17. Kapitel

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Harrys Pov

Bereits am Nachmittag hatte ich mit der Sekretärin von Mr. Davies einen Termin vereinbart, der drei Tage später stattfinden sollte. Die Kanzlei befand sich mitten in der Innenstadt und war modern, aber trotzdem gemütlich, eingerichtet. Neben Mr. Davies waren dort noch drei weitere Anwälte tätig. 

Nach einer kurzen Begrüßung hatte ich im Büro von Mr. Davies auf einem Ledersessel Platz genommen. Der Anwalt saß auf seinem Schreibtischstuhl, wodurch sich der Schreibtisch zwischen uns befand. Auf diesem lag die Verhandlungsakte von Louis, sowie ein Notizblock, den Mr. Davies soeben mit dem aktuellen Datum beschriftet hatte. 

  "Sind Sie bereit?", versicherte sich der junge Mann, was ich mit einem Nicken bestätigte. "Wenn es Ihnen zu viel wird, können wir das Gespräch jederzeit unterbrechen. Ich möchte Sie zu nichts zwingen und diesen Raum werden keine Informationen verlassen, die Sie nicht freigeben möchten. Sie bestimmen also, was Sie nur mir als Hintergrundinformation erzählen und was ich tatsächlich in der Verhandlung nutzen darf." Erneut nickte ich."In Ordnung. Erzählen Sie mir doch bitte zunächst, wie das Ganze aus Ihrer Sicht abgelaufen ist." Während ich Mr. Davies die komplette Geschichte erzählte, machte er sich auf seinem Block einige Notizen. 

  "Wie oft und in welcher Form hat Mr. Tomlinson Sie verletzt?", begann er mit seinen Nachfragen. Ich zögerte. "Sie erzählen nur, was Sie erzählen möchten. Aber ich würde Sie bitten, wenn Sie sich dazu entscheiden, etwas zu erzählen, dann lediglich die Wahrheit. Ich muss mich auf Ihre Worte verlassen können. Sagen Sie mir lieber, dass Sie eine Frage nicht beantworten möchten als mich zu belügen. Ich möchte Sie aber auch nochmal dran erinnern, dass ich Mr. Tomlinson helfen möchte. Egal was Sie sagen, ich werde es nicht gegen Mr. Tomlinson verwenden."

  "Die K.O. Tropfen, eine Schnittverletzung am Bauch, einige Male grob angefasst und einmal bewusslos geschlagen", zählte ich auf. 

  "Warum möchten Sie ihm trotzdem helfen?"

  "Weil ich weiß, dass er anders sein kann ... ich durfte schon mehrfach seine gute Seite kennenlernen."

  "Können Sie mir sagen, was das zwischen Ihnen ist?" 

  "Nicht so wirklich. Eigentlich kann man es nichtmal als Freundschaft bezeichnen, mehr eine Bekanntschaft, doch gleichzeitig ist es auch viel mehr. So richtig kennen wir uns ja gar nicht, was bei dem Chaos ja auch schwierig war, aber trotzdem fühle ich mich irgendwie mit ihm verbunden. Es soll Louis gut gehen und ich würde mir wünschen, den wahren Louis noch weiter kennenzulernen ... auch um herauszufinden, was das zwischen uns ist."

  "Vertrauen Sie ihm?"

  "Würde ich gerne, aber leider kann ich es nicht. Die Krankheit macht es unmöglich."

  "Haben Sie schon mal einen Wechsel der Charaktere ganz bewusst mitbekommen?"

  "Ja, meistens gab es irgendeinen Auslöser für den Wechsel. Bei einem Schrei kam sein Böses-Ich zum Vorschein, während sein Wahres-Ich schon mal zurück kam, als mir eine Tasse herunter gefallen war. Der Wechsel von Gut zu Böse scheint viel schneller zu gehen. Wenn er jedoch von Böse zu Gut wechselt, scheint Louis immer einige Sekunden neben der Spur zu stehen." 

  "Und Louis weiß davon?"

  "Ja, ihm ist auch bewusst, dass sein Böses-Ich mordet, kann sich an die Taten aber nicht erinnern, sondern weiß es nur, weil er das Blut sieht und irgendwann mal ein paar Notizen von sich selbst über die Morde gefunden hat. Er wollte das Ganze beenden und hat wohl schon mehrfach versucht, sich selbst anzuzeigen, doch kam es nie dazu, weil er vorher die Kontrolle verloren hat. Sein Böses-Ich scheint mächtiger zu sein oder kann zumindest schneller die Führung an sich reißen."

  "Aber beiden Seiten können sich nicht dran erinnern, was die jeweilige Andere tut, richtig?"

  "Ich vermute es, aber bezweifle, dass der böse Louis es einfach so zugeben würde. Das Problem ist auch, dass er mich schon getäuscht hat. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich tatsächlich den richtigen Louis vor mir habe oder seine böse Seite mich nur reinlegt. Das macht es so verdammt schwer, ihm zu vertrauen."

  "Andere Betroffene haben erzählt, dass Mr. Tomlinson ohne mit der Wimpern zu zucken getötet hat und das teilweise einfach nur aus Langeweile. Hat er mal versucht Sie zu töten?"

  "Er hat es mir einige mal angedroht, aber einen ernstgemeinten Versuch gab es nie."

  "Also besteht Ihre Verbindung vermutlich auch mit der bösen Seite, auch wenn sich diese anders zeigt. Irgendwas hat Mr. Tomlinson immer dran gehindert Sie zu töten. Im Vergleich zu den anderen Betroffenen sind Sie von den Verletzungen her sogar sehr gut davon gekommen. Haben Sie meinen Mandaten in dem Haus nicht viel gesehen?"

  "Doch, eigentlich schon. Er hatte mich auch mal beim Lügen erwischt oder beim Versuch, ihn unauffällig von einem Mord abzuhalten. Allgemein habe ich vermutlich die ein oder andere Grenze überschritten, weswegen er auch laut geworden ist, ich vielleicht mal eine, für seine Verhältnisse, kleine Verletzung kassiert habe, aber es gab nie einen richtigen Mordversuch."

  "Er hat Sie allgemein anders behandelt, richtig?"

  "Ja, die Anderen waren alle unten im Keller und ich im Obergeschoss. Zwischendurch hatte er mich auch mit ins Dachgeschoss genommen, wo sein eigener Wohnbereich ist. Auch in der Küche, im Badezimmer, sowie auf der Terrasse war ich ... Halt nur immer in Louis Begleitung."

  "Würden Sie das, was wir gerade besprochen haben, so auch vor Gericht aussagen?" Ich nickte. "Sehr gut. Ms. Tomlinson wird ebenfalls aussagen. Zwar hat sie nichts von all dem im Haus mitbekommen, aber kann sie über ihren Bruder an sich etwas sagen."

  "Haben Sie schon viel mit ihr gesprochen?"

  "Ja, schon."

  "Hat sie irgendwas erwähnt, dass Louis ihr auch wehgetan oder sie irgendwie verängstigt hat?"

  "Das habe ich Ms. Tomlinson natürlich auch gefragt, aber laut ihrer Aussage, ist nie irgendwas in dieser Richtung vorgefallen. Er war wohl immer ihr großer Bruder, der für sie alles getan hätte, damit es ihr gut geht. In den letzten Monaten hat er sich etwas zurückgezogen und wurde vergesslicher, aber in keinerlei weise ihr oder allgemein der Familie gegenüber aggressiv. Entweder hatte die gute Seite bei den Begegnungen immer die Kontrolle oder die böse Seite hatte keinerlei  Interesse daran, seiner eigenen Familie etwas anzutun."

  "Wie geht es Louis?", erkundigte ich mich nach einigen Sekung schweigen. 

  "Davon können Sie sich, wenn Sie möchten, morgen selbst ein Bild machen." Mit großen Augen sah ich den Anwalt an. 

  "Ich darf zu ihm?"

  "Ja, das Besuchsverbot ist zwar nicht aufgehoben, aber zählt nicht für Anwälte, da Gerichtsverhandlungen ja vorbereitet, sowie besprochen werden müssen. Unter diesen Vorwand habe ich einen Termin beim Gefängnis vereinbart und auch eintragen lassen, dass Sie mich begleiten werde. Die Gefängniswärter werden nicht mit im Raum sein. Ich würde jedoch gerne zumindest am Anfang dabei sein, um sicher zu gehen, dass ein guter Tag ist. Zu Ihrer Sicherheit werden Sie mit einem Pieper ausgestattet, dass wenn etwas passieren sollte, Sie einen Alarm auslösen können, was Sie dann auch tun sollten. Ein versuchter Angriff würde Mr. Tomlinson weniger schaden, als wenn er es tatsächlich irgendwie schaffen sollte Sie zu töten oder ernsthaft zu verletzen." Verstehend nickte ich. 

Mr. Davies und ich besprachen noch die letzten Details für den Termin im Gefängnis, dann machte ich mich auf den Heimweg, wo ich aufgrund der Tatsache, dass ich Louis endlich wiedersehen durfte, eine unruhige Nacht verbrachte. 

Lieb mich, du Psycho [Larry]Where stories live. Discover now