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Cias Sicht:
Zum ersten Mal seit dem Brand habe ich das Gefühl wieder richtig zu atmen. Max an meiner Hand, Tuco, der um uns her rennt, die strahlende Sonne, das Glitzern vom See. Es schien alles so friedlich. Dass ich schwanger bin habe ich noch garnicht so wirklich realisiert. Ich meine, ich weiß es, aber es fühlt sich einfach nicht so an. Irgendwie fühlte sich was falsch an.
"Max?"
"Ja?"
"Irgendwas stimmt nicht.."meinte ich und er sah mich fragend an.
"Ist dir schlecht?"hinterfragte Max nach kurzer Stille.
"Nein.. aber es ist irgendwas nicht richtig.."meinte ich.
"Was meinst du?"
"Ich weiß nicht.. es ist nur so ein Bauchgefühl."erklärte ich.
"Ok... dann fahren wir zu deinem Hausarzt.." an Max Hand ging es also zurück zum Auto und auf direktem Weg zu meinem Hausarzt.

Es kam wie es kommen musste... ich hatte das Kind verloren. Es muss schlussendlich doch passiert sein während ich im Krankenhaus war.  Der Arzt hatte uns alleine im Behandlungsraum gelassen. Max stand am Fenster während ich noch das Gel vom Ultraschall abwischte. Als ich wieder trocken und angezogen war ging ich zu ihm.
"Es tut mir leid.."flüsterte ich. Ich traute mich nicht ihn anzufassen. Als er sich umdrehte konnte ich ihm nicht in die Augen schauen. Ich fing an zu weinen.
"Hey... es ist doch nicht deine Schuld... "meinte Max und hielt mich fest in seinen Armen. Er gab mir einen Kuss auf den Kopf. Ich wusste er will dass ich ihn ansehe, aber ich konnte nicht.
"Baby.. sieh mich an.."sagte er mit sanfter Stimme. Ich schüttelte den Kopf.
"Ok... willst du nach Hause?"fragte er nach einer Weile. Ich nickte und schon bald saßen wir im Auto und waren auf dem Weg nach Hause. Max hielt meine Hand, aber ich sah nicht zu ihm rüber. Ich weinte nur. Vor unserer Haustür blieb das Auto stehen und noch immer sprach ich kein Wort.
"Baby..."sagte Max mit dünner Stimme.
Ich zog meine Hand aus seiner und stieg aus. Ich rannte schon fast zur Haustür. Als ich vor der Haustür stand war Max aber schon hinter mir und hielt mich fest in seinen Armen.
"Es ist alles in Ordnung... beruhig dich... atmen Schatz.. tief ein und aus.."flüsterte er mir an den Hinterkopf und doch hörte ich ihn klar und deutlich, weil ich mich in meiner wachsenden Panik, wie immer, auf ihn konzentrierte. Kurz versuchte ich noch seine Arme von mir zu drücken, aber dann ließ ich mich drauf ein. Ich beruhigte mich etwas und wenn Max mich gerade nicht festhalten würde, würde ich jetzt einfach zusammen brechen.
"Wir wissen nicht was passiert ist, aber ich gebe dir keine Schuld, ok?"murmelte er weiter. Erst jetzt drehte ich mich in seinen Armen zu ihm und meine Arme fanden ihren Weg um seine Hüfte.

Es vergingen Wochen und die Normalität holte uns wieder ein, abgesehen von der Therapie zu der ich jetzt gehe. Manchmal kommt Max mit, aber meistens gehe ich alleine dorthin. Es tut mir gut. Nicht nur wegen der Fehlgeburt. Auch wegen der Sache mit meinem Vater und generell meiner Familien- und Kindheitsgeschichte. Wahrscheinlich hätte ich das viel früher tun sollen.
Gerade war ich wieder auf dem Weg nach Hause.
Ich dachte über die neue Choreografie nach, die ich mit der Kindertanzgruppe ab morgen einstudieren wollte. Die Tanzschule wurde nach dem Brand in ein neues Studio verlegt.
Ich nahm auf dem Weg noch ein paar Einkäufe mit und freute mich schon heute Abend mit Max zu kochen.
Mittlerweile hatte er mir auch erzählt, dass er ganz schön damit zu kämpfen hatte, dass ich mit Tobi zusammen arbeite, weil er Angst hatte mich zu verlieren.
Nach einem ewig langen Gespräch war das aber vergessen.

Ein Griff an meiner Schulter holte mich aus meinen Gedanken. Erschrocken drehte ich mich weg.
Ich konnte nicht glauben wer vor mir steht.
"Papa.."
"Hallo Cia.... ich habe eine Therapie gemacht... ich trinke nicht mehr..."
"Gut für dich.."sagte ich nur.
"Bitte Cia, du musst mor verzeihen.. ich wollte das doch alles nicht.."
"Ich habe immer Angst vor diesem Moment gehabt, aber weißt du was? Jetzt ist das für mich alles ganz klar...
Ich kann dir das nicht verzeihen, vielleicht einzelnes, irgendwann, aber selbst dann werde ich die Hölle durch die ich wegen dir gegangen bin niemals vergessen. Glaub mir, ich finde es toll dass du nicht mehr trinkst, es ist gut für dich... aber ich kann und will dir nicht verzeihen..." zum ersten Mal seit Jahren sah ich in die Augen meines Vaters und sah echte Emotionen, aber unsere Beziehung, die sowieso nie wirklich da war, war so geschädigt, dass die Trauer in seinen Augen nichts in mir auslöste.
"Mach's besser, Papa... besser als die letzten Jahre... nicht für mich oder Mama, sondern für dich selbst."sagte ich und ging weiter. Mein Herz pochte kurz etwas schneller und lauter aber dann merkte ich, auch wenn es nach außen kalt und hart wirkt, ich habe das Richtige getan. Das Richtige für mich.

Ausreißer {Kontra K FF} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt