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Tag 209

Von meiner besten Freundin habe ich schon lange nichts mehr gehört. Und es sind sicher mehr als zehn Tage vergangen, als ich sie das letzte mal gesehen hab.

Sie persönlich fehlt mir nicht. Aber mir fehlt jemand, mit dem ich reden kann. Und Eli war nunmal die einzige in diesem schäbigen Loch, mit der ich nur irgendwie normale Gespräche aufbauen konnte -auch wenn ich immer damit rechnete, dass alles, was ich sage, falsch ist.-

Genauso wie ich sie in Anführungszeichen vermisse, vermisse ich menschlichen Kontakt. Einfach mal mit jemandem zu quatschen. Denn ich hab auch schon seit Tagen niemanden hier in dem mir ernannten Zimmer nur eine Menschenseele gesehen. Und trotzdem bekomme ich mindestens einmal Essen pro Tag. Wenn ich nicht einschlafen kann, ein Essen pro zwei Tage. Manchmal dann auch drei.

Ich fühl mich beobachteter als sonst. Der, der mir das Essen bringt, muss mich rund um die Uhr bewachen. Wissen, wann ich wach bin und wann ich schlafe.

Es macht mir Angst zu wissen, dass ich nicht alleine in diesem Raum bin, wenn ich mal Pause von der Welt brauche. Dass mir immer jemand was antun könnte.

Was mir noch Sorgen bereitet sind meine letzten Träume. Ich träume zwar nicht jede Nacht das selbe. Dafür aber jede Nacht vom Selben. Und immer wieder werde ich im Traum am Esstisch meiner Familie wach. Und sehe alle. Alle bis auf Marcus.

Scheint so, als wäre ich, neben Emma, das einzige Kind der Familie. Vielleicht bin ich aber auch nicht ich, sondern mein Bruder und darf mitansehen, wie sie Ruhe von mir haben. Denn noch nie hatte nur einer im Traum was vom verlorenen Kind nur erwähnt.

Mit dem Kopf zum Kissen falle ich auf das Bett und lasse meine ganze Wut mit einem lauten Schrei aus mir raus, was der Stoff dämmt.

Ich darf mir nicht so viel aus Träumen nehmen! Es sind schließlich ja nur Träume und keine ernstzunehmenden Begebenheiten.

..Wer weiß. Manchmal steckt dann doch mehr hinter ihnen, als man denkt?

Ich setzte mich wieder auf und schaue durch den Raum. Wie lange bin ich eigentlich schon hier?

Ist erst eine Woche, oder ein Monat vergangen? Was wenn ich schon ein ganzes Jahr hier drinnen hocke.

Trotz der verdammten Uhr, die mir mit ihrem Ticken den Verstand raubt, besitze ich kein bisschen Zeitgefühl. Ich weiß ja nicht mal ob immer noch Sommer ist, oder schon Herbst.

Ich bekomme kein Stückchen von Außen mit, was mir die verdunkelten Fenster auch nicht sonderlich leicht machen.

Aber was wäre denn so schlimm daran, wenn ich nur für kurze Zeit an etwas Sonnenlicht käme? Eli hätte nicht mehr mit einem depressivem Idioten zu kämpfen und könnte lockerer mit mir umgehen.

Vielleicht ist auch sie die depressive hier, so wie sie ihre ganze Wut wohl an mir auszulassen scheint.

Gut eigentlich, dass sie sich fern von mir hält. Ich habe nicht vor noch mehr wegen dieser Tusse zu leiden. Habe ich nicht schon genug erlebt, oder besser gesagt gelitten?

Und immer noch weiß ich nicht, was zum Kack ich hier soll. Ein 17 jähriger, der Kummer an seine Familie hat, die ihn wie es aussieht verstoßen hat. Ein 17 jähriger, der das Spielzeug einer anderen ist.

Mein Kopf und meine Gedanken wollen einfach nicht mehr mitmachen! Und jedes mal, wenn ich vor dem Fenster stehe und daran denke diese behinderten Jalousien hochzuziehen, lass ich im letzten Moment doch davon ab. Und immer, wenn ich kurz davor bin wegen Atemnot in der Badewanne mein Bewusstsein zu verlieren, tauche ich doch wieder auf.

Warum bin ich so? Warum ziehe ich die Sachen, die mir in den Sinn kommen nicht einfach durch? Warum gebe ich immer wieder auf?!

So streng kann ich nicht zu mir selber sein. Durch die ganze Langeweile hier, mache ich allmählich das Essen zu meinem Hobby. Es ist nicht viel, was ich bekomme, aber es ist mehr, als ich die Tage davor geschafft hatte.

«Hier mal ein Einblick in Martinus seine Gedankengänge✌🏻⭐️»

1477 Tage | 𝗆𝖺𝗋𝗍𝗂𝗇𝗎𝗌Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt