Neue Heimat, neues Glück?

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13.3.2020

"So langsam machst du Fortschritte. Deine Brüche heilen sehr gut. Die Therapie schlägt auch gut an. Wenn alles so weiter läuft, dann solltest du bald mit einem Rollstuhl selbständig sein. Wir können dir helfen, deine Wohnung behinderten gerecht einzurichten."  Clarissa lächelt sanft und beendet die Massage. Heute war sie Recht angenehm. Denn allmählich beginne ich wieder meine Zehen zu spüren und die Lehmung scheint zurück zu gehen. Also habe ich die Hoffnung, doch nicht mein Leben lang ein Krüppel zu bleiben. Aber ich kann mich einfach nicht mit dem Wort behindertengerecht anfreunden. Nein, ich will es nicht und ich werde es nicht. Ich werde wieder ganz gesund und dann werde ich wieder auf Partys feiern und mich sinnlos besaufen, wie früher. Allmählich bin ich wieder im vollen Besitz meiner Erinnerungen und weiß nun wieder was ich mit Cat vor ihrem Tod besprochen hatte. Was ich ihr versprach. Genau das will ich halten und bin mit großen Schritten dorthin unterwegs. Grau trage ich nicht mehr. Ich liebe schwarz, rot, lila und blau. Alles was schillert und zu meinem Nagellack und Kajalstift passt. Clarissa hat mir gestern zu meinem Geburtstag sogar ein neues Set zum Schminken geschenkt. Sehr süß von meinem kleinen Biskuit, zumal sie die Einzige war die mir gratulieren kam. Nicht Mal Ragnor hat sich wieder gemeldet. Irgendwie stimmt mich das traurig. Aber er meinte in der letzten Nachricht, die er Clarissa übergeben hatte, es ist besser so. Seine Gefühle sind viel zu stark für mich und er hat Angst daran zu zerbrechen. Deshalb hat er nun den Kontakt völlig abgebrochen und mir sogar meinen Schmuck zurück geschickt, den ich ihm in den letzten Jahren geschenkt hatte. Dabei lag sogar der wunderschöne Krallenring. Wie das Schicksal so seinen Lauf nimmt. Mittlerweile trage ich ihn nun selbst . Ich bekomme es sogar hin, mich selbst anzuziehen und zu schminken. Mein Haar habe ich begonnen wild zu stylen und selbst hier darf der Glitter nicht fehlen.

Es ist heute ein Tag wie jeder andere, denn ich frühstücke, lasse mich von Clarissa massieren und mir auf die Toilette helfen. Hin und wieder benutze ich auch den Rollstuhl, der nun fest in meinem Zimmer steht. Warum eigentlich nicht? Er ist echt praktisch. Ich bin gerade dabei meinen geliebten Eyeliner aufzutragen, da klopfte es an der Tür und Dr. Underhill trat mit seinem üblichen Klemmbrett herein. Er grüßte freundlich und schob sein Brille zurecht. Fragte nach meinem Wohlbefinden und lächelte dann, bevor er mir voller Ermutigung sagte, dass mein Antrag auf Reha bewilligt wurde uns ich erstmal die nächsten 3 Wochen in eine herrliche Gegend , am Strand verbringen durfte. Ich würde dort zügig wieder ganz genesen. Rehasport machen uns sogar schwimmen. Das hörte sich gut an. Endlich hier raus zu kommen war Klasse. Ich kannte nun nach so langer Zeit schon, die Station uns den Park auswendig.

Am späteren Nachmittag verabschiedete ich mich von meinem keinen Rothaar, die leicht traurig schluchzte und mir alles gute wünschte. Kurzerhand steckte sie mir einen diese kleinen japanischen Glücksbringer in die Tasche, während sie mir half den Koffer zu packen. dann war ich endlich soweit. Draußen stieg ich in einen krankenwagen der mich endlich zu meinem neuen Zuhause bringen sollte. Ich war nicht lange unterwegs, doch das Gebäude, das in den letzten Wochen mein Zuhause war, rückte in weite Entfernung. Wir fuhren eine Weile und kamen am früheren Abend erst an einem riesen Gebäude an, das mehr wie ein Schloss oder so aussah. Aber war es nun wieder so was wie ein Krankenhaus. Ein Rehabilitationszentrum im sonnigen
Edam. Es ist sogar noch warm als ich ankomme. Ein junger Mann hilft mir mit meinem Koffer, der zum Glück Räder hat und wir bringen mich hinein. Mein Zimmer sieht anders aus. Fast ein wenig freundlich, beinahe wie eine Einzimmerwohnung. Das ganze hat mich doch nun sehr müde gemacht und ich entschuldige mich bei dem jungen Mann, dass ich mich ausruhen will. Das Bett ist das gleiche wie in Krankenhaus. Also komme ich damit zurecht. Das Bad ist ähnlich eingerichtet, also ist das auch kein Problem. Was mich glücklich stimmt, ist der wunderschöne kleine Balkon oder eher Terrasse, die zum Strand führt. Der Boden hier ist mit feinem hellen braunen Laminat ausgelegt und die Wände tragen ein strahlendes gelb mit schönen Bilder von Van Gogh. Ja, hier könnte man es echt eine Weile aushalten. Geplant sind 3-6 Wochen. Dann will Dr. Underhill writer schauen.  Müde lege ich mich in meiner Joggingshose, ich wählte sie vor der Abreise, ins Bett und schlief gleich ein. Das Abendessen war zweitrangig.

15.3.2020

Hier scheint die Sonne bereits früher in mein Zimmer und erhellt es mit seinem gleißenden Gold, in das ich mich wahnsinnig verliebt habe. Ich genieße die Wärme, während ich in meinem Rollstuhl sitze und auf der Terrasse mein Frühstück genieße. In den letzten zwei Tagen meiner Anwesenheit wurde mir das Notwendigste gezeigt. Ab heute fange ich mit der ersten Ergotherapie an. Ein wenig mulmig ist mir bei dem Gedanken schon, da gleich der Gibs abkommt und ich mein Bein wieder lernen muss zu benutzen. Meine Zehen kann ich wieder bewegen und auch meinen Oberschenkel anheben. Aber ich weiß nicht ob er schon stark genug ist, wieder zu laufen. Nach dem Frühstück fahre ich wieder ins Zimmer, verrichte meine Notdurft und warte bis der Stationsarzt kommt. Es ist ein recht sympathischer junger Mann mit kurzem blonden Haar. Er sieht sympathisch aus, was wohl an seinen zweifarbigen Augen liegt. Bernstein trifft auf grün. Seltsame Kreuzung, aber sie passt zu seinen blonden Haaren. Er reicht mir ruhig die Hand und stellt sich lächelnd vor. "Mein Name ist Dr. Jonathan Christopher Morgenstern. Nennen Sie mich bitte Dr. Morgenstern oder einfach nur Jonathan. Das macht das alles hier ein wenig...nun ja... häuslicher. Ich bin der leitende Arzt für  Anliegen wie das Ihre und stelle Ihnen gleich Ihren Physiotherapeuten vor." Jonathan? Der Name klingt freundlich, genauso wie sein Äußeres. Vielleicht wird es hier ja endlich besser. Denn immerhin bin ich hier um wieder kaufen zu lernen. Endlich wieder im Leben anzukommen. Da kann es nur noch besser werden.

"Ich bin Magnus. Naja.. weshalb ich hier bin müssten Sie ja wissen. Dann würde ich Mal sagen., naja... auf gute Zusammenarbeit Dr. Morgenstern." Meine Stimme ist ebenso ruhig wie seine und ich reiche ihm die Hand. Sie ist fest und rauh. Ganz anders als sie sanfte Art von meinem kleinen Biskuit. Sie wurden gut zusammenpassen. Herrje.  Was denke ich denn da? Innerlich muss ich lachen und höre mich allen Ernstes die Frage stellen ob er denn Single ist. Verlegen sieht Jonathan mich an und kratzt sich am Hinterkopf. "Nun ja...ja..ich bin zwar single. Aber ich muss Sie leider entschuldigen ...ich bin wohl nicht der Richtige für Sie. Also, ich wollte sagen, dass ich nicht auf Männer stehe", entschuldigt er sich peinlich berührt und ich schüttel eilig den Kopf. Erst jetzt wird mir klar, was ich gefragt habe und auch mir ist es peinlich. "nein...also..ich meine...ich habe eine Freundin, sie ..würde so herrlich zu Ihnen passen. Aber...Verzeihung...ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten." In Jonathans' Augen spiegelt sich Erleichterung. "Ah.  So ist das. . Nun, wenn sie denn hübsch ist, dann lassen Sie mir gerne Mal ihre Nummer da", lächelt er und nickt, bevor er in seine Akte blickt. "Ah, für heute werde ich Sie nun alleine lassen. Ihr Physiotherapeut wird gleich da sein. Machen Sie langsam und verausgaben Sie sich nicht. In ein paar Tagen sehe ich wieder nach Ihnen" Mit diesen Worten geht er und lässt die Tür auf, durch die im nächsten Moment der Traum meines Lebens schreitet. Ich sage schwer die Luft ein und spüre wie mein Herz verkrampft. Der Mann mit den schönsten schwarzen Haaren der Welt reicht mir die Hand und stellt sich so vor, als hätten wir uns noch nie gesehen. "Guten Tag, mein Name ist Dr. Gideon Lightwood. Ich bin ab heute Ihr neuer Physiotherapeut."

Wenn mich mein Gehirn fickt!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt