Eine Leiche zum Dessert

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Kapitel 15 Eine Leiche zum Dessert

Als ich erneut auf die Uhr sehe, ist es höchste Zeit loszugehen. Ich raffe mich nur schwer auf, gehe zum Schreibtisch und greife gerade nach meinen Heftern als mir ein Zettel auffällt. Es stehen eine Telefonnummer darauf und die Bitte ihm zwischendurch zu schreiben. Daneben ein grinsender Smiley mit einem kleinen Herzen. Raphaels Nummer. Es zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen. Wahrscheinlich hat er die Stimme meines Vaters vorhin erkannt und gewusst, dass wir es wieder bravourös vergessen würden. Danach nehme ich meinen Unikram und den Zettel, stopfe alles außer die Nachricht in den Rucksack und wandere in die Küche um den letzten Rest Tee mit einem Zug zu leeren. Mein Handy blinkt noch immer lustig und als ich es zur Hand nehme, sehe ich 6 verpasste Anrufe. Alle von meinen Erzeugern. Mama und auch Papa. 3 Nachrichten. Keine ist von Shari. Ich tippe, obwohl es mir widerstrebt zu nerven, eine weitere Nachricht mit hoffnungslos vielen Smileys. Ich bitte sie zum gefühlten hundertsten Mal um Verzeihung und wünsche ihr einen schönen und aufregenden Tag. Shari bräuchte ich jetzt am Dringendsten. Ich werde sie nicht einmal in der Universität treffen, denn heute hat sie eine Exkursion. Ich weiß nur wieder nicht wohin. Weil wir uns nicht sehen, wollten wir uns am Abend treffen. Doch meine heutige Shari-Zeit habe ich an Andrew abgetreten.

Bevor ich gehe, speichere ich noch die Nummer von Raphael ein und verspüre sofort den Drang ihm zu schreiben, doch ich lasse es, schließlich könnte er bereits jetzt bei Maya stehen. Vielleicht sollte ich es gerade tun. Mein Daumen zuckt verräterisch. Meine Libido schwenkt das rosabestoffte Unterhöschen, doch die Mutlosigkeit schreit Nein und hisst die weiße Flagge. Zum Kotzen. Intensiv einatmend, stecke ich es in die Hosentasche. Ich falte den kleinen Zettel sorgsam zusammen und stecke ihn in mein Portemonnaie. Ihn werde ich behalten. Immerhin hat mir hier Raphael das erste Herzchen geschenkt. Ich sehe erneut den rötlichen Schnitt auf meiner Handfläche. Mit dem Daumen drücke ich die Ränder entlang. Es schmerzt und sonderlich gut sieht es auch nicht aus. Missmutig knalle ich mir im Badezimmer eine Ladung Desinfektionsmittel drüber und bastele mir einen neuen Verband um die Hand. Ich wäre kein guter Sanitäter geworden und eine Krankenschwester auch nicht. Erst danach gehe ich endlich los.

Zur Vorlesung komme ich zu spät. Es interessiert niemanden. Ich kann mich nicht konzentrieren und verlasse nach 4 Stunden und einer halben Seite Geschriebenes die Uni. Ich fahre zu mir, ziehe mir etwas Annehmbares an und verwüste dabei meinen Kleiderschrank und das halbe Zimmer. Grandios.

Vor dem Haus meiner Eltern steht Raphaels Auto. Sie müssen als vorher noch bei ihm gewesen sein. Im Flur bleibe ich stehe und lausche dem unruhigen Gewusel im oberen Stockwerk. Soweit ich erkennen kann, ist niemand unten. Keiner hat mich gehört. Ich atme aus und ziehe mir nur die Schuhe aus. Die Jacke lasse ich an. Ich schleiche mich in die Küche und schaue, wie ich es gewohnt bin in den Kühlschrank. Ich stehe vor den Resten von Kaffee und Kuchen. Die Stimmen im oberen Stockwerk werden lauter. Mein Blick fällt auf die Torte zu Mayas Ehrentag. Es ist nur noch die Zahl 8 und ‚tstag' zu erkennen. Nun ist sie erwachsen. Die Stimme in meinem Kopf verzerrt die Zahl zu meinem Absurdum. Erwachsen. In unserer Familie bedeutete es mehr Freiheiten. Verlängerte Ausgehzeiten und die ungehinderte Möglichkeit bei Freunden zu nächtigen, vorausgesetzt man meldete sich regelmäßig. Nun dürfte sie ohne zu fragen bei Raphael übernachten. Die Eifersucht in mir schreit, dass sie das nie wieder tun wird. Mir vergeht bei diesen ganzen Gedanken trotzdem der letzte Rest des Appetits. Ich nehme mir ein Glas Wasser und lehne mich an die Spüle. Meine Eltern diskutieren oben immer noch. Ich horche auf als ich Schritte auf der Treppe vernehme. Als ich mich zur Tür beuge, sehe ich meine Mutter im Flur, die sich gerade ein paar Ohrringe einfädelt. Sie trägt ein dunkelblaues Wickelkleid, welches sich perfekt um ihren schlanken Körper schmiegt. Es betont die richtigen Stellen. Sie sieht wunderschön aus. Sie bemerkt mich nicht, denn ich stehe im Dunkeln. Ich rege mich nicht und nippe an meinem Wasser. Meine Mutter ruft nach meinem Vater. Sie fragt, ob er weiß, wo ich bin. Er versichert ihr, dass er mir Bescheid gegeben hat. Meine Mutter scheint nicht überzeugt, denn sie greift nach dem Telefon. Ich höre, wie sie aus dem Kopf meine Nummer eintippt. Das verursacht ein Lächeln auf meinen Lippen. Mein Handy vibriert nur. Schmunzelnd gehe ich ran.

Doors of my Mind 2.0 - Ihr Freund. Mein GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt