18. Eine Trage

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Wir fielen von der Gruppe, die noch immer von Thomas angeführt wurde, zurück und ich hoffte, dass wir bald oben ankommen würden, damit Winston eine Pause machen konnte.
„Noch 'nen bisschen weiter, Leute!", hörte ich Thomas rufen, der den Kamm der Düne bereits fast erreicht hatte.
Ich legte meine Hand an Winstons Rücken und stützte ihn wieder, damit es ihm leichter fiel, die letzten Meter zu erklimmen. Er lächelte mich dankbar an und gemeinsam schafften wir es, die Anderen, die jetzt oben stehen geblieben waren, zu erreichen.
Ich stellte mich neben Teresa, die mich schwach anlächelte, was mich ein wenig durcheinander brachte, weil sie in dem Kaufhaus noch so komisch zu mir gewesen war, aber ich lächelte zurück. Dann ließ ich meinen Blick über die Aussicht schweifen, denn von hier aus konnte man alles überblicken, so hoch waren wir jetzt.
Vor uns lagen noch einige fast völlig im Sand versunkene Hochhäuser, dann sah man nichts als Sand und weit in der Ferne Berge.
„Diese Berge da – da müssen sie sein. Da werden wir hingehen", sagte Thomas außer Atem und deutete in die Ferne.
„Ganz schön weit weg", stellte Newt fest.
Neben mir nahm Winston sich seine Tasche von der Schulter, weshalb ich meine Hand von seinem Rücken nahm.
„Dann sollten wir los gehen", sagte er und wollte einen Schritt nach vorne machen.
Im nächsten Moment kippte er einfach kopfüber in den Sand und ich war nicht schnell genug, um ihn noch aufzufangen. Alles was ich zu fassen bekam, war seine Tasche, die er aber einfach schlaff los ließ.
„Winston!", riefen wir alle wie aus einem Mund und ich ließ seine Tasche einfach fallen und ging neben ihm auf die Knie.
Die Anderen taten es mir gleich und Teresa drehte sein Gesicht so, dass er Luft bekommen konnte.
„Winston! Winston!", sagte Fry Pan verzweifelt, aber der Junge gab nur röchelnde Geräusche von sich.
„Er hat große Schmerzen."
Minho klang ruhig, aber ich konnte ihm ansehen, dass er sich genauso große Sorgen machte, wie ich. Wir wechselten einen Blick und ich wusste, dass er auch glaubte, dass dies keine normale Wunde war. Irgendetwas passierte mit Winston.
„Was sollen wir jetzt tun?", fragte Teresa und sah Thomas an, als erwarte sie, dass er auch darauf eine Antwort wusste.
Einmal mehr fragte ich mich, warum sie sich nur auf ihn zu verlassen schien. An was hatte sie sich erinnert? Was hatten sie bei WICKED mit ihr gemacht?
Thomas stand auf und sah sich um, als läge die Antwort irgendwo in der Nähe. Ich schüttelte mit dem Kopf. Was hatte er vor?
„Winston? Kannst du mich hören? Das wird wieder." Newt beugte sich über ihn und rüttelte leicht an seiner Schulter.
Jetzt stand auch ich auf und Fry Pan nahm meinen Platz ein und rückte näher zu Winstons Kopf.
„Eine Trage." Ich trat neben Thomas.
„Was?", fragte er und sah verwirrt zu mir herunter. Ich konnte Teresas Blick im Rücken spüren.
„Wir müssen ihm eine Trage bauen. Er wird nicht mehr laufen können. Entweder das – oder wir lassen ihn zurück. Und ich glaube, darüber müssen wir nicht diskutieren, oder?"
Thomas schüttelte den Kopf. Noch immer ließ ich den Blick nicht von ihm, in dem Versuch, zu verstehen, was er dachte, denn wieder ließ er nachdenklich den Blick über die Wüste vor uns schweifen.
„Pan, Newt, Minho – sucht alles zusammen, was wir benutzen können, um eine Trage zu bauen. Aris, du suchst alles aus den Rucksäcken, mit dem wir die Einzelteile verbinden können. Teresa, bleib bei Winston. Und du Thomas, erzählst mir jetzt, was dein Plan ist."
Die Jungen verteilten sich und machten sich auf die Suche nach allem, was irgendwie in Frage kam. Teresa versuchte weiterhin, Winston wieder zu Bewusstsein zu bekommen, während Aris neben den beiden begann, unsere Rucksäcke nach Verbänden und der Gleichen zu durchsuchen. Ich lief den Dünenkamm ein Stück entlang und sah wieder zu den Bergen herüber.
„Meinst du wirklich, dass wir dort jemanden finden?"
Thomas zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber wir müssen es versuchen. Allein schon der Stimmung wegen. Wenn wir jetzt ohne Ziel durch die Gegend irren, werden wir am Ende alle verrückt."
„Glaub mir, ich weiß, was du meinst. Minho und ich haben auch gelernt, dass man den Leuten niemals die Hoffnung nehmen darf."
Jetzt sah er mich an. „Ich weiß. Ihr wusstet lange, dass es keinen herkömmlichen Ausgang gab."
Auch ich sah jetzt ihn an. „Du hast dich dran erinnert? Ihr habt uns also wirklich immer beobachtet? Bei allem?"
Dieser Gedanke erschreckte mich mehr als er sollte. Schließlich hatte ich es ja eigentlich schon gewusst.
„Ja, vieles wird nach und nach immer klarer. Glaub mir, ich kenne dich besser, als du denkst. Aber ich erinnere mich lange nicht an alles. Ich weiß zum Beispiel absolut nicht, warum man mich ins Labyrinth geschickt hat."
Ich schnaubte verächtlich. „Vielleicht warst du ja nicht gut genug."
Thomas lachte leise. Ich sah wieder zu den Bergen herüber und bemerkte ein weiteres Mal, dass die Wüste bis dorthin riesig war.
„Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass da irgendwo noch Menschen leben sollen... Die gesund sind."
„Ich glaube daran, dass wir den Rechten Arm finden werden. Und das solltest du auch. Guck dir an, wie weit wir es geschafft haben. Und das hätten wir niemals ohne dich –"
„Hör auf, Thomas. Du hast Recht gehabt mit dem, was du Gally gesagt hast. Wir haben in drei Jahren nichts richtiges gefunden..."
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich gerade über Gally geredet hatte. Sofort spürte ich den Kloß in meinem Hals wachsen.
Thomas bemerkte dies und wollte mir eine Hand auf die Schulter legen.
„Hey, ich..."
Aber ich schüttelte bestimmt den Kopf und wich der Berührung aus.
„Nein, ich will nicht darüber reden."
Da fiel mir wieder etwas ein.
„Ich wollte mit dir über etwas anderes reden. Der Rechte Arm, ich glaube ich kenne den Namen, ich –"
Doch da unterbrach Teresa mich. „Thomas, Anna! Kommt her, helft uns mal!"
Thomas sah mich entschuldigend an und lief an mir vorbei zurück zu den Anderen, die bereits dabei waren, Stöcke aneinander zu binden. Resigniert folgte ich ihm, nur um festzustellen, dass Winston noch immer bewusstlos war.
Vorsichtig kniete ich mich neben ihn und fasste ihm an die Stirn.
„Er hat Fieber", stellte ich fest und sah Teresa an, die mir gegenüber, immer noch auf seiner rechten Seite, hockte. „Denkst du, das kommt von den Cranks?"
„Ich weiß es nicht. Hoffen wir, dass es nicht so ist." Sie zuckte ratlos mit den Schultern.
„Wie geht es dir?", fragte ich jetzt und musterte sie.
„Gut", sagte sie kurz ab und schien erleichtert, als Winston sich regte und sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihm schenken konnte. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie etwas vor uns verheimlichte.
Mit gerunzelter Stirn beobachtete ich sie, als Minho mich aus meinen Gedanken riss, als er sich neben mich hockte.
„Hey. Wir wären dann so weit. Kommt, legen wir ihn auf die Trage."
Ich nickte und stand auf. Sie hatten ganz gute Arbeit geleistet, dafür dass keiner von ihnen ein Baumeister gewesen war. Wieder musste ich an Gally denken, schaffte es dieses Mal aber, den Gedanken an ihn sofort wieder von mir wegzuschieben, sodass der Kloß in meinem Hals gar nicht erst wieder kommen konnte.
„Gut gemacht, Jungs."

Through The WICKED Scorch | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt