15 - If you

553 42 35
                                    

Ich habe mal einen Jungen gekannt.

Das einprägendste, an das ich mich erinnern kann, war sein Lächeln. Sinnliche Lippen, meistens mit einem zarten rosanen Hauch des Lippglosses, den er so gerne trug, umrahmten sein strahlend weißes Lächeln. Zu winzig schmalen Schlitzen formten sich seine tiefbraunen Augen, wenn er aus tiefsten Herzen lachte. Die markelose, weiche Haut, eine wohlgeformte Nase und die dunklen, vollen Augenbrauen rundeten das Gesamtbild nahezu perfekt ab. Insbesondere dann, wenn ihm seine, zu seinen sanften Haselnussbraun aufblondierten, Haare verwegen ins Gesicht fielen.

Wie oft hatte ich mich von seinem herzerwärmenden Lachen anstecken lassen? Wie oft hatten wir stundenlang beisammen gesessen und uns den vom Lachen schmerzenden Bauch gehalten?

Und dann hatten wir manchmal aus heiterem Himmel über die tiefsinnigsten Themen philosophiert. Nicht selten gingen diese bis weit in die Nacht, doch mit ihm schien die Zeit immer ein nebensächliches Kontrukt zu sein. Unbedeutend.

Ich kann es noch immer nicht begreifen, dass all dies nur noch Erinnerungen sein sollen, die mit den Jahren immer mehr verlassen würden, ehe ich mich seinem Lachen gar nicht mehr entsinnen könnte.

~♡~

Jungkook saß wie jedes Jahr am Küchentisch seiner viel zu kleinen Wohnung. Und wie jedes Jahr hatte er das schönste Briefpapier besorgt, dass er im naheliegenden Einkaufszentrum finden konnte, um seinen Weihnachtswunsch fein säuberlich darauf zu schreiben.

☆○☆○☆○☆○☆

Lieber Weihnachtsmann,

Ich muss wohl nicht mehr viel sagen...
Du kennst mich ja bereits von den letzten Jahren.

Ich wünsche mir nichts, was ich nicht wirklich brauche. Ich will kein Auto, kein Geldsegen, keine neue Wohnung oder irgendein Küchengerät.

Es gibt nur eins, das ich mir wünsche. Wie jedes Jahr.

Ich möchte ihn wieder sehen. Kim Taehyung.

Mit lieben Gruß
und in alljährlicher Hoffnung

Jungkook.

☆○☆○☆○☆○☆

Schmunzelnd sah er sich den fertig geschriebenen Brief an. Wie erbärmlich es doch war mit seinen 22 Jahren noch immer einen Wunschzettel zu schreiben. Natürlich hatte er schon lange nicht mehr daran geglaubt, dass es irgendwo am fernen Nordpol wirklich einen alten, dicken Mann gab, eingehüllt in rotem Satin, der die ganze Welt in einer Nacht mit Geschenken beglückte.

Leider war es der einzige Strohhalm, an den er sich noch verzweifelt klammern konnte. 
Alles andere hatte er bereits versucht. Er fand ihn weder online, dabei war er alle denkbaren Onlineforen durchgegangen, noch in einem Telefonverzeichnis oder über alte, gemeinsame Freunde. Nicht mal das zuständige Gemeindehaus hatte ihm Auskunft erteilen können. Es war als wäre er damals, vor sechs Jahren, einfach spurlos verschwunden.

"Als ob das irgendwas bringen würde...", schnaufte der Zweiundzwanzigjährige, ehe er den Brief nahm, den er vorher so mühevoll verfasst hatte, und zusammengeknüllt in den Papiermüll warf.

Er hatte nun wirklich wichtigeres zu tun, als sich seiner dämlichen Wünsche hinzugeben. Das Weihnachtsfest vorbereiten zum Beispiel. Wenn seine Eltern her kamen und es würde noch immer aussehen, als habe man die Wohnung bereits zum Abriss freigegeben, dann würde er sich den gesamten Abend eine Predigt anhören dürfen, wie enttäuscht sie von ihrem einzigen Sohn doch waren. Außerdem fehlte ihm noch immer ein Weihnachtsgeschenk...!

𝑇𝑎𝑒𝑘𝑜𝑜𝑘 𝑂𝑆 𝑆𝑎𝑚𝑚𝑙𝑢𝑛𝑔 | 𝘼𝙙𝙫𝙚𝙣𝙩𝙨𝙠𝙖𝙡𝙚𝙣𝙙𝙚𝙧 𝟮𝟬𝟭𝟵Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt