Kapitel 7 Heiter bis wolkig mit 90% Dramödienwahrscheinlichkeit
Am Morgen renne ich nur mit Shorts bekleidet durch die Wohnung. Während das Wasser für Kaffee und Tee kocht, durchforste ich meine Unterlagen am Schreibtisch. Ich habe mir die Folien für die heutigen Vorlesungen ausgedruckt und kann sie einfach nicht finden. Ich ziehe alle Schubladen auf und reiße die Blätter heraus. Ein Umschlag fällt mir entgegen und ich stocke. Ohne hineinzusehen, weiß ich, um welchen Umschlag es sich handelt. Darin habe ich nach Raphaels Abgang das Ahornblatt und die silberne Kette gefunden. Unbewusst führe ich ihn zu meinem Gesicht und rieche an dem trockenen Papier. Ich fühle mich von den Gefühlen des Vermissens und der Schuld übermannt.
Wieso taucht er immer wieder auf? Warum kommt er mir immer wieder in den Sinn? Ich zweifele mittlerweile an der Entscheidung, doch nicht weggegangen zu sein. An einer anderen Uni in einer völlig anderen Stadt wäre vieles einfacher.
Trotz meiner Gedanken lege ich den Umschlag nicht beiseite, sondern ziehe die Lasche aus der Öffnung. Es befinden sich nur noch rote Krümel darin, die einst das Ahornblatt gewesen sind. Während meines Umzugs ist es einem verzweifelten Wutanfall zum Opfer gefallen. Immer wieder gab es diese Momente, in denen mich der Gedanke an Raphael übermannte und an diesem Tag hat mich eine Welle der Gefühle überrollt. Alles zu gleich. Wut, Verärgerung, Trauer, Enttäuschung und Sehnsucht. Die Sehnsucht war die Schlimmste und ich wurde sauer. Ich riss ein paar Bilder von der Wand und dabei auch das Ahornblatt. Als ich es aufhob, zerbröselte es schlicht weg unter meinen Fingern. Trotz Wut und Ärger hatte ich nach kurzer Zeit ein schlechtes Gewissen und am Ende auch noch geweint. Die Überreste habe ich eingesammelt und sie in den Umschlag zurückgetan. Ihn wegschmeißen konnte ich nicht, genauso, wie ich es nicht schaffe Raphael aus meinem Kopf zubekommen.
Ich packe den Umschlag erst zur Seite als Jake aus dem Bad kommt.
„Uff, du hast aber gewütet", sagt er lächelnd und rubbelt sich das Gesicht trocken, während er sich im Zimmer umsieht. Ich schubse den Umschlag schnell in die Schublade und schiebe sie zu.
„Ich suche meine Unterlagen für die Uni und hatte, wie man sieht bisher noch kein Glück."
„Dann such mal weiter. Ich mache Frühstück", bietet er an. Ich nicke bestätigend. Als er angezogen an mir vorbeikommt, haucht er mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet in die Küche. Ich starre auf meinen Schreibtisch. Mein Herz ist unendlich schwer und die Schuldgefühle zerfressen mich.
Ich bringe meine Vorlesungen auch ohne die Unterlagen hinter mich, auch wenn ich mir sicher bin, dass ich sie finde, sobald ich zu Hause bin. Ich verabrede mich zwischendurch mit Shari und Paul und bin auch als Erster an unseren Treffpunkt. Ich öffne die SMS, die ich nach jedem Treffen mit Jake bekomme. In diesen bedankt er sich für den schönen Abend und gesteht mir jedes Mal aufs Neue, wie sehr er es genießt, mit mir zusammen zu sein. Doch diesmal steht noch eine Ergänzung dabei. Er hofft, dass wir uns bald wiedersehen. Mein Herz schlägt hart und schwer in meiner Brust, als ich es wiederholt lese. Ahnt er etwas? Ich habe mich ein wenig komisch verhalten, das stimmt. War ich ihm gegenüber abweisend? Nein. Im Grunde viel zu freimütig.
Mit einem Mal spüre ich schlanke Arme, die sich um meinen Bauch schlingen. Fest, aber liebevoll. Der zarte Karamellton ihrer Haut harmoniert perfekt mit dem violetten Shirt, welches ich trage. Ein blumiger Duft weht mir entgegen, gepaart mit einer feinen süßen Note. Ich schließe meine Augen und merke, wie ihre Umarmung noch fester wird. Shari drückt ihr Gesicht in meinen Rücken und ich spüre das schwere Seufzen, welches ihren gesamten Körper zu durchdringen scheint. Meine Hände legen sich auf ihre Arme, streichen über die warme, weiche Haut. Sie scheint fast haarlos und eindeutig makellos. Es fühlt sich ganz anderes an, als die Haut der Männer, die ich sonst spüre.
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Doors of my Mind 2.0 - Ihr Freund. Mein Geheimnis
Romance[Fortsetzung von 'Doors of my Mind- Der Freund meiner Schwester'.] Wenn ich meine Augen schließe, dann sehe ich ihn. Seine wunderschönen grünen Augen, die sich wieder und wieder in meine Gedanken schleichen. Und obwohl er mich abgewiesen und verletz...