Plötzlich, als nur noch Rachel, Minho, ich und 4 Kinder auf dem Dach standen, ertönte ein ohrenbetäubendes Geräusch, weswegen wir uns alle instinktiv die Ohren zuhielten.
Was zum Teufel...?
Nur wenige Sekunden später konnten wir auch schon sehen, woher das Geräusch kam. Ein Helikopter tauchte rechts von uns auf. Er musste unterhalb des Gebäudes gestartet sein, weshalb wir ihn nicht kommen gesehen hatten.
„Scheiße, das ist WICKED!", hörte ich Minho rufen.
Aber ich hatte längst selbst gesehen, wer dort drin saß und mich angrinste.
Janson.
Schützend stellte ich mich vor Chuck und Rachel und Minho taten es mir gleich und schirmten die anderen drei Kinder ab, als ein SWAT-Mitglied mit einem Elektroschocker auf uns deutete.
Der Helikopter landete und ich konnte nur hoffen, dass Vince die anderen Kids von hier wegschaffte.
Panisch sah ich mich um und suchte nach einem Ausweg. Aber es gab einfach keinen. Wir saßen in der Falle. Wenn wir uns auch nur einen Zentimeter bewegten, würden die uns sofort bewusstlos schocken und ich konnte es nicht riskieren, die Kinder in Gefahr zu bringen.
„Nein, nein, das darf nicht sein. Die werden uns umbringen."
Ich konnte Rachel schluchzen hören.
Nein, umbringen würden sie uns nicht, nur wegsperren und wahrscheinlich in verschiedene Labyrinthe schicken.
Ich würde weder Newt, noch Gally je wiedersehen. Und ich war ganz alleine Schuld daran und daran, dass meine beiden Freunde das gleiche Schicksal erwartete wie mich.
Ich wollte Rachel beruhigen, wollte ihr sagen, dass wir nicht sterben würden, aber bevor ich meinen Mund öffnen konnte spürte ich ein so schreckliches Gefühl in der Brust, dass ich dachte, mein Herz würde stehen bleiben. Ich sah, am ganzen Körper zitternd, an mir herunter und erkannte, dass ich von einem Elektroschocker getroffen worden war. Zuckend fiel ich auf die Knie und dann unsanft auf den Wangenknochen. Neben mir brachen auch meine beiden Freunde zusammen.
Das Letzte, was ich sah, war Chucks Kindergesicht, tränenüberströmt über mich gebeugt. Dann wurde alles dunkel.
„Und du, du bist der Junge auf dem Dach!", stellte Vince jetzt laut fest, sodass ich wieder in der Realität landete, und deutete auf Minho.
„Wo ist das Mädchen?", fragte er.
Ich schluckte, als ich an Rachel dachte.
„Man hat sie in ein anderes Labyrinth gebracht als Minho und mich... Und als WICKED sie wieder befreit hat, haben sie sie... Sie hat es nicht geschafft."
„Das tut mir sehr leid."
Vince nickte mir mitfühlend zu.
„Ich verstehe das nicht... Warum erinnerst du dich und ich nicht?", fragte Minho mich und runzelte die Stirn.
„Ich weiß nicht..."
„Ich wusste, dass du dich erinnern würdest."
Wir drehten unsere Köpfe zu der Stimme um und ich erkannte Mary, die sich jetzt zu uns setzte.
„Du bist anders als die Anderen. Einige von euch haben besonders ausgeprägte Gehirnaktivitäten, zum Beispiel Thomas und Teresa – und du, Anna."
Verwirrt sah ich sie an.
„Eurer Freundin geht es besser. Thomas ist bei ihr geblieben. Vielleicht solltest du auch einmal nach ihr schauen? Ihr scheint euch gut zu verstehen", stellte sie fest und ich nickte langsam, bewegte mich aber nicht.
„Aber warum ich?", fragte ich.
„Das kann ich dir nicht sagen, meine Liebe. Als man euch fand, unterzog man euch mehreren Tests, um herauszufinden, ob ihr immun wart oder nicht. Unter Anderem kam heraus, dass einige von euch weiter entwickelte Gehirne hatten, als wir erwartet hatten. Thomas und du, ihr wart unsere große Hoffnung. Aber wir merkten schnell, dass ihr anders wart, als wir es gerne gehabt hätten – ihr hattet euren eigenen Willen. Dann fand man ein Mädchen, dass euch sehr ähnlich war. Thomas und sie hatten sehr schnell eine innige Bindung und man entschied, dass er und sie in den Laboren arbeiten sollten. So übernahm sie das, was für dich vorgesehen gewesen war. Sie war WICKEDs Methoden gegenüber positiv – und Thomas hörte auf sie.
WICKED hatte Angst, dass du dich gegen sie stellen könntest, wenn sie dir zu viel Macht gaben. Deshalb wurdest du den jungen Kindern zugeteilt – und das war ihr wohl größter Fehler. Die Flucht der Kids versetzte ihnen einen ziemlichen Schlag.
Als ich über weite Umwege herausfand, dass sie dich und Minho in eines der Labyrinthe geschickt hatten, war ich erleichtert. Ich hatte wie zum Schluss bei Thomas befürchtet, dass sie euch getötet hätten. Aber WICKED weiß anscheinend, wen sie lieber am Leben lassen. Gut für uns", stellte sie fest und nickte wissend.
Ich und besonders intelligent? Verwechselt sie mich etwa?
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und sah von ihr zu meinen Freunden. Minho starrte angestrengt in das Feuer, als versuchte er, sich zu erinnern. Fry Pan musterte mich mit offenem Mund und Newt blickte neugierig zwischen Mary und Vince hin und her.
„Ich gehe mal nach Brenda schauen...", sagte ich und stand langsam auf.
Mein Kopf pochte von den vielen Eindrücken und Erinnerungen.
Mary stand ebenfalls wieder auf.
„Ich bringe dich zu ihr."
Wir ließen die Anderen am Feuer sitzen und machten uns auf den Weg über den Stützpunkt.
Als wir außer Hörweite waren, sagte ich das, was ich auf dem Herzen hatte.
„Gally hat es nicht geschafft."
Meine Stimme brach.
Mitfühlend legte sie mir eine Hand auf den Rücken. „Das tut mir sehr leid. Ihr wart schon immer unzertrennlich. Es muss schwer für dich sein..."
„Es ist viel schlimmer, als ich gedacht hätte. Ich habe so viele verloren, die meine Freunde waren. Alle, die mir geblieben sind, sind Newt, Minho und Fry Pan. Und Thomas natürlich... Und Teresa", fügte ich zögerlich hinzu, weil ich nicht wusste, ob sie wirklich meine Freundin war.
„Glaub mir, Gally wollte immer, dass du glücklich bist. Schon als ihr klein wart war er in dich verliebt."
Abrupt blieb ich stehen. Was hatte sie da gerade gesagt?
„Wie bitte?", stieß ich hervor.
„Was ist los?", fragte sie sanft.
„Was hast du gerade gesagt? Er war verliebt in mich?!"
In meinem Inneren zog sich alles zusammen und plötzlich war mir schlecht.
„Du kannst mir nicht erzählen, du hättest es nie gemerkt. Ich bin sicher, du wusstest es."
Mit großen Augen starrte ich sie an. Stimmte es? Hatte ich es gewusst?
„Anna, du bist einer der intelligentesten Menschen die noch leben. Und du willst mir erzählen, du hättest etwas so offensichtliches nie bemerkt?"
Sanft legte sie mir eine Hand an die Wange, an der jetzt eine Träne hinunter lief.
„Ich...", begann ich ohne zu wissen, was ich sagen wollte.
„Du hast nicht das Gleiche empfunden. Und das ist vollkommen in Ordnung. Aber trotzdem hast du es gewusst. Du wolltest es nur nicht wahrhaben."
Ihre Stimme war warm, wie die einer Mutter.
Ich schluckte. Ja, wahrscheinlich hatte ich es gewusst. Es war nicht normal gewesen, was für einen Einfluss ich auf Gally gehabt hatte. Jedes Mal, wenn er wütend gewesen war, hatte ich ihn beruhigen können und eine Berührung von mir hatte ihn jedes Mal umgestimmt. Ich hatte es immer darauf geschoben, dass wir eine besonders innige Bindung gehabt hatten, so wie Geschwister – aber ich hatte gewusst, dass es anders gewesen war.
Vor meinem inneren Auge sah ich, wie wir im Bau gesessen hatten, wie er verzweifelt versucht hatte, mich durch das Loch in der Wand zu wärmen. Ich erinnerte mich an Newts Blick, als er uns am nächsten Morgen zusammen auf dem Boden gesehen hatte. Ich war mir sicher, dass er es gewusst hatte.
„Wow", stieß ich hervor und schüttelte verwirrt den Kopf.
„Na komm, wir haben genug Zeit, darüber zu reden, wenn wir im sicheren Hafen sind. Du solltest nach deiner Freundin sehen. Wie du dir vorstellen kannst, wird sie nicht mit uns kommen können..."
Ich nickte. Ja, das hatte ich mir schon gedacht.
Wir gingen weiter und erreichten kurze Zeit später das Zelt, in das sie Brenda gebracht hatten. Ich wollte gerade an Jorge vorbei hinein gehen, als Mary mich noch einmal fest hielt.
„Anna, eins noch. Ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, dass Teresa WICKEDs Methoden immer positiv gegenüber stand. Tu mir einen Gefallen und sei aufmerksam, in Ordnung? Ich befürchte, dass Thomas es nicht ist."
Mit diesen Worten klopfte sie mir auf die Schulter und ging. Ich sah ihr nachdenklich hinterher.
Dann schlüpfte ich in das Zelt, das von innen größer war, als es ausgesehen hatte. Thomas saß auf einer Liege, direkt neben der, auf der Brenda ruhig lag und war gerade dabei, sich eine Jacke überzuziehen. Ich stellte fest, dass es tatsächlich frisch war und schlang meine Arme um mich.
„Hey", sagte ich leise und stellte mich neben ihn.
„Hey", entgegnete er und stand ebenfalls auf, wobei er mich müde anlächelte.
„Wie geht es ihr?", fragte ich und betrachtete das bewusstlose Mädchen.
„Besser. Mary meint, das hat ihr wahrscheinlich ein paar Monate gegeben. Sie..."
Doch weiter redete er nicht.
„Was ist los, Tommy?", fragte ich.
Er sah mit gerunzelter Stirn zu Brenda herunter und bückte sich dann nach einem kleinen metallenen Ding, das neben ihr lag. Anscheinend war es ihr aus der Tasche gefallen. Vorsichtig nahm er es in die Hand und wir betrachteten es neugierig.
„Ich glaube, das kann man aufmachen", flüsterte ich und deutete auf ein Scharnier.
Mit einem Klicken öffnete Thomas das Medaillon, als das ich es mittlerweile identifiziert hatte. Zum Vorschein kam das Bild eines Jungen.
Entsetzt zuckte ich zusammen, denn wieder war das Stechen da gewesen.
„Thomas, ich kenne ihn! Das ist –"
Doch weiter kam ich nicht, denn plötzlich schlug Brenda die Augen auf.
„Er war mein Bruder", sagte sie schwach, als sie zu uns aufsah.
Thomas setzte sich neben sie. „Hey... Entschuldige. Geht's dir gut? Wie fühlst du dich?"
Er reichte ihr das Medaillon und ich setzte mich neben Thomas und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Hey", lächelte ich.
Nachdenklich betrachtete sie das Foto von dem Jungen.
„Du erinnerst mich an ihn", sagte sie zu Thomas. „Er sah immer nur das Beste in Menschen."
„Wo ist er jetzt?", fragte der, als sie sich auf die Seite drehte um uns besser zu sehen.
„Ich weiß es nicht... Als wir klein waren, kamen wir in eins dieser WICKED-Camps. Sie unterzogen uns ein paar Tests. Ich wurde aussortiert – aber meinen Bruder wollten sie."
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich durfte ihm nicht einmal Auf Wiedersehen sagen."
Ich spürte, wie auch ich einen Kloß im Hals bekam und versuchte, ihn runter zu schlucken – denn ich wusste, was mit ihm passiert war.
„Wie war sein Name?", fragte Thomas.
Und Brenda flüsterte das, was ich längst gewusst hatte.
„George."
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Through The WICKED Scorch | A Maze Runner Story
FanfictionDer dritte Teil der Geschichte rund um unsere Protagonistin Anna, die gemeinsam mit ihren Freunden das Labyrinth hinter sich gelassen hat und nun zu neuen Abenteuern aufbricht. Was erwartet die Lichter hinter den Mauern und wer sind die Menschen, di...