35. Dr. Mary

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„Nein!", brüllte Jorge, als er realisierte, was Vince vorhatte.
Jetzt stürzte Thomas nach vorne.
„Nein, nein, nein! Wartet, wartet!"
Newt packte mich und zog mich hinter sich. Wir alle machten einen Schritt zurück.
„Geht zurück! Weg da, Kleiner!", wies er Thomas an, der jetzt vor ihm stand.
„Okay, hört zu!", versuchte dieser es. „Das ist gerade erst passiert, sie ist noch nicht gefährlich!"
Er hat davon gewusst? – Klar, es hatte passiert sein müssen, als wir voneinander getrennt gewesen waren.
„Ihr hättet sie nicht herbringen dürfen!"
Zwei der Männer hatten jetzt Jorge gepackt und zogen ihn von Brenda weg, wobei er sich mit allen Mitteln wehrte.
„Ich weiß, ich..."
„Wenn wir Cranks hier rein lassen, übersteht der sichere Hafen keine Woche! Aus dem Weg!"
„Ist ja gut, ich verstehe, okay? Ich verstehe, was du meinst. Hör mir bitte zu, ja? Bitte, okay? Ich hab ihr gesagt, dass ihr ihr helfen könnt. Okay, ja? Es muss doch etwas geben, was ihr tun könnt."
Ich blickte entsetzt zu Brenda herab, die jetzt zuckend auf dem Boden lag. Sofort musste ich an Winston denken.
„Ja... Gibt es. Ich kann sie sofort von ihrem Leid befreien", sagte Vince und entsicherte seine Waffe.
„Nein! Nein!", brüllte Jorge.
„Hey warten Sie, bitte..."
Ich machte einen Schritt nach vorne und trat neben Thomas, sodass wir Brenda jetzt völlig abschirmten.
„Anna, komm zurück!", zischte Newt hinter mir, aber ich ignorierte ihn.
So standen wir da, Auge in Auge mit Vince' Pistole und ich war nicht bereit, auch nur einen Schritt zur Seite zu machen. Es musste etwas geben, womit wir ihr helfen konnten. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass sie auch noch starb, nachdem ihr schon so viele voran gegangen waren.
„Vince! Das reicht!", erklang plötzlich eine Frauenstimme.
Er drehte sich um.
Ich sah eine kleine, dunkelhaarige Frau auf uns zukommen und ein weiteres Mal stach es in meinem Kopf.
... „Dr. Mary hat gesagt, dass es noch welche gibt, in den äußeren Zonen. Manche von ihnen sind wild, aber andere sind noch zahm und leben bei Menschen."
„Hat sie das wirklich gesagt?", fragte der junge Gally und setzte sich auf seinem Bett auf.
„Ja." Ich nickte aufgeregt mit dem Kopf. „Und schau mal, sie hat mir ein Bild von einem Hund gezeichnet. Wir haben ihn Bimbo getauft. Sie sagte, er ist ein Schäferhund." ...
„Lasst ihn los!", wies sie die Männer an. „Lasst ihn los!"
Endlich ließen sie Jorge frei. Er stürzte sofort wieder neben Brenda.
„Sie ist infiziert, Doc", erklärte Vince, der noch immer mit seiner Waffe auf Brenda zielte. „Wir können nichts mehr für sie tun."
Doch sie sah nicht ihn an und auch nicht Brenda. Seit sie uns gesehen hatte, wechselte ihr Blick stetig zwischen Thomas und mir. Jetzt wurde das Stechen in meinem Kopf immer stärker, sodass ich mir an die Stirn fasste.
Thomas war der Erste, der sich wieder gefangen hatte.
„Mary...", murmelte er gedankenverloren.
„Was ist damit?", fragte Minho, verwirrt dass er sich jetzt über einen Namen Gedanken machte.
„So hieß die Ärztin, die mich damals immer untersucht hat. Sie hat eng mit Paige zusammen gearbeitet. Irgendwann war sie einfach verschwunden. Man sagte uns, sie sei gestorben, aber wirklich geglaubt hat es niemand."
„Ich erinnere mich auch, du hast Recht..."
Verwirrt sah ich ihn an.
„Na gut, klar, es kann sein, dass sie hier gearbeitet hat und dann geflüchtet ist. Wundern würde es mich nicht. Die sind alle verrückt, die freiwillig für WICKED arbeiten, wenn ihr mich fragt."
Minho hatte Recht. Damit war das Thema anscheinend abgehakt.
„Leute... Es hat geklappt. Wir haben sie erreicht. Wir schaffen die Kids hier raus. Und wir kommen auch hier raus!"
Rachel fiel mir um den Hals und ich griff nach Minho und Thomas, um sie mit in die Umarmung zu ziehen.
„Nein, aber er kann es", ging sie jetzt doch auf Vince' Worte ein.
„Hallo, Thomas... und Anna. Ihr habt also tatsächlich wieder zusammen gefunden."
Ihre Stimme war sanft und als sie meinen Namen sagte, machte mein Herz einen Satz. Was hatte das zu bedeuten? Wie meinte sie das?
Mit einem warmen Lächeln sah sie uns unverwandt an und wir wechselten einen verwirrten Blick. Im Rücken konnte ich die Blicke der Anderen spüren.
„Was?", fragte Vince verwirrt.
„Du... Du kennst uns?", fragte Thomas, der als erster von uns beiden seine Stimme wiedergefunden hatte.
Sie nickte nachdenklich.
„Interessant. Ich verstehe, warum sie dich ins Labyrinth geschickt haben. Allerdings verstehe ich nicht, dass sie sich ihr Labyrinth für dich ausgesucht haben, nach damals..."
Sie deutete mit dem Kopf auf mich, als sie sich jetzt neben Brenda kniete und ihren Puls suchte.
„Obwohl ich zugeben muss, ich hab befürchtet, dass sie dich töten, nach dem, was du getan hast."
Verwirrt und hilfesuchend sah Thomas mich an, als erwarte er, dass ich Bescheid wusste, aber ich konnte nur ebenso verwirrt zurückgucken.
„Was hab ich denn getan?", fragte er.
Wir hatten uns jetzt umgedreht und standen neben Vince, statt vor ihm. Ich konnte in die Gesichter meiner Freunde sehen und erkannte nichts als Verwirrung. Nur Newt und Teresa hatten noch eine andere Emotion in ihrem Blick – Misstrauen. Während sie Thomas musterte, starrte Newt mich an und dieses Misstrauen in seinem Blick versetzte meinem Herz tausend Stiche. So hatte er mich noch nie angesehen.
„Als wir das erste Mal gesprochen haben, war es schon lange her, dass Anna uns kontaktiert hatte – fast drei Jahre. Du hast gesagt, du kannst es nicht mehr ertragen, zuzusehen, wie deine Freunde starben, einer nach dem anderen. Als wir das letzte Mal miteinander redeten, hast du mir die Koordinaten sämtlicher WICKED-Labore und -Einrichtungen gegeben."
„Er war unsere Quelle", stieß Vince hervor. „Ihr wart die undichten Stellen. Du bist Anna..."
Ich sah zu ihm auf.
„Du bist die, mit der ich damals geredet habe. Die, die die Kids gerettet hat."
Mit großen Augen sah er von mir zu Thomas und wieder zurück.
Mein Schädel pochte unaufhörlich.
„Wir hätten das alles niemals ohne euch durchziehen können."
Mary nickte. Ich war mir sicher, dass sie es war. Das Bild von ihr, einige Jahre jünger und in einem weißen Kittel, wie Ava Paige ihn trug, war in meinem Kopf aufgetaucht.
„Dr. Mary, wie sahen Hunde eigentlich aus?"
„Warum denn 'sahen'? Denkst du, sie sehen jetzt anders aus?"
„Sie sind doch ausgestorben..."
„Wer hat dir das denn erzählt? Es gibt überall auf der Welt Hunde. Manche sind wild, andere leben bei Menschen, draußen in den äußeren Zonen. Hier, ich zeichne dir einen wenn du willst", schlug sie lächelnd vor.
Begeistert sah ich zu, wie sie ein Tier mit langem Fell zeichnete.
„Das ist ein Schäferhund. Der gehört jetzt dir. Willst du ihm einen Namen geben?"
Ich nickte. „Bimbo."
„Ein schöner Name. Na, dann zeig Bimbo mal später dein Zimmer. Ich bin sicher, Gally findet ihn auch süß."
Ich sprang von dem Stuhl in ihrem Behandlungszimmer auf und rannte zur Tür.
„Danke, Dr. Mary! Sie sind die Beste!"
„Tragt sie ins Zelt", sagte Mary jetzt und sah wieder zu Brenda herunter. „Und gebt den Anderen warme Kleidung... Vorsichtig!"
Jorge und einer der Männer hoben Brenda hoch.
„Na komm", raunte er dem Mädchen zu.
Ich sah von ihnen wieder zu meinen Freunden und bemerkte, dass sie uns noch immer anstarrten. Newts Blick war jetzt nicht mehr misstrauisch, sondern eher überrascht – das traf es ganz gut. Teresa hingegen sah ungläubig zwischen Thomas und mir hin und her und wirkte überhaupt nicht glücklich über das, was sie gerade über uns erfahren hatte.
„Hey, das ist das Mindeste, was wir tun können", hörte ich Mary zu Vince sagen.
„Thomas, komm. Ich muss dir ein bisschen Blut abnehmen."
Gemeinsam gingen sie jetzt in Richtung eines Zeltes.

Through The WICKED Scorch | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt