Wie Schafe auf der Wiese

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Kapitel 4 Wie Schafe auf der Wiese

Ich bringe den Rest des absurden Kammerspiels hinter mich, beteilige mich notgedrungen und scheinwahrend an den Konversationen und mache gute Miene zum bösen Spiel. So wie es sich meine Mutter gewünscht hat. Mayas Blicke wünschen mir durchweg brennende Qualen.

Ich helfe dabei den Tisch abzuräumen und mache freiwillig den Abwasch. Ich sammele die Tassen ein und greife nach der von mir benutzten Teetasse. Darauf ist ein wolleweiches Schaf abgebildet, welches einem 'Du bist schaaaf' zu mäht und zwinkert. Papa schenkte sie Mama vor etlichen Jahren zum Hochzeitstag. Für Maya und mich war es ein Moment des abgrundtiefen Fremdschämens. Doch unserer Eltern haben dabei gekichert, wie zwei Teenager. Mittlerweile kann auch ich darüber schmunzeln. Ich sehe zu meiner Mutter, die den Rest der Tassen in die Küche stellt. Ihr Blick strotzt vor Enttäuschung und dass sie sauer ist, zeigt sie mir mit deutlichem Schweigen. Ich bin ein Idiot und wieder einmal selbst schuld. Könnte ich mich doch nur besser zusammenreißen.

Das Wasserrauschen lässt mich einen Moment lang in der Monotonie meiner Gedanken ertrinken. Ich stelle es ab und tauche meine Finger in das Becken. Das warme Abwaschwasser um meine kühlen Finger ist wohltuend. Sie malen kleine Kreise und wirbeln mehr Schaum auf. Ich räume ein paar Teller ins klare Nasse und höre wie Porzellan auf Glas trifft. Ich entscheide mich für den Schwamm und beginne die ersten Teller zu reinigen. Kreisend. Hier und da rubbelnd. Ich wende den Teller. Es hat etwas Hypnotisches. Ich beginne leise zu summen und genieße die Ruhe. So lange bis ich leises Gemurmel und gedämpftes Gelächter höre. Ich achte nicht auf die Stimmen, die aus dem Esszimmer zu mir dringen. Auch das Zersplittern des Glases unter Wasser ist nicht zu hören als ich gedankenlos weiter das Geschirr schrubbe. Doch als ich versehentlich in das kaputte Glas greife, kann ich es spüren. Ein kurzer Schmerz, der durch meine Hand zuckt.

Erschrocken ziehe ich sie aus dem Wasser raus und fluche. Die rote Flüssigkeit mischt sich mit dem Wasser. Sofort läuft mir Blut den Arm hinab und ich sehe mich suchend nach einem Handtuch um. Derweil betropfe ich die Arbeitsplatte. Ich bewege mich hektisch suchend umher. Nach kurzer Zeit sieht es aus, wie nach einer Notschlachtung. Viele rote Tropfen am Boden. Auf meinem T-Shirt und es bildet sich eine kleine Lache auf der Arbeitsplatte. Ich finde nichts zum Abbinden und lasse meine Hand sinken. Mein Puls pumpt heftig und heiß Blut durch meine Adern. Trotzdem wird mit kalt. Plötzlich greift jemand nach meinem Arm. Ich höre, wie klappernd etwas Geschirr auf die Anrichte gestellt wird und spüre Raphaels festen Griff um mein Handgelenk. Er fasst direkt in das Blut. Ich beginne heftig und laut zu atmen.

„Bleib ruhig und halt die Hand oben." Raphaels leise und ruhige Stimme dringt zu mir durch. Sein bestimmtes und sicheres Handeln beruhigt mich. Er zerrt meine Hand in eine aufrechte Position und zieht ein sauber gefaltetes Stofftaschentuch aus seiner Tasche. Schnell und fest drückt er es auf die lädierte Stelle. Ich zucke zusammen, als ein heftiger Schmerz meinen Körper durchfährt.

„Halt still, Mark", höre ich Raphael sagen, doch dann geben meine Beine nach. Erschrocken hält er mich fest, sodass ich nicht vollkommen zu Boden gehe und lehnt mich vorsichtig an den Küchenunterschrank. Kalter Schweiß steht auf meiner Stirn. Mir ist schummerig. Ich höre, wie Raphael nach meinen Eltern ruft. Er nennt meine Mutter bei ihrem Vornamen. Nur das fällt mir auf. Was er noch sagt, kriege ich nicht mit. Mein Blick verschwimmt und das Rauschen in meinen Ohren wird lauter.

Es dauert einen Moment bis ich alles um mich herum wieder klar mitbekomme. Das erschrockene und besorgte Gesicht meiner Mutter. Die Aufregung in den Stimmen meines Vaters und meines Onkels, die sich darüber streiten, ob sie einen Krankenwagen holen sollen. Meine Tante, die schnell und gekonnt meine Hand abbindet. Raphaels warme Hand, die in meinem Nacken liegt. Wohltuend und angenehm. Es beruhigt mich und ich spüre es so deutlich. Ich fühle, wie seinen Daumen über meine Haut streicht und dabei auch die Kette berührt. Nun weiß er, dass ich sie noch immer trage. Ich spüre, wie sie auf meiner schwer atmenden Brust hin und her schwingt. Ich höre sie weiterhin diskutieren.

Doors of my Mind 2.0 - Ihr Freund. Mein GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt