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Tag 26

Zum ersten mal bekam ich ein Wohnzimmer zu sehen. Und ich dachte, dass ich in irgendeinem wohnlosen Gebäude gefangen bin.

,,Die Gardinen bleiben unten. Wenn ich dich erwische, wie du sie hochziehst oder irgendwie versuchst hindurchzusehen, dann.. dann siehst du schon noch früh genug was passiert." Ich sehe kurz von Elisabeth weg zu den Fenstern.

Ich weiß nichtmal ob es Tag oder Nacht ist. Ich bin rund um die Uhr in abgedunkelten Räumen, die mit Glühbirnen beleuchtet werden.

,,Du schaust zu mir wenn ich rede!" ,werde ich angeschrien und zucke zusammen. ,,Sei kein Weichei!" Wieder zucke ich. Ich rechne damit, dass ich jetzt geschlagen werde oder sonst was passiert, aber ich werde nicht mal berührt.

Ich öffne langsam meine Augen und sehe Elisabeth, wie sie mit verschränkten Armen vor mir steht. ,,Hast du mich verstanden?" Was genau meint sie jetzt? Dass ich sie anschauen soll oder dass ich kein Weichei sein soll? Egal was, ich nicke.

,,Ob du mich verstanden hast?!" Sie schlägt mir ins Gesicht und ich schaue zur Seite. ,,Ja." ,sage ich leise. Wohl etwas zu leise, denn sie schlägt mich nochmal. ,,Ja." ,formuliere ich jetzt mit mehr Kraft in der Stimme und sie antwortet mit einem, ,,Gut."

Eric kommt ins Zimmer gelaufen und stellt einen Putzwagen ab. Martinus die neue Putzfee darf ich mich ab heute selber nennen und gehe mit gesenkten Schultern zum Wagen.

,,Alles?" ,frage ich. ,,Alles. Wenn ich am Schluss nur etwas sehe, was nicht sauber gemacht wurde, dann kannst du was erleben." Hab ich nicht schon genug erlebt?

...

,,Teppich gesaugt?"
,,Ja."
,,Couch gesaugt?"
,,Ja."
,,Regale gewischt?"
,,Ja."
,,Glasvitrine gewischt?"
,,Ja."
,,Glasskulpturen poliert?"
,,Ja."
,,Bücher entstaubt?"
,,Ja."
,,Kissen gepolstert?"
Scheint so, als würde sie nach irgendwas suchen, was ich nicht gemacht hab.
,,Ja."

Dabei stand sie die ganzen Stunden dicht hinter mir und hat jede einzelne meiner Bewegungen kontrolliert.

Sie geht hinter mich und ich drehe mich zu ihr. Mit ihrem Gesicht geht sie so nah an die ganzen Möbel ran, dass man glatt denken könnte, dass kein Blatt zwischen sie und die ganzen Gegenständen, an denen sie vorbeigeht, passt.

Solange sie nicht hinschaut geht mein Blick zum Fenster. Und wenn ich mich nicht irre ist dieser kleine weiße Punkt, den ich da sehe, Sonnenschein. Auf jeden Fall glitzert er und ich muss leicht lächeln.

,,Gunnarsen!" Panisch schaue ich vom Fenster wieder zu ihr und ihr Blick klebt an der Glasvitrine. Ich laufe zu ihr und versuche mich auf den Punkt zu fixieren, auf den auch sie schaut. ,,Ist das dein ernst?" Ich hab Angst falsch zu antworten. Aber irgendwas muss ich ja sagen. ,,Was genau?" ,,Komm mal näher." Ich beuge meinen Kopf zu ihrem. Darauf spüre ich ihre Hand an meinem Ohr und sie klatscht meinen Kopf gegen das Glas. ,,Ist das dein ernst?!" Ich sehe nichts! Was will sie bitte?

,,Fingerabdrücke?" Dieses Mädchen hat entweder Augen wie ein Adler oder verarscht mich gerade, denn ich sehe immer noch nichts. Ich höre, wie sie sich Rotze aus der Kehle zieht und gleich darauf spüre ich es an meiner Wange. Ew!

,,Mach das ordentlich sauber!" Ihre Hand nimmt sie von meinem Ohr. Ein kleiner Teil der Rotze ist auch auf die Glastür gekommen. Aber der Großteil fließt gerade meine Wange Richtung Boden. Mit dem Handrücken wische ich es ab, weil ich den Teppich nicht auch noch entrotzen will.

~

Ich betrachte meinen liken Unterarm, als ich höre wie die Tür geöffnet wird. Und wer hätte es gedacht? Es ist Elisabeth. Ich schaue sie nicht an. Ich betrachte lieber weiter die schönen Buchstaben, die sie mir vor nicht all zu langer Zeit selbstgemacht hat. Bestimmt hatte sie das von einem DoItYourself von YouTube. Hure.

So schnell wie sie gekommen war, ist sie auch wieder gegangen. Ich bleibe aber weiterhin auf dem Bett sitzen, denn auf diese mickrige Brotscheibe habe ich gerade kein Appetit.

Ich fange an zu halluzinieren. Es riecht plötzlich nach etwas gebratenem. Irgendein Fleisch. Ich rieche weiter und hoffe, dass dieser Geruch nie wieder verschwindet. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und ich fühle mich wie im Paradies.

Ich muss mir das alles aus dem Kopf schaffen! Sonst breche ich noch am Schluss zusammen wegen irgendwelchen himmlischen Vorstellung.

Ich stehe auf und will ein paar Runden durch den Raum laufen, als mein Blick zum Tisch fällt. Ich rieche es nicht nur, ich sehe es auch! Auf was für einem Drogenrausch bin ich bitte?

Ich laufe näher zum Teller und strecke einen Finger aus. Ich kann es sogar anfassen! Das heißt ich träume garnicht! Es steht tatsächlich Ente mit Reis vor mir. Naja, Das Stück Entenfleisch ist so groß wie mein Zeigefinger und Reis ist auch weniger als eine Hand voll, dass ich die einzelnen Reiskörner auch zählen könnte und nie im Leben auf 100 kommen würde, aber das ist was! Mehr als ich mir in letzter Zeit nur erträumen könnte.

Alles zusammen verschwindet in meinem Mund und ich kaue solange, bis alles zum ekeligen Brei wird. Der Geschmack bleibt ja eh erhalten.

Oh man. Womit hab ich nur so eine Freundlichkeit ihrer Seits verdient?

Satt lasse ich mich wieder auf das Bett fallen und lecke alles von meinen Fingern, was es nur abzulecken gibt.

«Dank Sabine hab ich heute Schulfrei🌪. ⭐️»

1477 Tage | 𝗆𝖺𝗋𝗍𝗂𝗇𝗎𝗌Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt