2. Misstrauen

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Mit diesen Worten drehte er sich um und lief schnellen Schrittes den Gang entlang. Wir folgten ihm ohne ein Wort und in mir kam ein neues Gefühl auf, das das Misstrauen zumindest für den Moment verdrängte. Ich war mir ziemlich sicher, dass er uns gerade zu so etwas wie Duschen führte und diese Tatsache löste eine solche Euphorie in mir aus, dass diese alle anderen Gefühle verdrängte. Seit drei Jahren hatte ich keine warme Dusche mehr gehabt und was davor gewesen war, wusste ich nicht mehr. Meine Haut kribbelte in freudiger Erwartung und ich wollte nichts mehr, als den Dreck von mir abzuwaschen, der nach Tod roch. 
Als wir die Duschen betraten und ein Mädchen uns frische Kleidung und Handtücher reichte, konnte ich es kaum noch erwarten, endlich unter das heiße Wasser zu treten. Ich öffnete eine der Kabinen und schlüpfte hinein, schloss die Tür hinter mir und warf das Handtuch darüber, damit es nicht nass wurde. Dann schlüpfte ich aus meinen dreckigen Sachen und warf sie achtlos in die Ecke. 
In den anderen Kabinen ging jetzt das Wasser an und ich hörte das Jubeln der Jungen, die bereits das heiße Wasser auf der Haut spürten. Auch ich trat unter den Duschkopf und drehte das Wasser auf. Zuerst zuckte ich unter dem warmen Strahl zusammen, doch dann spürte ich, wie sich die Poren meiner Haut dankbar öffneten und mir ein warmer Schauer den Rücken herunter lief.
Ich duschte ausgiebig und war die Letzte, die das Wasser wieder ausstellte, als das Mädchen, das noch immer vor unseren Kabinen stand, uns darauf aufmerksam machte, dass wir doch bitte langsam zu einem Ende kommen sollten. Gerade schrubbte ich das Blut, das ich Chuck zuordnete unter meinen Fingernägeln weg und merkte, wie mich wieder die Trauer und gleichzeitig dieses ungute Gefühl überkam. Ich versuchte, all das von mir wegzuschieben.
Nachdem ich mich mit dem wunderbaren, weichen Handtuch abgetrocknet hatte, schlüpfte ich in die Sachen, die mir gegeben worden waren. Eine dunkelblaue Jeans und ein graues T-Shirt. Ich trat aus der Kabine und das Mädchen lächelte mich freundlich an und hielt mir eine Bürste hin, auch etwas, das ich in dieser Form schon viel zu lange nicht mehr gesehen hatte. Vorsichtig fuhr ich mir durch die nassen Haare, bis sie glatt herunter hingen und betrachtete mich dabei im Spiegel. Tiefe Augenringe klafften unter meinen Augen und meine Haut hatte irgendwie ihren Glanz verloren. Ich fragte mich, ob es an der vielen Seife gelegen hatte, oder ob ich einfach nur so erschöpft war.
Newt trat neben mich und legte mir einen Arm um die Taille. Wir betrachteten unser Spiegelbild und als ich ihn sah, wie er mich so im Arm hatte, wurde mir warm ums Herz. Ich drehte mich zu ihm und küsste ihn, dann legte ich meinen Kopf an seine Brust, sodass ich seinen Herzschlag hören konnte.
„Wir sind jetzt in Sicherheit", flüsterte er und ich nickte schwach.
Ich wollte unbedingt, dass er Recht hatte.
„Seid ihr soweit? Dann folgt mir bitte."
Das Mädchen verließ vor uns den Raum und wir durchquerten mehrere Gänge, bevor wir ein Labor erreichten, in dem wir auf verschiedene Ärzte aufgeteilt wurden. Das Mädchen blieb bei Minho und mir und wies uns an, wir sollten uns jeder auf ein Laufband stellen, das sie dann anmachte. Während wir vor uns hin liefen notierte sie sich Dinge und nickte immer wieder.
Mir fiel auf, dass sie immer wieder zu Thomas und manchmal auch zu Teresa herüber sah, die noch auf einen Arzt wartete. Minho schien das nicht aufzufallen, aber ich musste wissen, was sie hatte, deshalb fragte ich: „Kennst du sie?"
Sie sah erschrocken zu mir auf und tat so, als wüsste sie nicht, was ich meinte.
„Was? Wen meinst du?"
Ich deutete mit dem Kopf in Thomas' Richtung, dann zu Teresa.
„Du siehst immer wieder zu ihnen rüber. Als erwartetest du, dass sie dich erkennen würden."
„Das stimmt doch gar nicht!"
Wie zur Bestätigung, dass sie mich anlog, fiel ihr das Klemmbrett herunter.
„Hey, lauf bitte einfach weiter. Wenn du redest, verfälscht das deine Werte", sagte sie, als sie es wieder aufgehoben hatte, mit rotem Kopf.
Ich beließ es dabei und konzentrierte mich wieder auf meine Beine. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie die beiden komisch angesehen hatte. Und wieder fühlte ich mich unwohl damit, dass wir hier eingesperrt waren, auch wenn es nicht so aussah, als wären wir es.
Gedankenverloren sah ich zu Newt herüber, der soeben eine Spritze bekam und den Arzt, der sie ihm gab, misstrauisch ansah, es dann aber geschehen ließ. Jetzt sah er mich an und nickte mir zu, als wolle er sagen, dass alles in Ordnung sei.
„Was gebt ihr uns da für Spritzen?", fragte ich neugierig.
Das Mädchen zuckte zusammen, sie hatte schon wieder zu Teresa herüber gesehen, die gerade von einer Ärztin begrüßt wurde, und schien sich ertappt zu fühlen.
„Äh... Da ist alles drin was ihr braucht. Vitamine und so weiter", erklärte sie und sah mich noch immer misstrauisch an.
Du fühlst dich ertappt, ganz sicher. Irgendetwas weißt du.
Aber ich hatte nicht die Zeit, darüber nachzudenken, was es sein könnte, denn ein Mann tauchte auf und nahm Thomas mit. Minho und ich wechselten einen Blick, auch er schien das alles komisch zu finden. Warum nahmen sie ihn mit? Was wollten sie von ihm? Was war an ihm anders als an uns? Und warum schloss die Ärztin bei Teresa jetzt die Vorhänge um den Platz herum, an dem sie saß, sodass wir sie nicht mehr sehen konnten?
„So, das reicht. Ihr könnt euch langsam auslaufen", riss das Mädchen mich aus meinen Gedanken. Während das Laufband immer langsamer wurde und ich somit auch, betrachtete ich sie einmal genauer. Sie musste ziemlich genau so alt sein wie wir, hatte mittellanges, braunes Haar und graue Augen. Ich fand, dass sie hübsch war mit ihrer kleinen Nase und ihren Sommersprossen. Auch Minho schien das aufgefallen zu sein, denn er musterte sie ebenfalls von oben bis unten, als wir von unseren Laufbändern stiegen und uns auf Stühle setzten.
Als sie bemerkte, wie unverwandt er sie ansah, wurde sie wieder ein wenig rot und versuchte, es zu übergehen, indem sie sich noch weitere Notizen machte.
„Also... Eure Vitalwerte sind unheimlich gut. Eigentlich müsste man meinen, dass sie viel schlechter wären, aber das ist ja auch kein Wunder, schließlich seid ihr als Läufer immer in Bewegung gewesen. Eure Kondition ist wirklich klasse."
Ich hielt die Luft an. Minho schien es nicht aufgefallen zu sein und ich fragte mich, wie fasziniert man von dem Gesicht eines Menschen sein konnte, um so etwas zu überhören.
Läufer. Sie hatte gerade gesagt, dass wir Läufer gewesen waren, obwohl sie das gar nicht hatte wissen können. Wir hatten es hier noch nicht einmal erwähnt und auch sonst deutete nichts darauf hin, dass wir etwas dergleichen gewesen waren. Und wenn doch, woher hätte sie wissen sollen, was für einen Begriff wir für unseren Job benutzt hatten?
Das Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte, wurde immer stärker und ich musste mich zusammenreißen, damit ich nicht einfach aufsprang und die Flucht ergriff.
Du hast keine Chance, hier heraus zu kommen. Beruhig dich. Du musst bei den Anderen bleiben. Alles wird gut, lass dir nur nicht anmerken, dass du etwas gemerkt hast. Tu so, als wäre nichts, vielleicht sind die Menschen hier ja doch nicht böse und sie hat die Informationen irgendwo anders her.
Ja, das musste es sein. Sie hatten die Daten von WICKED bereits ausgewertet und deshalb wusste sie, dass Minho und ich Läufer gewesen waren und auch, dass wir es so nannten. Außerdem konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses Mädchen uns etwas Böses wollte. Sie war viel zu nett und abgesehen davon auch noch viel zu leicht zu durchschauen, als dass sie die Absicht haben könnte, und etwas anzutun.
Auch wir bekamen von ihr jetzt die Spritze, die ich bereits bei Newt gesehen hatte. Es brannte kurz und sie reichte mir einen Tupfer, damit ich damit die Blutung stoppen konnte, bevor sie uns beiden ein wenig Blut abnahm.
Ich ließ all das über mich ergehen und war froh, als sie sagte: „So, fertig. Ihr könnt jetzt zu den Anderen gehen."
Ich stutzte. „Den Anderen?"
„Na, zu denen aus den anderen Labyrinthen. Kommt, ich bringe euch hin."
Damit stand sie auf und wartete, dass wir es ihr gleich taten.
Minho und ich wechselten einen vielsagenden Blick. Welche anderen Labyrinthe? Hieß das, wir waren nicht die einzigen?

Through The WICKED Scorch | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt