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Tag 269

,,Wo sind eigentlich deine Eltern? Und hast du eigentlich Geschwister?"

So lange kenne ich sie schon und so wenig weiß ich über sie.

Ein leises kurzes Lachen entflieht mir.

Als würde meine Entführerin wollen, dass ich sie in und auswendig kennen würde..

Aber auf die Frage bin ich nur Dank Elis heutiger schönen Begrüßung Gunnarsen gekommen. Immer wieder schleichen meine Gedanken kurz zu diesem einem Familienbild in unserem Wohnzimmer, wenn sie diesen Nachnamen erwähnt.

Zurückkehrend ins Hier und Jetzt, bin ich mir nicht sicher, ob sie mir denn schon geantwortet hat, oder ob ich sie durch meine kleine Reise nach Hause einfach überhört hab.

,,Elisabeth?"

Nichts Neues eigentlich. Sie ist eh nicht der Typ Mensch, der gerne redet. Das hab ich schon kapiert. Aber beim hereinkommen schien sie mir glücklich drauf zu sein. Jetzt eher sauer. Versetzt ihre Familie sie in Wut?

,,Du musst nichts sagen, wenn du ni-" Prompt schneidet sie meinen Satz und schreit mich an. ,,Dich hat mein scheiß Leben kein Stück anzugehen! Hast du das verstanden?!"

Verängstigt nicke ich schnell. Dabei könnte das jedoch leicht zu übersehen sein, da mein Nicken etwas zu kurz gerät.

,,Ob du das verstanden hast?!" ,schreit sie nochmal und lässt den Teller mit dem Essen einfach aus der Hand fallen und kommt mir entgegen.

Ihre Linke packt meine Kehle und drückt zu, während sich ihre Fingernägel in mein Fleisch schneiden.

Alles, was ich wahrnehme ist komischerweise die Uhr. Von ihr aber auch nur den Stundenzeiger. Neun.

,,Du sollst mir antworten!" Meine bereits aufgerissenen Augen finden ihre, die im ersten Moment verweint scheinen.

Antworten! Wie konnte ich das bitte vergessen?!

Alles was ich herausbekomme ist ein verstummtes A. Für ein ganzes Ja fehlt mir die Luft und Kraft.

Ich huste. Schwer sogar und Elisabeth lässt Gottseidank los. Im letzten Moment! Eine Sekunde länger und ich weiß nicht, ob ich noch wäre.

Ich spüre keinen Schmerz. Dennoch fasse ich an meinen Hals und merke an meinen kalt angelaufenen Händen, dass er glühend heiß ist.

Schnappartig hole ich Luft und versuche mich von den Kopfschmerzen, die plötzlich in meinen Kopf geschossen kamen, zu verabschieden.

Erst nach weiteren Sekunden nehme ich mehr, als nur mein Bett wahr.

Eli steht mit aufgespreizten Fingern an die Wand gegenüber von mir gelehnt und eindeutige Tränenwege sind in ihrem Gesicht gezeichnet.

,,Ich-" Unmittelbar fange ich an zu husten. Ich hab wohl nicht genug Luft zum reden.

,,Ich- Es- Ich-", stottere ich etwas vor mich hin und weiß selber nicht was ich sagen will. ,,Halt doch mal für eine Sekunde dein Maul, Gunnarsen!" ,schreit sie mich an, rennt zur Tür und knallt sie zu.

~
Tag 274

Es hat wieder angefangen. Tag vier oder fünf in Folge, an dem keiner in dieses Zimmer kommt, um mir auch nur Hallo zu sagen. Tag vier oder fünf alleine. Und auch Tag vier oder fünf ohne Essen.

~
Tag 279

Immer noch das selbe Spiel. Die Zeit ist nur leider nicht stehengeblieben, sondern schreitet immer weiter voran. Und ich vereinsame hier vor mich hin.

Meinen Hunger versuche ich auszublenden, aber mein Magen quält mich wie sonst was. Ich versuche den ständigen Schmerz mit anderem zu übertreffen.

Haare reißen.

Dabei liege ich meistens wie auch sonst immer auf dem Rücken und starre an die Decke oder an die Uhr, die tickt, und tickt, und tickt.

Bei jedem Mal, bei dem ich zusammen krampfen muss, ziehe ich. Non-Stop. So fest es geht.

Aber heute höre ich mittendrin auf.

Hab ich gerade was gehört?
Schritte?

Es scheint so, als würden sie direkt über mir sein

..vier ...neun.. elf.

Es hat aufgehört.

Aber wer war das? Noch nie zuvor hab ich über mir etwas mitbekommen, und ich lebe hier schon seit mehreren Tagen. Ich würde gar behaupten seit unendlichen Tagen, aber unendliche Tage existieren nicht.

Trotzdem fühlt es sich so an, als würden die Tage hier niemals enden.

Ein Blick zum Fenster lässt mich wieder in Gedanke versinken.

Wo bin ich und was verbirgt sich hinter den geschlossenen Jalousien?

Ruckartig hebe ich den Kopf und schaue die Decke an.

War das ein Krachen? Ist etwas auf den Boden gefallen?

,,NEIIIIN-" ,höre ich leise jemanden schreien, bevor alles verstummt. Das Ticken übertönt die plötzliche Stille, die für keine zwei Sekunden gehalten hat.

Mein Herz erhöht sein eigenes Tempo und lässt mich nicht mehr in Ruhe.

Bin ich wirklich nicht der einzige hier, der von Elisabeth in Gefangenschaft gehalten wird? Und wenn ja, wer ist da?

«Peace Leute!✌🏻 Wie siehts aus? Quarantäne Tag 38.🦠 Alles noch in bester Ordnung?⭐️»

1477 Tage | 𝗆𝖺𝗋𝗍𝗂𝗇𝗎𝗌Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt