein Vater hätte Jagd auf mich gemacht"

Kichernd lege ich meine Hand über seine. ,,Ich bin mir sicher, dass meine Mutter ihn fest ketten musste, damit er uns beide gehen lässt"

,,Ich glaube, ich bin ihm an Herz gewachsen, auch wenn er mir jedes Mal die Hände brechen will, wenn ich dich anfasse"

Stay with MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt