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Tag 23

Ich merke bereits, dass mein Hungergefühl sich langsam aber sicher verändert. Mit den zwei Scheiben Brot, die ich gefühlt nur jeden dritten Tag kriege, komme ich gut aus. Meistens zumindest.

Auch bin ich einen schlauen Schachzug gegangen. Die Idioten hier, die mein Zimmer eingerichtet haben, haben nicht bedacht, dass ich hier sauberes Harnwasser hab. Dementsprechend muss ich mir keine Sorgen machen zu verdursten.

~

,,Elisabeth?" ,,Gunnarsen?" ,,Hör auf mich Gunnarsen zu nennen."

Ich komme wieder auf den Punkt. ,,Wie lange wollt ihr mich hier eigentlich noch festhalten?" Sie lacht. ,,Du kannst dir die Frage selber beantworten." Nein kann ich nicht.

,,Mach dich fertig." Für was? Ich schaue sie nur fragend an. Sie öffnet die Tür und wartet darauf, dass ich durch sie hindurchlaufe.

,,Wohin soll ich gehen?" ,sage ich auf dem Gang und laufe voraus. ,,Renn nicht." Ich bleibe stehen und warte bis sie neben mir ist.

,,Also, wohin gehen wir?" ,,Haare schneiden." Jetzt schon? Es kommt mir so rüber als hätte ich sie erst vor kurzem geschnitten bekommen.

In diesem kleinen Raum setze ich mich wie letztes mal auf den unbequemen Stuhl und ein Mann läuft rein.

,,Kann ich bitte nicht festgemacht werden? Alleine weil-" Durch das Geraschel des Typen komme ich von meinem Satz. ,,Allein weil-" ,,Hände auf die Armlehnen!" ,,Allein weil-" ,setze ich schon zum dritten mal an und Elisabeth hilft mir.

Sie hält einen Finger in die Höhe und einen an ihre Lippen. Im Sinne von sei mal kurz still und lass den Spasten ausreden.

,,Allein weil es mir egal ist, ob meine Haare abkommen oder nicht." Der Mann greift mein Handgelenk und drückt es selber an die Lehne.

,,Eric! Lass ihn." ,,Eli, aber-" ,,Nichts aber! Ich hab gesagt, dass du ihn lassen sollst." Schuldig hält er die Arme in die Höhe und lässt mich los.

Wenn sie schon ab waren, dann ist es mir ja egal, ob sie wieder kürzer gemacht werden.

...

An meinem Ohr brummt es, und trotzdem bin ich so dumm und fange ein Gespräch an. ,,Eric also." Er sagt nichts. ,,Martinus." ,stelle ich mich selber vor und er lacht. ,,Ach echt." Krass! Ich hab ihn zum Lachen gebracht.

~

Ich hab mich erst hingelegt, als ein weiterer Eric reinkommt. Es ist zwar nicht Eric aber die sehen ja eh alle gleich aus hier.

Stumm stellt er einen Eimer und einen Wischmop ins Zimmer. ,,Putzen."

Die Tür wird wieder verschlossen und ich starre diesen roten Eimer an. Eigentlich habe ich jetzt keine Lust zu putzen. Für was auch? Aber anders gesehen, komme ich hier nicht so schnell raus und die ganzen Krümel und Haare auf dem Boden ekeln mich schon ziemlich krass.

Ich stemme mich aus dem Bett und schlendre zu den zwei Putzutensilien. Runter zu ihnen bücke ich mich und hebe den etwas schweren Eimer an. Wie geschwächt muss ich bitte sein, dass ich einen Eimer voll Wasser schwer nenne.

Der Geruch von dem Putzzeug erinnert mich an zuhause. Bei uns riecht es nämlich genauso. Zitronig.

Ein Lied summend, das wir erst vor kurzem aufgenommen haben, putze ich den Boden, was schnell geht, weil da kaum was im Weg steht. Außer der Stuhl.

Den Lappen nehme ich vom Stab und putze damit den Tisch. Das hätte ich lieber zuerst machen sollen, da den Lappen vom Boden auf den Tisch zu legen ziemlich ekelhaft ist.

Ausversehen berühre ich ein bemaltes Blatt von mir, worauf die Tinte verschwimmt. Fancy.

~

,,Sieht gut aus Gunnarsen." Ich verdrehe genervt meine Augen. ,,Martinus." Elisabeth dreht sich zu mir. ,,So, hör mir mal zu! Ich hab zu lange deine ach so witzige Art geduldet! Jetzt reichts mir!" Hilfe.

,,Für jedes kack-behindertes Verhalten gibts jetzt ne Strafe!" ,,Es ist Strafe genug, dass ich hier bin." ,hab ich laut gedacht.

,,Mitnehmen!" Sie schnippst mit den Fingern und zwei Erice laufen rein und packen mich unter den Armen. Mit den Beinen trete ich um mich herum, berühre dabei aber nichts und niemanden. ,,Lasst mich los!"

So werde ich durch das gesamte Haus getragen und alle schauen mich dumm an. Und genauso dumm wie sie mich anschauen, fühle ich mich auch.

Ich werde in das Badezimmer auf den Boden geworfen und lande mit meinem Kopf auf den Fliesen. Aua. Ich halte eine Hand an meinen Kopf, aber die wird gleich wieder weggezogen. Beide Arme werden von zwei Männern festgehalten. Auf meine Beine setzt sich sogar einer, sodass ich keine einzige Chance habe sie irgendwie zu bewegen. Mein Kopf wird von einem vierten runtergedrückt und meine Augen mit der Hand verdeckt.

,,Was soll das!" ,schreie ich, worauf ich irgendeinen Stoffknollen in den Mund gesteckt bekomme.

,,Ist er fest?" ,höre ich Elisabeth fragen und spüre darauf, wie sich jemand leichtes auf meinen Bauch setzt. Elisabeth höchstwahrscheinlich.

Kurz darauf spüre ich ein brennen auf meinem Arm. ,,Aaah!" ,schreie ich aber der Ball in meinem Mund dämpft es. Das brennen verteilt sich auf meinem ganzen linken Unterarm und mir kommen die Tränen.

,,Weint unsere Prinzessin?" ,sagt der eine, der meinen Kopf festhält, und hebt die Hand von meinen Augen. Die Tränen fließen mir seitlich rüber.

Alle lassen von mir los und ich hebe meinen Kopf. Mein ganzer Arm ist rot. Vor Schock bringe ich kein einziges Wort aus mir raus. Ich starre nur meinen Arm an und die Tränen wollen garnicht aufhören zu fließen.

,,Aufstehen!" Ich bleibe sitzen. Zu groß sitzt der Schock.

Plötzlich schießt ein Wasserstrahl über mir auf mich und berührt dabei meinen Arm. Es brennt tausendmal schlimmer als davor und ich weiß nicht ob es das Wasser oder meine Tränen sind, die mein Gesicht durchlaufen. Ich schreie wieder vor Schmerz und wieder dämpft das Stück Stoff den lauten und qualvollen Schmerz.

Am Kragen werde ich hochgezogen. ,,Lauf!" Ich sacke aber auf dem Boden zusammen. Einen heftigen Tritt spüre ich in meiner Seite und schreie wieder. ,,Lauf hab ich gesagt!"

...

Durchnässt sitze ich auf dem Boden des Zimmers, wo ich mich auch sonst den ganzen Tag aufhalte. Meinen linken Arm halte ich in meiner rechten Hand und schaue mir Elisabeths Kunstwerk an.

Schwuchtel zieren die tiefen Schnittwunden aus denen immer noch Blut fließt. Es tropft viel auf den Boden, aber das kümmert mich nicht. Viel mehr kümmert es mich, dass die Narben für immer auf meinem Arm verewigt sind.

«Schule bringt mich zurzeit echt um🙄. ⭐️»

1477 Tage | 𝗆𝖺𝗋𝗍𝗂𝗇𝗎𝗌Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt